[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.Strukaras, Sie las in diesen Blättern mit Entsetzen, wieschwermerisch er wider diesen göttlichen Poeten wüthete, und weil sie ihn durch das nächtliche Ge- sicht gerühret sah, redete sie ihm mit grosser Drei- stigkeit zu, und berief sich auf sein eigenes Gewis- sen, daß das Miltonische Gedichte die empfind- lichsten Eindrücke von Verwunderung, Furcht, Schrecken, Vergnügung in seinem Gemüthe ge- than hätte. Er gestuhnd es ihr, und bezeigete ei- ne grosse Reue über die Undanckbarkeit, mit wel- cher er diesem Poeten dafür gelohnet hatte. Aber diese redliche Gemüthsverfassung währete nicht län- ger, als bis zu der Ankunft Bathylls, der gleich in ein Gelächter ausbrach, als er das Nachtge- sichte, und die Angst vernahm, welche es dem Stru- karas verursachet hatte. Er sagte, dieser Traum wäre wieder nichts anders, als eine abentheurliche Nachahmung der Phantasie, welche sich in der Zeit geschäftig erzeigete, da die Vernunft schlief, durch dieselbe wäre der Traum aus verschiedenen Lappen des Verl. Paradieses wunderlich zusam- mengesezet, er wäre eine Frucht des starcken Nach- sinnens, mit welchem Strukaras dieses abentheur- liche Gedichte gelesen hätte, und das gäbe einen deutlichen Beweis, was vor unergründliche Ge- dancken es in dem aufgeräumtesten Kopfe hervorbrin- gen könnte. Es wäre zu nicht anders gut, als das Gewissen aufrührisch zu machen, und das Gehirn mit Erdichtungen und Gespenstern anzufüllen. Da- her rieth er, daß Strukaras diese gespenstmässi- ge Teufel mit einer Kanne Burgunder austreiben sollte. Dieser folgete ihm, Korax und der Buch- drucker
Strukaras, Sie las in dieſen Blaͤttern mit Entſetzen, wieſchwermeriſch er wider dieſen goͤttlichen Poeten wuͤthete, und weil ſie ihn durch das naͤchtliche Ge- ſicht geruͤhret ſah, redete ſie ihm mit groſſer Drei- ſtigkeit zu, und berief ſich auf ſein eigenes Gewiſ- ſen, daß das Miltoniſche Gedichte die empfind- lichſten Eindruͤcke von Verwunderung, Furcht, Schrecken, Vergnuͤgung in ſeinem Gemuͤthe ge- than haͤtte. Er geſtuhnd es ihr, und bezeigete ei- ne groſſe Reue uͤber die Undanckbarkeit, mit wel- cher er dieſem Poeten dafuͤr gelohnet hatte. Aber dieſe redliche Gemuͤthsverfaſſung waͤhrete nicht laͤn- ger, als bis zu der Ankunft Bathylls, der gleich in ein Gelaͤchter ausbrach, als er das Nachtge- ſichte, und die Angſt vernahm, welche es dem Stru- karas verurſachet hatte. Er ſagte, dieſer Traum waͤre wieder nichts anders, als eine abentheurliche Nachahmung der Phantaſie, welche ſich in der Zeit geſchaͤftig erzeigete, da die Vernunft ſchlief, durch dieſelbe waͤre der Traum aus verſchiedenen Lappen des Verl. Paradieſes wunderlich zuſam- mengeſezet, er waͤre eine Frucht des ſtarcken Nach- ſinnens, mit welchem Strukaras dieſes abentheur- liche Gedichte geleſen haͤtte, und das gaͤbe einen deutlichen Beweis, was vor unergruͤndliche Ge- dancken es in dem aufgeraͤumteſten Kopfe hervorbrin- gen koͤnnte. Es waͤre zu nicht anders gut, als das Gewiſſen aufruͤhriſch zu machen, und das Gehirn mit Erdichtungen und Geſpenſtern anzufuͤllen. Da- her rieth er, daß Strukaras dieſe geſpenſtmaͤſſi- ge Teufel mit einer Kanne Burgunder austreiben ſollte. Dieſer folgete ihm, Korax und der Buch- drucker
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Strukaras,
Sie las in dieſen Blaͤttern mit Entſetzen, wie
ſchwermeriſch er wider dieſen goͤttlichen Poeten
wuͤthete, und weil ſie ihn durch das naͤchtliche Ge-
ſicht geruͤhret ſah, redete ſie ihm mit groſſer Drei-
ſtigkeit zu, und berief ſich auf ſein eigenes Gewiſ-
ſen, daß das Miltoniſche Gedichte die empfind-
lichſten Eindruͤcke von Verwunderung, Furcht,
Schrecken, Vergnuͤgung in ſeinem Gemuͤthe ge-
than haͤtte. Er geſtuhnd es ihr, und bezeigete ei-
ne groſſe Reue uͤber die Undanckbarkeit, mit wel-
cher er dieſem Poeten dafuͤr gelohnet hatte. Aber
dieſe redliche Gemuͤthsverfaſſung waͤhrete nicht laͤn-
ger, als bis zu der Ankunft Bathylls, der gleich
in ein Gelaͤchter ausbrach, als er das Nachtge-
ſichte, und die Angſt vernahm, welche es dem Stru-
karas verurſachet hatte. Er ſagte, dieſer Traum
waͤre wieder nichts anders, als eine abentheurliche
Nachahmung der Phantaſie, welche ſich in der
Zeit geſchaͤftig erzeigete, da die Vernunft ſchlief,
durch dieſelbe waͤre der Traum aus verſchiedenen
Lappen des Verl. Paradieſes wunderlich zuſam-
mengeſezet, er waͤre eine Frucht des ſtarcken Nach-
ſinnens, mit welchem Strukaras dieſes abentheur-
liche Gedichte geleſen haͤtte, und das gaͤbe einen
deutlichen Beweis, was vor unergruͤndliche Ge-
dancken es in dem aufgeraͤumteſten Kopfe hervorbrin-
gen koͤnnte. Es waͤre zu nicht anders gut, als das
Gewiſſen aufruͤhriſch zu machen, und das Gehirn
mit Erdichtungen und Geſpenſtern anzufuͤllen. Da-
her rieth er, daß Strukaras dieſe geſpenſtmaͤſſi-
ge Teufel mit einer Kanne Burgunder austreiben
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