Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.

Bild:
<< vorherige Seite

Versuch über den Ursprung
den Wunsch ein, daß Groß-Brittannien diese Na-
tion seyn mögte; Aber ach! wie können wir hoffen,
daß Fremde von so grosser Klugheit ihre Gedan-
ken bey unserer gegenwärtigen unglückseligen Tren-
nung, und derselben so weiten Entfernung von ih-
ren Freunden, Verwandten, und Vaterland, mit-
ten unter gewaltsamen Parteyen, frey an den Tag
legen werden? Die Neigung, die ich gegen un-
sern benachbarten Staat trage, heisset mich wün-
schen, Holland wäre dieselbe: Sed laeva in parte
mamillae nil salit Arcadico.
Franckreich ist es also,
von da wir diese Widerherstellung der Gelehrsam-
samkeit erwarten müssen, als dessen lezter Monarch
die Wissenschaften unter seinen Schutz genommen,
und auf einen so hohen Staffel gebracht hat. Jch
meyne wir haben Grund zu hoffen, daß seine Emis-
sarien über kurz oder über lang den Befehl erhal-
ten werden, nicht nur gelehrte Leute, sondern
auch gelehrte Thiere, (verstehe die alte ächte Aethio-
pische und Jndianische Tiegeraffen,) in ihr Vater-
land einzuladen. Und könnte man nicht als-
dann die Talente einer jeden besondern Art dersel-
ben zum Aufnehmen auch einer jeden besondern Wis-
senschaft anwenden? Die Tigeraffen Helden,
Staatsleute, und Gelehrte zu unterrichten; die
Bafianen den Hofleuten die Ceremonien und an-
ständige Geschicklichkeiten zu zeigen; die Meerkatzen
die Damen und ihre Liebhaber in der Kunst eines ar-
tigen Umgangs und angenehmen Liebesbezeigungen
zu unterweisen; die Affen von minderer Gelehrsam-
keit zum besten der Comödianten und Danzmeister;
die Marmosets denen Hofpages und reisenden jun-

