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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.

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Von Langnau Schreiben
auf Schmeicheleyen, und verlangen kein Lob,
wenn sie es nicht verdienen.

F. Auf der 429. Seite des VIten Artickels
kommet ihr auf die Vertheidigung der Gott-
schedischen Erklärung von dem Geschmacke. Wer
die Gottschedische Sprache, die er in seinen Ma-
gisterzeiten noch nicht geredet, sondern erst seit
wenig Jahren sich angewöhnet hat, nicht ver-
stehet, der würde glauben, daß der Briefwech-
sel von der Natur des poetischen Geschmacks,

so im Jahr 1729. geführt worden, seine Ge-
dancken, Erklärungen und Sätze aus dem 3ten
Capitel der Gottschedischen Dichtkunst hergelei-
tet, und nur weitläuftiger ausgeführet hätte;
allein da die Gottschedische Dichtkunst allererst
1730. hiemit ein Jahr später herausgegeben
worden, so leidet die Zeitrechnung diesen Ver-
stand nicht, und Hrn. Gottscheds Sprache
will auch in der That gantz was anders sagen,
eben wie, wenn er sagt, der grosse Leibnitz ist
hier vollkommen meiner Meinung,
solches
nicht ein mehrers zu bedeuten hat, als, ich bin
hierinn des grossen Leibnitzen Meinung, ich
gebe derselben völligen Beyfall:
Nicht aber
umgekehrt, als ob der grosse Leibnitz des Gott-
scheds
Meinung Beyfall gegeben hätte, denn
auch hier leidet die Zeitrechnung diesen Ver-
stand nicht. Damit man aber solches nicht
mißdeutete, als ob man zu verstehen geben wol-
le, Hr. Gottsched habe seine Abhandlung vom
Geschmack im dritten Capitel der Dichtkunst
aus dem Briefwechsel ausgeschrieben, so war

erfor-

Von Langnau Schreiben
auf Schmeicheleyen, und verlangen kein Lob,
wenn ſie es nicht verdienen.

F. Auf der 429. Seite des VIten Artickels
kommet ihr auf die Vertheidigung der Gott-
ſchediſchen Erklaͤrung von dem Geſchmacke. Wer
die Gottſchediſche Sprache, die er in ſeinen Ma-
giſterzeiten noch nicht geredet, ſondern erſt ſeit
wenig Jahren ſich angewoͤhnet hat, nicht ver-
ſtehet, der wuͤrde glauben, daß der Briefwech-
ſel von der Natur des poetiſchen Geſchmacks,

ſo im Jahr 1729. gefuͤhrt worden, ſeine Ge-
dancken, Erklaͤrungen und Saͤtze aus dem 3ten
Capitel der Gottſchediſchen Dichtkunſt hergelei-
tet, und nur weitlaͤuftiger ausgefuͤhret haͤtte;
allein da die Gottſchediſche Dichtkunſt allererſt
1730. hiemit ein Jahr ſpaͤter herausgegeben
worden, ſo leidet die Zeitrechnung dieſen Ver-
ſtand nicht, und Hrn. Gottſcheds Sprache
will auch in der That gantz was anders ſagen,
eben wie, wenn er ſagt, der groſſe Leibnitz iſt
hier vollkommen meiner Meinung,
ſolches
nicht ein mehrers zu bedeuten hat, als, ich bin
hierinn des groſſen Leibnitzen Meinung, ich
gebe derſelben voͤlligen Beyfall:
Nicht aber
umgekehrt, als ob der groſſe Leibnitz des Gott-
ſcheds
Meinung Beyfall gegeben haͤtte, denn
auch hier leidet die Zeitrechnung dieſen Ver-
ſtand nicht. Damit man aber ſolches nicht
mißdeutete, als ob man zu verſtehen geben wol-
le, Hr. Gottſched habe ſeine Abhandlung vom
Geſchmack im dritten Capitel der Dichtkunſt
aus dem Briefwechſel ausgeſchrieben, ſo war

erfor-
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[50/0052] Von Langnau Schreiben auf Schmeicheleyen, und verlangen kein Lob, wenn ſie es nicht verdienen. F. Auf der 429. Seite des VIten Artickels kommet ihr auf die Vertheidigung der Gott- ſchediſchen Erklaͤrung von dem Geſchmacke. Wer die Gottſchediſche Sprache, die er in ſeinen Ma- giſterzeiten noch nicht geredet, ſondern erſt ſeit wenig Jahren ſich angewoͤhnet hat, nicht ver- ſtehet, der wuͤrde glauben, daß der Briefwech- ſel von der Natur des poetiſchen Geſchmacks, ſo im Jahr 1729. gefuͤhrt worden, ſeine Ge- dancken, Erklaͤrungen und Saͤtze aus dem 3ten Capitel der Gottſchediſchen Dichtkunſt hergelei- tet, und nur weitlaͤuftiger ausgefuͤhret haͤtte; allein da die Gottſchediſche Dichtkunſt allererſt 1730. hiemit ein Jahr ſpaͤter herausgegeben worden, ſo leidet die Zeitrechnung dieſen Ver- ſtand nicht, und Hrn. Gottſcheds Sprache will auch in der That gantz was anders ſagen, eben wie, wenn er ſagt, der groſſe Leibnitz iſt hier vollkommen meiner Meinung, ſolches nicht ein mehrers zu bedeuten hat, als, ich bin hierinn des groſſen Leibnitzen Meinung, ich gebe derſelben voͤlligen Beyfall: Nicht aber umgekehrt, als ob der groſſe Leibnitz des Gott- ſcheds Meinung Beyfall gegeben haͤtte, denn auch hier leidet die Zeitrechnung dieſen Ver- ſtand nicht. Damit man aber ſolches nicht mißdeutete, als ob man zu verſtehen geben wol- le, Hr. Gottſched habe ſeine Abhandlung vom Geſchmack im dritten Capitel der Dichtkunſt aus dem Briefwechſel ausgeſchrieben, ſo war erfor-

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung11_1743/52>, abgerufen am 18.05.2024.