Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen. Bewaffnung. Diese Organisierung der Kraftfaktoren bedeutete aberweit mehr als eine gewöhnliche staatliche Sicherheitsmassregel. Karls des Grossen Prinzipien in der Heeresbildung mussten in einer um- fassenderen Anwendung zu einer vollständigen Umbildung der sozialen Verhältnisse unter den Germanen führen, sie führten auch dahin, vom Gesichtspunkte der Politik betrachtet nicht zum Vorteile des Volkes, nicht zum Vorteile des Herrschers, der zwischen seinem Volke und sich selbst eine dritte Macht aufbaute, die seinen Nachfolgern bald gefährlich werden sollte. Schon durch die Kriege vor Karl dem Grossen wurden zahlreiche Stämme unfrei und ge- langten in die Dienstbarkeit der siegreichen Anführer. Mit der Heeresorganisation dieses Kaisers und bei den langwährenden Kriegen in entfernten Ländern wurde die Heeresfolge für zahllose Freie so drückend, dass diese sich freiwillig in die Dienstbarkeit Mächtigerer, Wohlhabenderer begaben, die sie im Felde nun unterhalten mussten; sie gaben ihr Besitztum an Land dahin, um es als Lehen wieder zurückzuerhalten. So bildeten sich Lehensherren und Hörige. Aus ersteren, die rasch zu Macht und Reichtum gelangten, bildete sich durch die Erblichkeit der Adel, das Rittertum, das auf das Staats- leben allmählich mächtiger einwirkte und dem gesamten Mittelalter seine Physiognomie gab. Für Karl den Grossen war in seinen Bestrebungen, eine Reiterei Mit dem Hervortreten der Reiterwaffe trat eine vollständige Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen. Bewaffnung. Diese Organisierung der Kraftfaktoren bedeutete aberweit mehr als eine gewöhnliche staatliche Sicherheitsmaſsregel. Karls des Groſsen Prinzipien in der Heeresbildung muſsten in einer um- fassenderen Anwendung zu einer vollständigen Umbildung der sozialen Verhältnisse unter den Germanen führen, sie führten auch dahin, vom Gesichtspunkte der Politik betrachtet nicht zum Vorteile des Volkes, nicht zum Vorteile des Herrschers, der zwischen seinem Volke und sich selbst eine dritte Macht aufbaute, die seinen Nachfolgern bald gefährlich werden sollte. Schon durch die Kriege vor Karl dem Groſsen wurden zahlreiche Stämme unfrei und ge- langten in die Dienstbarkeit der siegreichen Anführer. Mit der Heeresorganisation dieses Kaisers und bei den langwährenden Kriegen in entfernten Ländern wurde die Heeresfolge für zahllose Freie so drückend, daſs diese sich freiwillig in die Dienstbarkeit Mächtigerer, Wohlhabenderer begaben, die sie im Felde nun unterhalten muſsten; sie gaben ihr Besitztum an Land dahin, um es als Lehen wieder zurückzuerhalten. So bildeten sich Lehensherren und Hörige. Aus ersteren, die rasch zu Macht und Reichtum gelangten, bildete sich durch die Erblichkeit der Adel, das Rittertum, das auf das Staats- leben allmählich mächtiger einwirkte und dem gesamten Mittelalter seine Physiognomie gab. Für Karl den Groſsen war in seinen Bestrebungen, eine Reiterei Mit dem Hervortreten der Reiterwaffe trat eine vollständige <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0023" n="5"/><fw place="top" type="header">Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.</fw><lb/> Bewaffnung. Diese Organisierung der Kraftfaktoren bedeutete aber<lb/> weit mehr als eine gewöhnliche staatliche Sicherheitsmaſsregel. 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Daneben folgten die Unfreien und Knechte<lb/> zu Fuſs, teils als Spieſsknechte, teils als Schützen. Aus diesem<lb/> Verhältnisse gestalteten sich erst die Begriffe von „vornehm“ und<lb/> „niedrig“, die vorher dem germanischen Volke nahezu fremd ge-<lb/> wesen waren. Durch die soziale Bedeutung dieser Bevorrechteten,<lb/> durch das Vertrauen des Herrschers auf seine Lehensleute und<lb/> Vasallen wurde die Reiterei zur Hauptwaffe. Die Reiter- oder<lb/> Ritterschaft sah in sich selbst nicht nur den Kern des Heeres,<lb/> sondern das Heer selbst. Diese Organisation des Heerwesens war<lb/> so lange von Wert, als die übrigen Völker von ähnlichen Meinungen<lb/> befangen waren; sie entsprach dem germanischen Charakter noch<lb/> immer durch die Selbstschätzung des Einzelnen, durch Reste alten<lb/> Heldentumes, die aus dem Gebilde hervorschimmerten.