In Italien begann man um 1380 den unteren Brustteil des Lentners durch eine Platte zu verstärken, welche an der Brust- mitte bis zum Halse reichte. Um 1430, als man hie und da ver- suchte, die Harnischbrüste ganz aus Platten zu fertigen, bestanden diese zum wenigsten aus zwei Teilen, welche mittelst Riemen und Schnalle miteinander in Verbindung standen. Später bildete der untere Teil mit dem oberen ein Geschübe. Harnischbrüste aus einem Stücke waren um 1430 selbst in Italien, dem Lande der Erfindung und Entwickelung des Plattenharnisches, noch eine grosse Seltenheit. Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts wurde der Lentner häufig durch horizontal laufende, auf das Leder genietete 10 bis 12 cm. breite Blechschienen verstärkt, die aber nicht nachbarlich übereinander griffen und somit ein "Geschübe" bildeten, sondern Rand an Rand gesetzt erscheinen.
Die Form des Bruststückes, dessen Schnitt und Ausbauchung bildet ein sicheres Merkmal für dessen Alter, in sorgfältigerer Beob- achtung selbst für dessen Erzeugungsort. So wie die ersten an den Lentner angelegten Verstärkungsstücke der Form desselben sich genau anschmiegen mussten, ebenso hatten die ersten Plattenbruststücke die Form der Brust des Lentners. Um 1430 wird die Brust kugelförmig ausgebaucht, weil man der Kugelform die grösste Widerstandskraft beimass. Die ältesten Brust- und Rückenstücke, etwa um 1450, be- sitzen zuweilen übermässig grosse Armausschnitte, und zwar aus der Ursache, weil es damals Sitte war, statt des übrigens zur Zeit längst bekannten Armzeuges sich weiter Ärmel zu bedienen, welche mit Wolle fest ausgestopft waren. Solche gepolsterte Ärmel wurden in Italien und Frankreich häufig getragen; sie verschwinden erst um 1480.
Der untere Teil der geschifteten Brust, an welchen sich die Bauchreifen schliessen, erhielt im 15. Jahrhundert den Namen Bruech, vermutlich eine Verstümmelung des französischen braconniere, her- geleitet von dem lateinischen broccae, italienisch brache, was Panzer- hosen bedeutet. Als die geschifteten Bruststücke um 1490 verschwanden, wurde der Name auf ein Verstärkungsstück des unteren Brustteiles über- tragen. Um dieselbe Zeit erscheint in Italien und Burgund das Bruststück schlanker gebildet und scharf gegen die Weichen geschnitten, und es zeigte sich schon damals über der Mitte der Brust ein schwacher Grat. Derlei Bruststücke, welche übrigens nicht allgemein und meist nur in Ver- bindung mit dem Barte und der Schallern getragen wurden, besassen eine schöne und elegante Form. Man bezeichnet sie uneigentlich als gotische, und sollte sie eher florentinische Bruststücke nennen, denn ihre Form war der florentinischen Tracht entlehnt. Bis in diese Zeit finden wir die Bruststücke noch allenthalben geschiftet, erst um 1490 verbreitet sich der untere Schiftteil allgemach nach aufwärts, so dass der obere endlich ganz wegfällt. Der Oberrand ist anfänglich wenig
5. Die Harnischbrust.
In Italien begann man um 1380 den unteren Brustteil des Lentners durch eine Platte zu verstärken, welche an der Brust- mitte bis zum Halse reichte. Um 1430, als man hie und da ver- suchte, die Harnischbrüste ganz aus Platten zu fertigen, bestanden diese zum wenigsten aus zwei Teilen, welche mittelst Riemen und Schnalle miteinander in Verbindung standen. Später bildete der untere Teil mit dem oberen ein Geschübe. Harnischbrüste aus einem Stücke waren um 1430 selbst in Italien, dem Lande der Erfindung und Entwickelung des Plattenharnisches, noch eine groſse Seltenheit. Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts wurde der Lentner häufig durch horizontal laufende, auf das Leder genietete 10 bis 12 cm. breite Blechschienen verstärkt, die aber nicht nachbarlich übereinander griffen und somit ein „Geschübe“ bildeten, sondern Rand an Rand gesetzt erscheinen.
Die Form des Bruststückes, dessen Schnitt und Ausbauchung bildet ein sicheres Merkmal für dessen Alter, in sorgfältigerer Beob- achtung selbst für dessen Erzeugungsort. So wie die ersten an den Lentner angelegten Verstärkungsstücke der Form desselben sich genau anschmiegen muſsten, ebenso hatten die ersten Plattenbruststücke die Form der Brust des Lentners. Um 1430 wird die Brust kugelförmig ausgebaucht, weil man der Kugelform die gröſste Widerstandskraft beimaſs. Die ältesten Brust- und Rückenstücke, etwa um 1450, be- sitzen zuweilen übermäſsig groſse Armausschnitte, und zwar aus der Ursache, weil es damals Sitte war, statt des übrigens zur Zeit längst bekannten Armzeuges sich weiter Ärmel zu bedienen, welche mit Wolle fest ausgestopft waren. Solche gepolsterte Ärmel wurden in Italien und Frankreich häufig getragen; sie verschwinden erst um 1480.