gen

Verſuch uͤber den Urſprung
den Wunſch ein, daß Groß-Brittannien dieſe Na-
tion ſeyn moͤgte; Aber ach! wie koͤnnen wir hoffen,
daß Fremde von ſo groſſer Klugheit ihre Gedan-
ken bey unſerer gegenwaͤrtigen ungluͤckſeligen Tren-
nung, und derſelben ſo weiten Entfernung von ih-
ren Freunden, Verwandten, und Vaterland, mit-
ten unter gewaltſamen Parteyen, frey an den Tag
legen werden? Die Neigung, die ich gegen un-
ſern benachbarten Staat trage, heiſſet mich wuͤn-
ſchen, Holland waͤre dieſelbe: Sed læva in parte
mamillæ nil ſalit Arcadico.
Franckreich iſt es alſo,
von da wir dieſe Widerherſtellung der Gelehrſam-
ſamkeit erwarten muͤſſen, als deſſen lezter Monarch
die Wiſſenſchaften unter ſeinen Schutz genommen,
und auf einen ſo hohen Staffel gebracht hat. Jch
meyne wir haben Grund zu hoffen, daß ſeine Emiſ-
ſarien uͤber kurz oder uͤber lang den Befehl erhal-
ten werden, nicht nur gelehrte Leute, ſondern
auch gelehrte Thiere, (verſtehe die alte aͤchte Aethio-
piſche und Jndianiſche Tiegeraffen,) in ihr Vater-
land einzuladen. Und koͤnnte man nicht als-
dann die Talente einer jeden beſondern Art derſel-
ben zum Aufnehmen auch einer jeden beſondern Wiſ-
ſenſchaft anwenden? Die Tigeraffen Helden,
Staatsleute, und Gelehrte zu unterrichten; die
Bafianen den Hofleuten die Ceremonien und an-
ſtaͤndige Geſchicklichkeiten zu zeigen; die Meerkatzen
die Damen und ihre Liebhaber in der Kunſt eines ar-
tigen Umgangs und angenehmen Liebesbezeigungen
zu unterweiſen; die Affen von minderer Gelehrſam-
keit zum beſten der Comoͤdianten und Danzmeiſter;
die Marmoſets denen Hofpages und reiſenden jun-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0054" n="52"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ver&#x017F;uch u&#x0364;ber den Ur&#x017F;prung</hi></fw><lb/>
den Wun&#x017F;ch ein, daß Groß-Brittannien die&#x017F;e Na-<lb/>
tion &#x017F;eyn mo&#x0364;gte; Aber ach! wie ko&#x0364;nnen wir hoffen,<lb/>
daß Fremde von &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;er Klugheit ihre Gedan-<lb/>
ken bey un&#x017F;erer gegenwa&#x0364;rtigen unglu&#x0364;ck&#x017F;eligen Tren-<lb/>
nung, und der&#x017F;elben &#x017F;o weiten Entfernung von ih-<lb/>
ren Freunden, Verwandten, und Vaterland, mit-<lb/>
ten unter gewalt&#x017F;amen Parteyen, frey an den Tag<lb/>
legen werden? Die Neigung, die ich gegen un-<lb/>
&#x017F;ern benachbarten Staat trage, hei&#x017F;&#x017F;et mich wu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;chen, Holland wa&#x0364;re die&#x017F;elbe: <hi rendition="#aq">Sed læva in parte<lb/>
mamillæ nil &#x017F;alit Arcadico.</hi> Franckreich i&#x017F;t es al&#x017F;o,<lb/>
von da wir die&#x017F;e Widerher&#x017F;tellung der Gelehr&#x017F;am-<lb/>
&#x017F;amkeit erwarten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, als de&#x017F;&#x017F;en lezter Monarch<lb/>
die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften unter &#x017F;einen Schutz genommen,<lb/>
und auf einen &#x017F;o hohen Staffel gebracht hat. Jch<lb/>
meyne wir haben Grund zu hoffen, daß &#x017F;eine Emi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;arien u&#x0364;ber kurz oder u&#x0364;ber lang den Befehl erhal-<lb/>
ten werden, nicht nur gelehrte Leute, &#x017F;ondern<lb/>
auch gelehrte Thiere, (ver&#x017F;tehe die alte a&#x0364;chte Aethio-<lb/>
pi&#x017F;che und Jndiani&#x017F;che Tiegeraffen,) in ihr Vater-<lb/>
land einzuladen. Und ko&#x0364;nnte man nicht als-<lb/>
dann die Talente einer jeden be&#x017F;ondern Art der&#x017F;el-<lb/>
ben zum Aufnehmen auch einer jeden be&#x017F;ondern Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaft anwenden? Die Tigeraffen Helden,<lb/>
Staatsleute, und Gelehrte zu unterrichten; die<lb/>
Bafianen den Hofleuten die Ceremonien und an-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndige Ge&#x017F;chicklichkeiten zu zeigen; die Meerkatzen<lb/>
die Damen und ihre Liebhaber in der Kun&#x017F;t eines ar-<lb/>
tigen Umgangs und angenehmen Liebesbezeigungen<lb/>
zu unterwei&#x017F;en; die Affen von minderer Gelehr&#x017F;am-<lb/>
keit zum be&#x017F;ten der Como&#x0364;dianten und Danzmei&#x017F;ter;<lb/>
die Marmo&#x017F;ets denen Hofpages und rei&#x017F;enden jun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0054] Verſuch uͤber den Urſprung den Wunſch ein, daß Groß-Brittannien dieſe Na- tion ſeyn moͤgte; Aber ach! wie koͤnnen wir hoffen, daß Fremde von ſo groſſer Klugheit ihre Gedan- ken bey unſerer gegenwaͤrtigen ungluͤckſeligen Tren- nung, und derſelben ſo weiten Entfernung von ih- ren Freunden, Verwandten, und Vaterland, mit- ten unter gewaltſamen Parteyen, frey an den Tag legen werden? Die Neigung, die ich gegen un- ſern benachbarten Staat trage, heiſſet mich wuͤn- ſchen, Holland waͤre dieſelbe: Sed læva in parte mamillæ nil ſalit Arcadico. Franckreich iſt es alſo, von da wir dieſe Widerherſtellung der Gelehrſam- ſamkeit erwarten muͤſſen, als deſſen lezter Monarch die Wiſſenſchaften unter ſeinen Schutz genommen, und auf einen ſo hohen Staffel gebracht hat. Jch meyne wir haben Grund zu hoffen, daß ſeine Emiſ- ſarien uͤber kurz oder uͤber lang den Befehl erhal- ten werden, nicht nur gelehrte Leute, ſondern auch gelehrte Thiere, (verſtehe die alte aͤchte Aethio- piſche und Jndianiſche Tiegeraffen,) in ihr Vater- land einzuladen. Und koͤnnte man nicht als- dann die Talente einer jeden beſondern Art derſel- ben zum Aufnehmen auch einer jeden beſondern Wiſ- ſenſchaft anwenden? Die Tigeraffen Helden, Staatsleute, und Gelehrte zu unterrichten; die Bafianen den Hofleuten die Ceremonien und an- ſtaͤndige Geſchicklichkeiten zu zeigen; die Meerkatzen die Damen und ihre Liebhaber in der Kunſt eines ar- tigen Umgangs und angenehmen Liebesbezeigungen zu unterweiſen; die Affen von minderer Gelehrſam- keit zum beſten der Comoͤdianten und Danzmeiſter; die Marmoſets denen Hofpages und reiſenden jun- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/54
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung12_1744/54>, abgerufen am 20.05.2024.