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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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5. Der Brustharnisch.
fand ihr Entstehen durch die Schweizer, um sich vor der Streit-
manier der Deutschen zu sichern, welche ihre Spiessstösse nach dem
unbeschützten Punkte an den Geschlechtsteilen zu richten pflegten.
Darin läge eine fachliche Begründung; dass sie aber mit Raschheit
sich verbreitete und nicht allein von Stutzern, sondern auch von Hof-
leuten im gewöhnlichen Leben allenthalben mit sichtlichem Behagen
mitgemacht wurde, das bietet uns einen wenn auch nur kleinen
Beitrag zur Beurteilung einer Zeit, in welcher der menschliche Geist
gar oft die Schranken der Selbstzucht überflog. In formellster Bildung
erscheint der Latz zuerst um 1520 und verschwindet erst um 1570.*)

Etwa um 1590 kommen allmählich die Beintaschen an den
Harnischen, welche vorwiegend nur einen Bestandteil des ritterlichen
Harnisches bildeten, in Abnahme, und an ihre Stelle treten nun all-
gemein die Schösse. Je kürzer die Brustplatten wurden, desto grössere
Dimensionen nimmt das Geschübe der Bauchreifen und Schösse an.
Die nun in Mode kommenden bis an die Kniee reichenden Pump-
hosen (alla vallona), welche unter den Schössen zu liegen kamen,
waren Ursache, dass diese nun einen immensen Umfang erhielten

[Abbildung] Fig. 106.

Gliedschirm von einem Landsknechtharnische des
Wilhelm von Roggendorf (gest. 1541) von c. 1515 mit geätzten
Verzierungen, mit welchen die verhaute Tracht dargestellt ist.

[Abbildung] Fig. 107.

Gliedschirm von einem Landsknechtharnische des
Konrad von Bemelberg (gest. 1567) von c. 1532. Die Löcher an
den Rändern dienen zum Anheften an das Panzerhemd.

[Abbildung] Fig. 108.

Gliedschirm von einem aus unegalen Stücken zu-
sammengesetzten Harnische ans der fürstl. Sulkowsky'schen Waffen-
sammlung im Schlosse Feistritz in Niederösterreich, gegenwärtig im
Germanischen Museum zu Nürnberg. Um 1540.

gleich einem Fasse. Der weite Ausschnitt in der Schamgegend ver-
schwindet ganz, die beiderseitigen inneren Enden der ersten Schoss-
schienen stossen hart aneinander. Um 1680, als die langen Röcke

*) Als steife Hülse ersehen wir ihn an den gewöhnlichen Kleidern und selbst
an Harnischen um 1550 erscheint er nicht immer aus Eisenblech, sondern in Ver-
bindung mit dem darunter getragenen Kleide auch aus textilem Stoffe gebildet.
Im königlichen historischen Museum zu Dresden finden sich noch Hofkleider des
16. Jahrhunderts mit derartiger Ausstattung.

5. Der Brustharnisch.
fand ihr Entstehen durch die Schweizer, um sich vor der Streit-
manier der Deutschen zu sichern, welche ihre Spieſsstöſse nach dem
unbeschützten Punkte an den Geschlechtsteilen zu richten pflegten.
Darin läge eine fachliche Begründung; daſs sie aber mit Raschheit
sich verbreitete und nicht allein von Stutzern, sondern auch von Hof-
leuten im gewöhnlichen Leben allenthalben mit sichtlichem Behagen
mitgemacht wurde, das bietet uns einen wenn auch nur kleinen
Beitrag zur Beurteilung einer Zeit, in welcher der menschliche Geist
gar oft die Schranken der Selbstzucht überflog. In formellster Bildung
erscheint der Latz zuerst um 1520 und verschwindet erst um 1570.*)

Etwa um 1590 kommen allmählich die Beintaschen an den
Harnischen, welche vorwiegend nur einen Bestandteil des ritterlichen
Harnisches bildeten, in Abnahme, und an ihre Stelle treten nun all-
gemein die Schöſse. Je kürzer die Brustplatten wurden, desto gröſsere
Dimensionen nimmt das Geschübe der Bauchreifen und Schöſse an.
Die nun in Mode kommenden bis an die Kniee reichenden Pump-
hosen (alla vallona), welche unter den Schöſsen zu liegen kamen,
waren Ursache, daſs diese nun einen immensen Umfang erhielten

[Abbildung] Fig. 106.

