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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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Einleitung.

Bis um die Mitte des 5. Jahrhunderts waren die Länder bis
an die Donau von Römern besiedelt, welche die politische und
militärische Führung der unter ihnen wohnenden barbarischen Stämme
als ihr Recht betrachteten. Bis in jene Zeit war auch die Bewaffnung
der letzteren eine der römischen wenn nicht gleichende, doch ähnliche.
Mit dem Zusammenbruche der römischen Herrschaft, am Ende des
Jahrhunderts, kam auch dort unter den Barbaren die ihrer Eigenart
entsprechende Bewaffnung mehr und mehr zur Geltung. Es war eine
wenn auch einfache, doch der kräftigsten Offensive entsprechende
Bewaffnung, gegen welche jene der Römer an Wirksamkeit weit
zurückstand.

Die Entwickelung des Waffenwesens in Europa ist oft wiederholt
durch den Orient gefördert worden; die erste Beinflussung derselben
macht sich, soweit wir heute ermessen können, in der Völker-
wanderung kenntlich. Wieweit derselbe sich erstreckte, darüber
fehlen uns noch die Belege, aber wir ersehen gewisse Spuren einer
Umgestaltung, die eine Einwirkung von Osten her zweifellos er-
scheinen lässt. Es ist, beispielsweise bemerkt, ein nicht unwichtiges
Symptom für eine Verfeinerung der Bewaffnungsart, dass die rohe
Axt, die Wurfaxt der Franken im 6. Jahrhundert, zur Zeit Gregors
von Tours noch die Waffe jedes Mannes, nun immer seltener wird
und im 8. Jahrhundert nahezu völlig dem Langschwerte weicht. In
den folgenden Perioden ist nur ein bestimmter Prozentsatz unter
den Spiessträgern mit Äxten ausgerüstet, der im 12. Jahrhundert
völlig schwindet.

Im grossen und ganzen mag es als richtig erscheinen, dass,
wie die Bewaffnung der Römer auf jene der Griechen sich zurück-
führen lässt, so die Bewaffnung der Perser den Grundtypus für die
gesamte Formenbildung im Oriente bildete. Es genügt ein Vergleich
der Bewaffnung der Perser auf antiken Denkmälern mit jener des
gesamten riesigen Gebietes des Orientes aus späterer Zeit, um die
Anfänge der Gegensätze in der Formenbildung zu erkennen. Der
konservative Geist der orientalischen Völker zog auf diesem Gebiete
noch engere Grenzen, um diese Gegensätze frappanter erscheinen zu
lassen.

Ein für den Stand unserer Forschung frühes Beispiel orien-
talischen Einflusses bietet sich in der Thatsache, dass die Reiterei
der Bretagne im 9. Jahrhundert bereits vollkommen nach der Kampf-
weise der Mauren eingeübt und nach ihren Mustern bewaffnet war.

Unter Karl dem Grossen stand das germanisch-fränkische Reich
auf dem Höhepunkte seiner Macht. Wie dieser grosse Herrscher
sein gewaltiges Reich den Bedürfnissen der Zeit entsprechend nach
allen Richtungen hin umbildete, so ordnete er auch, um dasselbe
nach aussen widerstandsfähig zu gestalten, dessen Heerwesen durch
Regelung des Heerbannes, Organisierung der Massen und deren

Einleitung.

Bis um die Mitte des 5. Jahrhunderts waren die Länder bis
an die Donau von Römern besiedelt, welche die politische und
militärische Führung der unter ihnen wohnenden barbarischen Stämme
als ihr Recht betrachteten. Bis in jene Zeit war auch die Bewaffnung
der letzteren eine der römischen wenn nicht gleichende, doch ähnliche.
Mit dem Zusammenbruche der römischen Herrschaft, am Ende des
Jahrhunderts, kam auch dort unter den Barbaren die ihrer Eigenart
entsprechende Bewaffnung mehr und mehr zur Geltung. Es war eine
wenn auch einfache, doch der kräftigsten Offensive entsprechende
Bewaffnung, gegen welche jene der Römer an Wirksamkeit weit
zurückstand.

Die Entwickelung des Waffenwesens in Europa ist oft wiederholt
durch den Orient gefördert worden; die erste Beinflussung derselben
macht sich, soweit wir heute ermessen können, in der Völker-
wanderung kenntlich. Wieweit derselbe sich erstreckte, darüber
fehlen uns noch die Belege, aber wir ersehen gewisse Spuren einer
Umgestaltung, die eine Einwirkung von Osten her zweifellos er-
scheinen läſst. Es ist, beispielsweise bemerkt, ein nicht unwichtiges
Symptom für eine Verfeinerung der Bewaffnungsart, daſs die rohe
Axt, die Wurfaxt der Franken im 6. Jahrhundert, zur Zeit Gregors
von Tours noch die Waffe jedes Mannes, nun immer seltener wird
und im 8. Jahrhundert nahezu völlig dem Langschwerte weicht. In
den folgenden Perioden ist nur ein bestimmter Prozentsatz unter
den Spieſsträgern mit Äxten ausgerüstet, der im 12. Jahrhundert
völlig schwindet.

