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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.

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des Wahnes bedienen könne.
"glaubens und die verschiedenen Meynungen, die
"von Zeit zu Zeit einen allgemeinen Glauben bey
"den Leuten erhalten haben, bekannt machen,
"damit er das Wunderbare in seinen Vorstel-
"lungen nach Beschaffenheit der Materie alle-
"mahl auf solche Meynungen gründen könne, die
"zu der Zeit,
da die Personen, die er auffüh-
"ret, gelebet, einen durchgängigen Beyfall ge-
"habt hatten. Die Meynung, die er ihnen zu-
"schreibet, muß zu derselben Zeit allgemein gewe-
"sen seyn, keine geschickter erklärte und besser be-
"kannte Wahrheiten müssen damahls mit ihr im
"Widerspruche gelegen haben, sonst würden diese
"wunderbaren Vorstellungen alle Glaubwürdig-
"keit verlieren, und also gantz abentheurlich wer-
"den."

Man kan auch mit Nutzen nachlesen,
was ferner hierüber auf der 340. und etlichen fol-
genden Seiten gründlich ausgeführt worden. Was
endlich die Beschuldigung und Entschuldigung der
alten Poeten, Homers und Virgils, wegen der
Fabeln von ihren Göttern anbelanget, so muß J.
A. K. noch erweisen, 1. daß diese Dichter über
die Götterhistorie mehr Erleuchtung gehabt haben,
als das Volck, und bestimmen, wie deutlich sie
den gemeinen Jrrthum des Aberglaubens eingese-
hen haben? Denn so lange der unvernünftige
Wahn von mehr als einer Gottheit nicht abgele-
get ist, so kan ich nicht wohl absehen, wie man
sollte unfähig seyn, allen andern abentheurlichen
Erzehlungen Glauben zuzustellen, zumahl wenn
ihnen der Aberglauben das Ansehen heiliger Ge-
heimnisse zuleget. 2. Muß er erweisen, daß die

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des Wahnes bedienen koͤnne.
„glaubens und die verſchiedenen Meynungen, die
„von Zeit zu Zeit einen allgemeinen Glauben bey
„den Leuten erhalten haben, bekannt machen,
„damit er das Wunderbare in ſeinen Vorſtel-
„lungen nach Beſchaffenheit der Materie alle-
„mahl auf ſolche Meynungen gruͤnden koͤnne, die
„zu der Zeit,
da die Perſonen, die er auffuͤh-
„ret, gelebet, einen durchgaͤngigen Beyfall ge-
„habt hatten. Die Meynung, die er ihnen zu-
„ſchreibet, muß zu derſelben Zeit allgemein gewe-
„ſen ſeyn, keine geſchickter erklaͤrte und beſſer be-
„kannte Wahrheiten muͤſſen damahls mit ihr im
„Widerſpruche gelegen haben, ſonſt wuͤrden dieſe
„wunderbaren Vorſtellungen alle Glaubwuͤrdig-
„keit verlieren, und alſo gantz abentheurlich wer-
„den.„

Man kan auch mit Nutzen nachleſen,
was ferner hieruͤber auf der 340. und etlichen fol-
genden Seiten gruͤndlich ausgefuͤhrt worden. Was
endlich die Beſchuldigung und Entſchuldigung der
alten Poeten, Homers und Virgils, wegen der
Fabeln von ihren Goͤttern anbelanget, ſo muß J.
A. K. noch erweiſen, 1. daß dieſe Dichter uͤber
die Goͤtterhiſtorie mehr Erleuchtung gehabt haben,
als das Volck, und beſtimmen, wie deutlich ſie
den gemeinen Jrrthum des Aberglaubens eingeſe-
hen haben? Denn ſo lange der unvernuͤnftige
Wahn von mehr als einer Gottheit nicht abgele-
get iſt, ſo kan ich nicht wohl abſehen, wie man
ſollte unfaͤhig ſeyn, allen andern abentheurlichen
Erzehlungen Glauben zuzuſtellen, zumahl wenn
ihnen der Aberglauben das Anſehen heiliger Ge-
heimniſſe zuleget. 2. Muß er erweiſen, daß die

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[19/0021] des Wahnes bedienen koͤnne. „glaubens und die verſchiedenen Meynungen, die „von Zeit zu Zeit einen allgemeinen Glauben bey „den Leuten erhalten haben, bekannt machen, „damit er das Wunderbare in ſeinen Vorſtel- „lungen nach Beſchaffenheit der Materie alle- „mahl auf ſolche Meynungen gruͤnden koͤnne, die „zu der Zeit, da die Perſonen, die er auffuͤh- „ret, gelebet, einen durchgaͤngigen Beyfall ge- „habt hatten. Die Meynung, die er ihnen zu- „ſchreibet, muß zu derſelben Zeit allgemein gewe- „ſen ſeyn, keine geſchickter erklaͤrte und beſſer be- „kannte Wahrheiten muͤſſen damahls mit ihr im „Widerſpruche gelegen haben, ſonſt wuͤrden dieſe „wunderbaren Vorſtellungen alle Glaubwuͤrdig- „keit verlieren, und alſo gantz abentheurlich wer- „den.„ Man kan auch mit Nutzen nachleſen, was ferner hieruͤber auf der 340. und etlichen fol- genden Seiten gruͤndlich ausgefuͤhrt worden. Was endlich die Beſchuldigung und Entſchuldigung der alten Poeten, Homers und Virgils, wegen der Fabeln von ihren Goͤttern anbelanget, ſo muß J. A. K. noch erweiſen, 1. daß dieſe Dichter uͤber die Goͤtterhiſtorie mehr Erleuchtung gehabt haben, als das Volck, und beſtimmen, wie deutlich ſie den gemeinen Jrrthum des Aberglaubens eingeſe- hen haben? Denn ſo lange der unvernuͤnftige Wahn von mehr als einer Gottheit nicht abgele- get iſt, ſo kan ich nicht wohl abſehen, wie man ſollte unfaͤhig ſeyn, allen andern abentheurlichen Erzehlungen Glauben zuzuſtellen, zumahl wenn ihnen der Aberglauben das Anſehen heiliger Ge- heimniſſe zuleget. 2. Muß er erweiſen, daß die Alle- B 2

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/21>, abgerufen am 21.11.2024.