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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.

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sehr wahrscheinlich vor, daß sie mitten in diesen
Einöden den so berühmten Orden der Gymnoso-
phisten gestiftet haben; denn wer die Art und
Weise ihres Lebens betrachtet, der wird leicht fin-
den, daß sie die Manieren und Gewohnheiten ih-
rer Lehrmeister auf das genaueste nachgeahmet ha-
ben. Es wird von ihnen gemeldet, sie wohnen
in den dickesten Wäldern, sie gehen nacket, sie
lassen ihren Leib gantz haaricht werden, und ihre
Nägel biß auf eine ungeheure Länge wachsen.
Plutarchus schreibt: Sie essen, was sie in den
Feldern bekommen können; ihr Tranck sey Wasser,
und ihre Better machen sie sich von Laub oder
Mooß. Und Herodotus erzehlet uns, sie achten
es für etwas heldenmässiges, einen Hauffen Amei-
sen oder anders kriechendes Ungeziefer um das Le-
ben zu bringen.

Wir sehen hieraus, daß die zwo Nationen,
welche in Ansehung des Ursprungs der Wissen-
schaften sich um den Vorzug bemühen, eben die-
selben sind, welche mit diesem geistreichen Geschlecht
jederzeit am meisten versehen gewesen. Ob sie
gleich mit einander gestritten, welche von ihnen
den Segen der Wissenschaften zuerst erlanget, so
sind sie doch darinn übereingekommen, daß sie sich
beyde gegen diese ihre gemeinen Lehrmeister danck-
bar erwiesen haben. Es ist bekannt, daß Aegyp-
ten in den allerältesten Zeiten dieselben in ihren ei-
genen Bildnissen verehret hat: Und man mag mit
Grund sagen, daß Jndien ein gleiches gethan,
wenn man sich die in den leztern Zeiten vorkom-
mende Anbettung des Zahns eines dieser haarich-

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der Wiſſenſchaften.
ſehr wahrſcheinlich vor, daß ſie mitten in dieſen
Einoͤden den ſo beruͤhmten Orden der Gymnoſo-
phiſten geſtiftet haben; denn wer die Art und
Weiſe ihres Lebens betrachtet, der wird leicht fin-
den, daß ſie die Manieren und Gewohnheiten ih-
rer Lehrmeiſter auf das genaueſte nachgeahmet ha-
ben. Es wird von ihnen gemeldet, ſie wohnen
in den dickeſten Waͤldern, ſie gehen nacket, ſie
laſſen ihren Leib gantz haaricht werden, und ihre
Naͤgel biß auf eine ungeheure Laͤnge wachſen.
Plutarchus ſchreibt: Sie eſſen, was ſie in den
Feldern bekommen koͤnnen; ihr Tranck ſey Waſſer,
und ihre Better machen ſie ſich von Laub oder
Mooß. Und Herodotus erzehlet uns, ſie achten
es fuͤr etwas heldenmaͤſſiges, einen Hauffen Amei-
ſen oder anders kriechendes Ungeziefer um das Le-
ben zu bringen.

Wir ſehen hieraus, daß die zwo Nationen,
welche in Anſehung des Urſprungs der Wiſſen-
ſchaften ſich um den Vorzug bemuͤhen, eben die-
ſelben ſind, welche mit dieſem geiſtreichen Geſchlecht
jederzeit am meiſten verſehen geweſen. Ob ſie
gleich mit einander geſtritten, welche von ihnen
den Segen der Wiſſenſchaften zuerſt erlanget, ſo
ſind ſie doch darinn uͤbereingekommen, daß ſie ſich
beyde gegen dieſe ihre gemeinen Lehrmeiſter danck-
bar erwieſen haben. Es iſt bekannt, daß Aegyp-
ten in den alleraͤlteſten Zeiten dieſelben in ihren ei-
genen Bildniſſen verehret hat: Und man mag mit
Grund ſagen, daß Jndien ein gleiches gethan,
wenn man ſich die in den leztern Zeiten vorkom-
mende Anbettung des Zahns eines dieſer haarich-

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[41/0043] der Wiſſenſchaften. ſehr wahrſcheinlich vor, daß ſie mitten in dieſen Einoͤden den ſo beruͤhmten Orden der Gymnoſo- phiſten geſtiftet haben; denn wer die Art und Weiſe ihres Lebens betrachtet, der wird leicht fin- den, daß ſie die Manieren und Gewohnheiten ih- rer Lehrmeiſter auf das genaueſte nachgeahmet ha- ben. Es wird von ihnen gemeldet, ſie wohnen in den dickeſten Waͤldern, ſie gehen nacket, ſie laſſen ihren Leib gantz haaricht werden, und ihre Naͤgel biß auf eine ungeheure Laͤnge wachſen. Plutarchus ſchreibt: Sie eſſen, was ſie in den Feldern bekommen koͤnnen; ihr Tranck ſey Waſſer, und ihre Better machen ſie ſich von Laub oder Mooß. Und Herodotus erzehlet uns, ſie achten es fuͤr etwas heldenmaͤſſiges, einen Hauffen Amei- ſen oder anders kriechendes Ungeziefer um das Le- ben zu bringen. Wir ſehen hieraus, daß die zwo Nationen, welche in Anſehung des Urſprungs der Wiſſen- ſchaften ſich um den Vorzug bemuͤhen, eben die- ſelben ſind, welche mit dieſem geiſtreichen Geſchlecht jederzeit am meiſten verſehen geweſen. Ob ſie gleich mit einander geſtritten, welche von ihnen den Segen der Wiſſenſchaften zuerſt erlanget, ſo ſind ſie doch darinn uͤbereingekommen, daß ſie ſich beyde gegen dieſe ihre gemeinen Lehrmeiſter danck- bar erwieſen haben. Es iſt bekannt, daß Aegyp- ten in den alleraͤlteſten Zeiten dieſelben in ihren ei- genen Bildniſſen verehret hat: Und man mag mit Grund ſagen, daß Jndien ein gleiches gethan, wenn man ſich die in den leztern Zeiten vorkom- mende Anbettung des Zahns eines dieſer haarich- ten C 5

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/43>, abgerufen am 23.11.2024.