</p><lb/> <p>Mit dem Hervortreten der Reiterwaffe trat eine vollständige<lb/> Veränderung der Bewaffnung ein. Das Langschwert, schon von den<lb/> Merowingern, den Franken, geführt, wurde nun zur Hauptwaffe der<lb/> Ritterschaft und zum Attribute des freien Mannes. Aber daneben<lb/> machte sich auch der Wert des Reiterspieſses geltend, den die im<lb/> 5. Jahrhundert hereingebrochenen Völker aus dem Oriente mitgebracht<lb/> hatten. Seine Bedeutung für den ersten Anstoſs an den Feind<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0023]
Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
Bewaffnung. Diese Organisierung der Kraftfaktoren bedeutete aber
weit mehr als eine gewöhnliche staatliche Sicherheitsmaſsregel. Karls
des Groſsen Prinzipien in der Heeresbildung muſsten in einer um-
fassenderen Anwendung zu einer vollständigen Umbildung der sozialen
Verhältnisse unter den Germanen führen, sie führten auch dahin,
vom Gesichtspunkte der Politik betrachtet nicht zum Vorteile des
Volkes, nicht zum Vorteile des Herrschers, der zwischen seinem
Volke und sich selbst eine dritte Macht aufbaute, die seinen
Nachfolgern bald gefährlich werden sollte. Schon durch die Kriege
vor Karl dem Groſsen wurden zahlreiche Stämme unfrei und ge-
langten in die Dienstbarkeit der siegreichen Anführer. Mit der
Heeresorganisation dieses Kaisers und bei den langwährenden Kriegen
in entfernten Ländern wurde die Heeresfolge für zahllose Freie so
drückend, daſs diese sich freiwillig in die Dienstbarkeit Mächtigerer,
Wohlhabenderer begaben, die sie im Felde nun unterhalten muſsten;
sie gaben ihr Besitztum an Land dahin, um es als Lehen wieder
zurückzuerhalten. So bildeten sich Lehensherren und Hörige. Aus
ersteren, die rasch zu Macht und Reichtum gelangten, bildete sich
durch die Erblichkeit der Adel, das Rittertum, das auf das Staats-
leben allmählich mächtiger einwirkte und dem gesamten Mittelalter
seine Physiognomie gab.
Für Karl den Groſsen war in seinen Bestrebungen, eine Reiterei
zu schaffen, die Erstarkung Einzelner von nicht zu läugnenden mili-
tärischem Vorteile. Jeder seiner eigenen Lehensleute, jeder Freie
muſste mit seinen Mannen zu Pferde erscheinen und sich unter dem
Hauptbanner scharen. Daneben folgten die Unfreien und Knechte
zu Fuſs, teils als Spieſsknechte, teils als Schützen. Aus diesem
Verhältnisse gestalteten sich erst die Begriffe von „vornehm“ und
„niedrig“, die vorher dem germanischen Volke nahezu fremd ge-
wesen waren. Durch die soziale Bedeutung dieser Bevorrechteten,
durch das Vertrauen des Herrschers auf seine Lehensleute und
Vasallen wurde die Reiterei zur Hauptwaffe. Die Reiter- oder
Ritterschaft sah in sich selbst nicht nur den Kern des Heeres,
sondern das Heer selbst. Diese Organisation des Heerwesens war
so lange von Wert, als die übrigen Völker von ähnlichen Meinungen
befangen waren; sie entsprach dem germanischen Charakter noch
immer durch die Selbstschätzung des Einzelnen, durch Reste alten
Heldentumes, die aus dem Gebilde hervorschimmerten.
Mit dem Hervortreten der Reiterwaffe trat eine vollständige
Veränderung der Bewaffnung ein. Das Langschwert, schon von den
Merowingern, den Franken, geführt, wurde nun zur Hauptwaffe der
Ritterschaft und zum Attribute des freien Mannes. Aber daneben
machte sich auch der Wert des Reiterspieſses geltend, den die im
5. Jahrhundert hereingebrochenen Völker aus dem Oriente mitgebracht
hatten. Seine Bedeutung für den ersten Anstoſs an den Feind
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