Der untere Teil der geschifteten Brust, an welchen sich die Bauchreifen schlieſsen, erhielt im 15. Jahrhundert den Namen Bruech, vermutlich eine Verstümmelung des französischen braconnière, her- geleitet von dem lateinischen broccae, italienisch brache, was Panzer- hosen bedeutet. Als die geschifteten Bruststücke um 1490 verschwanden, wurde der Name auf ein Verstärkungsstück des unteren Brustteiles über- tragen. Um dieselbe Zeit erscheint in Italien und Burgund das Bruststück schlanker gebildet und scharf gegen die Weichen geschnitten, und es zeigte sich schon damals über der Mitte der Brust ein schwacher Grat. Derlei Bruststücke, welche übrigens nicht allgemein und meist nur in Ver- bindung mit dem Barte und der Schallern getragen wurden, besaſsen eine schöne und elegante Form. Man bezeichnet sie uneigentlich als gotische, und sollte sie eher florentinische Bruststücke nennen, denn ihre Form war der florentinischen Tracht entlehnt. Bis in diese Zeit finden wir die Bruststücke noch allenthalben geschiftet, erst um 1490 verbreitet sich der untere Schiftteil allgemach nach aufwärts, so daſs der obere endlich ganz wegfällt. Der Oberrand ist anfänglich wenig
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5. Die Harnischbrust.
In Italien begann man um 1380 den unteren Brustteil des
Lentners durch eine Platte zu verstärken, welche an der Brust-
mitte bis zum Halse reichte. Um 1430, als man hie und da ver-
suchte, die Harnischbrüste ganz aus Platten zu fertigen, bestanden
diese zum wenigsten aus zwei Teilen, welche mittelst Riemen und
Schnalle miteinander in Verbindung standen. Später bildete der
untere Teil mit dem oberen ein Geschübe. Harnischbrüste aus einem
Stücke waren um 1430 selbst in Italien, dem Lande der Erfindung
und Entwickelung des Plattenharnisches, noch eine groſse Seltenheit.
Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts wurde der Lentner häufig
durch horizontal laufende, auf das Leder genietete 10 bis 12 cm.
breite Blechschienen verstärkt, die aber nicht nachbarlich übereinander
griffen und somit ein „Geschübe“ bildeten, sondern Rand an Rand
gesetzt erscheinen.
Die Form des Bruststückes, dessen Schnitt und Ausbauchung
bildet ein sicheres Merkmal für dessen Alter, in sorgfältigerer Beob-
achtung selbst für dessen Erzeugungsort. So wie die ersten an den
Lentner angelegten Verstärkungsstücke der Form desselben sich genau
anschmiegen muſsten, ebenso hatten die ersten Plattenbruststücke die
Form der Brust des Lentners. Um 1430 wird die Brust kugelförmig
ausgebaucht, weil man der Kugelform die gröſste Widerstandskraft
beimaſs. Die ältesten Brust- und Rückenstücke, etwa um 1450, be-
sitzen zuweilen übermäſsig groſse Armausschnitte, und zwar aus der
Ursache, weil es damals Sitte war, statt des übrigens zur Zeit längst
bekannten Armzeuges sich weiter Ärmel zu bedienen, welche mit
Wolle fest ausgestopft waren. Solche gepolsterte Ärmel wurden
in Italien und Frankreich häufig getragen; sie verschwinden erst
um 1480.
Der untere Teil der geschifteten Brust, an welchen sich die
Bauchreifen schlieſsen, erhielt im 15. Jahrhundert den Namen Bruech,
vermutlich eine Verstümmelung des französischen braconnière, her-
geleitet von dem lateinischen broccae, italienisch brache, was Panzer-
hosen bedeutet. Als die geschifteten Bruststücke um 1490 verschwanden,
wurde der Name auf ein Verstärkungsstück des unteren Brustteiles über-
tragen. Um dieselbe Zeit erscheint in Italien und Burgund das Bruststück
schlanker gebildet und scharf gegen die Weichen geschnitten, und es
zeigte sich schon damals über der Mitte der Brust ein schwacher Grat.
Derlei Bruststücke, welche übrigens nicht allgemein und meist nur in Ver-
bindung mit dem Barte und der Schallern getragen wurden, besaſsen
eine schöne und elegante Form. Man bezeichnet sie uneigentlich als
gotische, und sollte sie eher florentinische Bruststücke nennen, denn
ihre Form war der florentinischen Tracht entlehnt. Bis in diese Zeit
finden wir die Bruststücke noch allenthalben geschiftet, erst um 1490
verbreitet sich der untere Schiftteil allgemach nach aufwärts, so daſs
der obere endlich ganz wegfällt. Der Oberrand ist anfänglich wenig
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/105>, abgerufen am 23.11.2024.
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