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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.

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des Wahnes bedienen könne.
wendigkeit führet er theils aus der Natur der Dich-
tung her, die sich an dem bloß Wahrscheinlichen
begnüget, und um das philosophische Wahre fast
gäntzlich unbekümmert ist; theils von der Beschaf-
fenheit derjenigen, denen er durch sein Gedicht zu
gefallen suchte. Dieses verkehret nun J. A. K.
nach seinem boshaften Unverstand in eine Pflicht,
und dichtet Hrn. Breitinger an, als ob er gesagt
hätte, Homer wäre schuldig gewesen, auch bey ei-
ner mehrern Erleuchtung, dem thörichten Aber-
glauben seiner Zeiten nachzugeben, nur damit er
seinen erzörnten Lehrmeister hinter der Wand durch
ein heuchlerisches Aergerniß an der ihm so verhaß-
ten Schweitzerischen Dichtkunst rächen könne.

Wenn nun J. A. K. ferner auf der 268 Seite
nach seiner scharfsinnigen Eintheilung zu der an-
dern Gattung des Wahns, den er zwar möglich,
aber unwahrscheinlich genennt hat, fortgehen soll,
so weiß er sich fast nicht mehr fortzuhelfen; er wird
es selbst gewahr, daß er mit dem möglichen und
dabey unwahrscheinlichen Wahne gantz stecken
bleibt, und thut daher einen Absprung auf die he-
terocosmischen oder wahrscheinlichen Erdichtun-
gen, die man auf einen Wahn steifen kan, der
bloß möglich ist,
welches aber keinen Verstand
hat, und sich selbst offenbar widerspricht: Denn
ein würcklicher Wahn, auf den ich eine Erdich-
tung gründen soll, kan ja nicht bloß möglich seyn:
Und ein irriger Wahn von dem Möglichen ist,
wenn ich vor möglich halte, was an sich selbst un-
möglich und utopisch ist; und eine Erdichtung,
die auf einen solchen Wahn gegründet ist, wäre

dem-
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des Wahnes bedienen koͤnne.
wendigkeit fuͤhret er theils aus der Natur der Dich-
tung her, die ſich an dem bloß Wahrſcheinlichen
begnuͤget, und um das philoſophiſche Wahre faſt
gaͤntzlich unbekuͤmmert iſt; theils von der Beſchaf-
fenheit derjenigen, denen er durch ſein Gedicht zu
gefallen ſuchte. Dieſes verkehret nun J. A. K.
nach ſeinem boshaften Unverſtand in eine Pflicht,
und dichtet Hrn. Breitinger an, als ob er geſagt
haͤtte, Homer waͤre ſchuldig geweſen, auch bey ei-
ner mehrern Erleuchtung, dem thoͤrichten Aber-
glauben ſeiner Zeiten nachzugeben, nur damit er
ſeinen erzoͤrnten Lehrmeiſter hinter der Wand durch
ein heuchleriſches Aergerniß an der ihm ſo verhaß-
ten Schweitzeriſchen Dichtkunſt raͤchen koͤnne.

Wenn nun J. A. K. ferner auf der 268 Seite
nach ſeiner ſcharfſinnigen Eintheilung zu der an-
dern Gattung des Wahns, den er zwar moͤglich,
aber unwahrſcheinlich genennt hat, fortgehen ſoll,
ſo weiß er ſich faſt nicht mehr fortzuhelfen; er wird
es ſelbſt gewahr, daß er mit dem moͤglichen und
dabey unwahrſcheinlichen Wahne gantz ſtecken
bleibt, und thut daher einen Abſprung auf die he-
terocosmiſchen oder wahrſcheinlichen Erdichtun-
gen, die man auf einen Wahn ſteifen kan, der
bloß moͤglich iſt,
welches aber keinen Verſtand
hat, und ſich ſelbſt offenbar widerſpricht: Denn
ein wuͤrcklicher Wahn, auf den ich eine Erdich-
tung gruͤnden ſoll, kan ja nicht bloß moͤglich ſeyn:
Und ein irriger Wahn von dem Moͤglichen iſt,
wenn ich vor moͤglich halte, was an ſich ſelbſt un-
moͤglich und utopiſch iſt; und eine Erdichtung,
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[21/0023] des Wahnes bedienen koͤnne. wendigkeit fuͤhret er theils aus der Natur der Dich- tung her, die ſich an dem bloß Wahrſcheinlichen begnuͤget, und um das philoſophiſche Wahre faſt gaͤntzlich unbekuͤmmert iſt; theils von der Beſchaf- fenheit derjenigen, denen er durch ſein Gedicht zu gefallen ſuchte. Dieſes verkehret nun J. A. K. nach ſeinem boshaften Unverſtand in eine Pflicht, und dichtet Hrn. Breitinger an, als ob er geſagt haͤtte, Homer waͤre ſchuldig geweſen, auch bey ei- ner mehrern Erleuchtung, dem thoͤrichten Aber- glauben ſeiner Zeiten nachzugeben, nur damit er ſeinen erzoͤrnten Lehrmeiſter hinter der Wand durch ein heuchleriſches Aergerniß an der ihm ſo verhaß- ten Schweitzeriſchen Dichtkunſt raͤchen koͤnne. Wenn nun J. A. K. ferner auf der 268 Seite nach ſeiner ſcharfſinnigen Eintheilung zu der an- dern Gattung des Wahns, den er zwar moͤglich, aber unwahrſcheinlich genennt hat, fortgehen ſoll, ſo weiß er ſich faſt nicht mehr fortzuhelfen; er wird es ſelbſt gewahr, daß er mit dem moͤglichen und dabey unwahrſcheinlichen Wahne gantz ſtecken bleibt, und thut daher einen Abſprung auf die he- terocosmiſchen oder wahrſcheinlichen Erdichtun- gen, die man auf einen Wahn ſteifen kan, der bloß moͤglich iſt, welches aber keinen Verſtand hat, und ſich ſelbſt offenbar widerſpricht: Denn ein wuͤrcklicher Wahn, auf den ich eine Erdich- tung gruͤnden ſoll, kan ja nicht bloß moͤglich ſeyn: Und ein irriger Wahn von dem Moͤglichen iſt, wenn ich vor moͤglich halte, was an ſich ſelbſt un- moͤglich und utopiſch iſt; und eine Erdichtung, die auf einen ſolchen Wahn gegruͤndet iſt, waͤre dem- B 3

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/23>, abgerufen am 21.11.2024.