Gliedschirm von einem Landsknechtharnische des
Wilhelm von Roggendorf (gest. 1541) von c. 1515 mit geätzten
Verzierungen, mit welchen die verhaute Tracht dargestellt ist.

[Abbildung] Fig. 107.

Gliedschirm von einem Landsknechtharnische des
Konrad von Bemelberg (gest. 1567) von c. 1532. Die Löcher an
den Rändern dienen zum Anheften an das Panzerhemd.

[Abbildung] Fig. 108.

Gliedschirm von einem aus unegalen Stücken zu-
sammengesetzten Harnische ans der fürstl. Sulkowsky’schen Waffen-
sammlung im Schlosse Feistritz in Niederösterreich, gegenwärtig im
Germanischen Museum zu Nürnberg. Um 1540.

gleich einem Fasse. Der weite Ausschnitt in der Schamgegend ver-
schwindet ganz, die beiderseitigen inneren Enden der ersten Schoſs-
schienen stoſsen hart aneinander. Um 1680, als die langen Röcke

*) Als steife Hülse ersehen wir ihn an den gewöhnlichen Kleidern und selbst
an Harnischen um 1550 erscheint er nicht immer aus Eisenblech, sondern in Ver-
bindung mit dem darunter getragenen Kleide auch aus textilem Stoffe gebildet.
Im königlichen historischen Museum zu Dresden finden sich noch Hofkleider des
16. Jahrhunderts mit derartiger Ausstattung.
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[101/0119] 5. Der Brustharnisch. fand ihr Entstehen durch die Schweizer, um sich vor der Streit- manier der Deutschen zu sichern, welche ihre Spieſsstöſse nach dem unbeschützten Punkte an den Geschlechtsteilen zu richten pflegten. Darin läge eine fachliche Begründung; daſs sie aber mit Raschheit sich verbreitete und nicht allein von Stutzern, sondern auch von Hof- leuten im gewöhnlichen Leben allenthalben mit sichtlichem Behagen mitgemacht wurde, das bietet uns einen wenn auch nur kleinen Beitrag zur Beurteilung einer Zeit, in welcher der menschliche Geist gar oft die Schranken der Selbstzucht überflog. In formellster Bildung erscheint der Latz zuerst um 1520 und verschwindet erst um 1570. *) Etwa um 1590 kommen allmählich die Beintaschen an den Harnischen, welche vorwiegend nur einen Bestandteil des ritterlichen Harnisches bildeten, in Abnahme, und an ihre Stelle treten nun all- gemein die Schöſse. Je kürzer die Brustplatten wurden, desto gröſsere Dimensionen nimmt das Geschübe der Bauchreifen und Schöſse an. Die nun in Mode kommenden bis an die Kniee reichenden Pump- hosen (alla vallona), welche unter den Schöſsen zu liegen kamen, waren Ursache, daſs diese nun einen immensen Umfang erhielten [Abbildung Fig. 106. Gliedschirm von einem Landsknechtharnische des Wilhelm von Roggendorf (gest. 1541) von c. 1515 mit geätzten Verzierungen, mit welchen die verhaute Tracht dargestellt ist.] [Abbildung Fig. 107. Gliedschirm von einem Landsknechtharnische des Konrad von Bemelberg (gest. 1567) von c. 1532. Die Löcher an den Rändern dienen zum Anheften an das Panzerhemd.] [Abbildung Fig. 108. Gliedschirm von einem aus unegalen Stücken zu- sammengesetzten Harnische ans der fürstl. Sulkowsky’schen Waffen- sammlung im Schlosse Feistritz in Niederösterreich, gegenwärtig im Germanischen Museum zu Nürnberg. Um 1540.] gleich einem Fasse. Der weite Ausschnitt in der Schamgegend ver- schwindet ganz, die beiderseitigen inneren Enden der ersten Schoſs- schienen stoſsen hart aneinander. Um 1680, als die langen Röcke *) Als steife Hülse ersehen wir ihn an den gewöhnlichen Kleidern und selbst an Harnischen um 1550 erscheint er nicht immer aus Eisenblech, sondern in Ver- bindung mit dem darunter getragenen Kleide auch aus textilem Stoffe gebildet. Im königlichen historischen Museum zu Dresden finden sich noch Hofkleider des 16. Jahrhunderts mit derartiger Ausstattung.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/119>, abgerufen am 23.11.2024.