[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.
J. A. K. redet in dieser gen. A 4
J. A. K. redet in dieſer gen. A 4
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des Wahnes bedienen koͤnne.
„oder irrig ſey; welches ſich bey dem Wahne
„gantz anders verhaͤlt.„
J. A. K. redet in dieſer
Erklaͤrung von einem Beſitzer des Wahnes; alſo
wird nach ihm der Wahn auch inter dominia re-
rum oder zu dem Eigenthum zu rechnen ſeyn: da
man ſonſt bisdahin geglaubt hat, daß man von
dem Wahne eher koͤnne beſeſſen werden. Er
ſagt, der Wahn ſey die Erkenntniß von einem
Dinge, die fuͤr gewiß und untruͤglich gehalten
werde, und doch ungewiß ſey; nemlich nicht in
Anſehung deſſen, der ſie fuͤr wahr und untruͤglich
haͤlt, denn ſo muͤßte dieſer einerley Erkenntniß zugleich
fuͤr gewiß und ungewiß halten: ſondern in Anſe-
hung der Erkenntniß eines andern. Folglich will
dieſe Erklaͤrung ſo viel ſagen: der Wahn ſey,
wenn ich z. E. fuͤr wahr und untruͤglich halte, was
ein anderer ungewiß erkennt, oder nicht weiß, ob
es wahr oder falſch ſey. Allein ſo lang ein ande-
rer ſelbſt ungewiß iſt, ob etwas wahr oder falſch
ſey, wie kan er meine Meynung fuͤr einen Wahn
halten? Der Wahn hat allezeit eine Beziehung
auf eine andere gruͤndlichere Einſicht und Erkennt-
niß, ohne dieſelbe koͤnnte niemahls kein Wahn
entdeckt werden. Sehet welche Ungewißheit und
Verwirrung! Wer die ſtoltze Vorbereitung
und die prahlerhafte Erzehlung, wie er auf die
Entdeckung dieſer Erklaͤrung gekommen, lieſet, dem
muß das Parturiunt montes, naſcetur ridiculus Mus
in den Sinn kommen. Es ſtehet aber J. A. K.
bey dieſer ungluͤcklichen Entdeckung nicht ſtille,
ſondern er waget ſich ferner den Unterſcheid zwi-
ſchen dem Wahne und einer Meynung anzuzei-
gen.
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