Im groſsen und ganzen mag es als richtig erscheinen, daſs,
wie die Bewaffnung der Römer auf jene der Griechen sich zurück-
führen läſst, so die Bewaffnung der Perser den Grundtypus für die
gesamte Formenbildung im Oriente bildete. Es genügt ein Vergleich
der Bewaffnung der Perser auf antiken Denkmälern mit jener des
gesamten riesigen Gebietes des Orientes aus späterer Zeit, um die
Anfänge der Gegensätze in der Formenbildung zu erkennen. Der
konservative Geist der orientalischen Völker zog auf diesem Gebiete
noch engere Grenzen, um diese Gegensätze frappanter erscheinen zu
lassen.

Ein für den Stand unserer Forschung frühes Beispiel orien-
talischen Einflusses bietet sich in der Thatsache, daſs die Reiterei
der Bretagne im 9. Jahrhundert bereits vollkommen nach der Kampf-
weise der Mauren eingeübt und nach ihren Mustern bewaffnet war.

Unter Karl dem Groſsen stand das germanisch-fränkische Reich
auf dem Höhepunkte seiner Macht. Wie dieser groſse Herrscher
sein gewaltiges Reich den Bedürfnissen der Zeit entsprechend nach
allen Richtungen hin umbildete, so ordnete er auch, um dasselbe
nach auſsen widerstandsfähig zu gestalten, dessen Heerwesen durch
Regelung des Heerbannes, Organisierung der Massen und deren

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[4/0022] Einleitung. Bis um die Mitte des 5. Jahrhunderts waren die Länder bis an die Donau von Römern besiedelt, welche die politische und militärische Führung der unter ihnen wohnenden barbarischen Stämme als ihr Recht betrachteten. Bis in jene Zeit war auch die Bewaffnung der letzteren eine der römischen wenn nicht gleichende, doch ähnliche. Mit dem Zusammenbruche der römischen Herrschaft, am Ende des Jahrhunderts, kam auch dort unter den Barbaren die ihrer Eigenart entsprechende Bewaffnung mehr und mehr zur Geltung. Es war eine wenn auch einfache, doch der kräftigsten Offensive entsprechende Bewaffnung, gegen welche jene der Römer an Wirksamkeit weit zurückstand. Die Entwickelung des Waffenwesens in Europa ist oft wiederholt durch den Orient gefördert worden; die erste Beinflussung derselben macht sich, soweit wir heute ermessen können, in der Völker- wanderung kenntlich. Wieweit derselbe sich erstreckte, darüber fehlen uns noch die Belege, aber wir ersehen gewisse Spuren einer Umgestaltung, die eine Einwirkung von Osten her zweifellos er- scheinen läſst. Es ist, beispielsweise bemerkt, ein nicht unwichtiges Symptom für eine Verfeinerung der Bewaffnungsart, daſs die rohe Axt, die Wurfaxt der Franken im 6. Jahrhundert, zur Zeit Gregors von Tours noch die Waffe jedes Mannes, nun immer seltener wird und im 8. Jahrhundert nahezu völlig dem Langschwerte weicht. In den folgenden Perioden ist nur ein bestimmter Prozentsatz unter den Spieſsträgern mit Äxten ausgerüstet, der im 12. Jahrhundert völlig schwindet. Im groſsen und ganzen mag es als richtig erscheinen, daſs, wie die Bewaffnung der Römer auf jene der Griechen sich zurück- führen läſst, so die Bewaffnung der Perser den Grundtypus für die gesamte Formenbildung im Oriente bildete. Es genügt ein Vergleich der Bewaffnung der Perser auf antiken Denkmälern mit jener des gesamten riesigen Gebietes des Orientes aus späterer Zeit, um die Anfänge der Gegensätze in der Formenbildung zu erkennen. Der konservative Geist der orientalischen Völker zog auf diesem Gebiete noch engere Grenzen, um diese Gegensätze frappanter erscheinen zu lassen. Ein für den Stand unserer Forschung frühes Beispiel orien- talischen Einflusses bietet sich in der Thatsache, daſs die Reiterei der Bretagne im 9. Jahrhundert bereits vollkommen nach der Kampf- weise der Mauren eingeübt und nach ihren Mustern bewaffnet war. Unter Karl dem Groſsen stand das germanisch-fränkische Reich auf dem Höhepunkte seiner Macht. Wie dieser groſse Herrscher sein gewaltiges Reich den Bedürfnissen der Zeit entsprechend nach allen Richtungen hin umbildete, so ordnete er auch, um dasselbe nach auſsen widerstandsfähig zu gestalten, dessen Heerwesen durch Regelung des Heerbannes, Organisierung der Massen und deren

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/22>, abgerufen am 23.11.2024.