[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.Wie weit sich ein Poet gen. Er sagt:"Bey einer Meynung läßt man Hiemit wäre nach J. A. K. eine Da der grosse deutsche Weltweise dieses finstere erwie-
Wie weit ſich ein Poet gen. Er ſagt:„Bey einer Meynung laͤßt man Hiemit waͤre nach J. A. K. eine Da der groſſe deutſche Weltweiſe dieſes finſtere erwie-
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Wie weit ſich ein Poet
gen. Er ſagt:
„Bey einer Meynung laͤßt man
„es dahin geſtellt ſeyn, ob ſie wahr oder irrig
„ſey, welches ſich bey dem Wahne gantz anders
„verhaͤlt.„
Hiemit waͤre nach J. A. K. eine
Meynung eine ungewiſſe Erkenntniß, es ſey,
daß der Beſitzer derſelben ſie fuͤr wahr oder ir-
rig haͤlt. Seine Meynung von etwas geben, iſt
folglich, etwas daher ſagen, von dem ich ungewiß
bin, ob es moͤchte wahr oder irrig ſeyn, welches
ich auch dahin geſtellt ſeyn laſſe: da doch nach
dem gemeinen Gebrauche dieſes Worts, derjenige,
der ſeine Meynung uͤber etwas erklaͤret, ſagt, was
er fuͤr wahr, gut und nuͤtzlich halte; etwas gut
heiſſet oder verwirft.
Da der groſſe deutſche Weltweiſe dieſes finſtere
Galimathias ſelbſt vor etwas wohl erſonnenes hal-
ten muß: ſo will ich ihn und ſeinen Schuͤler, wo
moͤglich, aus ihrer Verwirrung auf ordentlichere
Gedancken fuͤhren. Ein Jrrthum iſt, wenn ei-
ner etwas, das an ſich ſelbſt betrachtet wahr iſt,
fuͤr falſch, oder das an ſich ſelbſt betrachtet falſch
iſt, fuͤr wahr haͤlt. So lange einer etwas fuͤr
wahr anſiehet, ſo kan er ſich daſſelbe unmoͤglich
zugleich als falſch vorſtellen; und ſo lange er et-
was fuͤr falſch anſiehet, ſo wird er ſich daſſelbe un-
moͤglich als wahr vorſtellen koͤnnen. Der Jrr-
thum wird demnach allemahl durch eine gruͤndli-
chere Erkenntniß des Wahren oder des Falſchen
entdeckt und vertrieben. Ein Wahn iſt, wenn
einer dasjenige, was an ſich ſelbſt betrachtet un-
gewiß iſt, fuͤr gewiß haͤlt. Ungewiß nenne ich,
was noch zur Zeit nicht genugſam erwieſen iſt, oder
erwie-
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