selbst aus der Erstarrung gerissen, der es verfallen war. Auf die Ritterschaft hatte dieser Schicksalsschlag eine demoralisierende Wir- kung, die durch die Schwäche der Reichsgewalt nur noch gesteigert wurde. Zunächst merkt man die Scheu, in grösserem Verbande zu fechten; in kleineren Geschwadern waren sie aber auf Beweglichkeit angewiesen. Das führte zu einer relativen Erleichterung der Schutz- waffen. Der Topfhelm verschwindet, an seine Stelle tritt die Beckenhaube, das Bassinet, den sackförmigen Haubert ersetzt der geschmeidigere Lentner, der sich mehr an die Körperform anschloss. Dadurch wird die Reiterei entschieden handsamer und beweglicher. Aber ihre Prozentzahl im Heere schwindet bedeutend, während die des Fussvolkes progressiv wächst. Dem Fussknechte wird in seiner Ausrüstung in Schallern oder Eisenhut, mit Spiess und Schwert mehr Sorgfalt zugewendet. Arm[b]rust und Bogen wird zahlreicher und mit mehr Bedacht benutzt und in den Heeren der ersten kriegführenden Mächte tauchen um 1330 einzelne fremde Wundermänner auf, welche zum Erstaunen von Freund und Feind die Donnerbüchse handhaben.
Weit vor Erfindung und Anwendung des Schiesspulvers hatten Mangel an Vaterlandsliebe, Eigensucht und Hoffart das Rittertum und damit auch die Lehensheere dem Verfalle entgegengeführt, wenn auch die letzten kümmerlichen Reste erst dann sich verloren, als Mut und Kraft des Einzelnen an Wert einbüsste, und Todesgefahr den Reiter früher treffen konnte, bevor er selbst sie dem Feinde bringen konnte.
Wenn wir die Perioden des Mittelalters bis ans Ende des 14. Jahrhunderts überschauen, so sehen wir, dass das Rittertum einem Elemente erlag, das anfänglich tief verachtet, allmählich zu hoher Bedeutung gelangte, dem Volkselemente, dem Bürgertum. Die Staatsweisheit nötigte die Herrscher immer mehr, dieses zu schützen; sie folgten aber damit nicht einem Herzenszuge, sondern nur der Not. Die Prinzipien des Rittertums waren so ehrenhaft, dass ihr Erlöschen nur mit tiefem Leid gesehen werden konnte. In seinem Kodex stand anfänglich für den Krieg keine Arglist, kein Überfall, kein Angriff aus der Ferne von sicherem Winkel aus. So wenig das zu den Bedingungen der Kriegskunst stimmen mochte, man konnte der reinen Anwendung der virilen Kraft, geleitet durch einen heldenhaften Geist, seine Bewunderung nicht versagen. Als die Zahl derer immer mehr zunahm, die den Traditionen des Adels untreu wurden und den ritterlichen Waffengang, oft schmutzigster Natur, ausfochten mit den Mitteln der Volkselemente, da demokra- tisierten sie sich selbst, und verleugneten das Andenken ihrer helden- haften Ahnen.
Worin aber lag die äusserliche Ursache der vorschreitenden Demokratisierung der Heere? Sie findet sich deutlich in der all-
Einleitung.
selbst aus der Erstarrung gerissen, der es verfallen war. Auf die Ritterschaft hatte dieser Schicksalsschlag eine demoralisierende Wir- kung, die durch die Schwäche der Reichsgewalt nur noch gesteigert wurde. Zunächst merkt man die Scheu, in gröſserem Verbande zu fechten; in kleineren Geschwadern waren sie aber auf Beweglichkeit angewiesen. Das führte zu einer relativen Erleichterung der Schutz- waffen. Der Topfhelm verschwindet, an seine Stelle tritt die Beckenhaube, das Baſsinet, den sackförmigen Haubert ersetzt der geschmeidigere Lentner, der sich mehr an die Körperform anschloſs. Dadurch wird die Reiterei entschieden handsamer und beweglicher. Aber ihre Prozentzahl im Heere schwindet bedeutend, während die des Fuſsvolkes progressiv wächst. Dem Fuſsknechte wird in seiner Ausrüstung in Schallern oder Eisenhut, mit Spieſs und Schwert mehr Sorgfalt zugewendet. Arm[b]rust und Bogen wird zahlreicher und mit mehr Bedacht benutzt und in den Heeren der ersten kriegführenden Mächte tauchen um 1330 einzelne fremde Wundermänner auf, welche zum Erstaunen von Freund und Feind die Donnerbüchse handhaben.
Weit vor Erfindung und Anwendung des Schieſspulvers hatten Mangel an Vaterlandsliebe, Eigensucht und Hoffart das Rittertum und damit auch die Lehensheere dem Verfalle entgegengeführt, wenn auch die letzten kümmerlichen Reste erst dann sich verloren, als Mut und Kraft des Einzelnen an Wert einbüſste, und Todesgefahr den Reiter früher treffen konnte, bevor er selbst sie dem Feinde bringen konnte.
Wenn wir die Perioden des Mittelalters bis ans Ende des 14. Jahrhunderts überschauen, so sehen wir, daſs das Rittertum einem Elemente erlag, das anfänglich tief verachtet, allmählich zu hoher Bedeutung gelangte, dem Volkselemente, dem Bürgertum. Die Staatsweisheit nötigte die Herrscher immer mehr, dieses zu schützen; sie folgten aber damit nicht einem Herzenszuge, sondern nur der Not. Die Prinzipien des Rittertums waren so ehrenhaft, daſs ihr Erlöschen nur mit tiefem Leid gesehen werden konnte. In seinem Kodex stand anfänglich für den Krieg keine Arglist, kein Überfall, kein Angriff aus der Ferne von sicherem Winkel aus. So wenig das zu den Bedingungen der Kriegskunst stimmen mochte, man konnte der reinen Anwendung der virilen Kraft, geleitet durch einen heldenhaften Geist, seine Bewunderung nicht versagen. Als die Zahl derer immer mehr zunahm, die den Traditionen des Adels untreu wurden und den ritterlichen Waffengang, oft schmutzigster Natur, ausfochten mit den Mitteln der Volkselemente, da demokra- tisierten sie sich selbst, und verleugneten das Andenken ihrer helden- haften Ahnen.
Worin aber lag die äuſserliche Ursache der vorschreitenden Demokratisierung der Heere? Sie findet sich deutlich in der all-
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Einleitung.
selbst aus der Erstarrung gerissen, der es verfallen war. Auf die
Ritterschaft hatte dieser Schicksalsschlag eine demoralisierende Wir-
kung, die durch die Schwäche der Reichsgewalt nur noch gesteigert
wurde. Zunächst merkt man die Scheu, in gröſserem Verbande zu
fechten; in kleineren Geschwadern waren sie aber auf Beweglichkeit
angewiesen. Das führte zu einer relativen Erleichterung der Schutz-
waffen. Der Topfhelm verschwindet, an seine Stelle tritt die
Beckenhaube, das Baſsinet, den sackförmigen Haubert ersetzt der
geschmeidigere Lentner, der sich mehr an die Körperform anschloſs.
Dadurch wird die Reiterei entschieden handsamer und beweglicher.
Aber ihre Prozentzahl im Heere schwindet bedeutend, während die
des Fuſsvolkes progressiv wächst. Dem Fuſsknechte wird in seiner
Ausrüstung in Schallern oder Eisenhut, mit Spieſs und Schwert mehr
Sorgfalt zugewendet. Armbrust und Bogen wird zahlreicher und mit
mehr Bedacht benutzt und in den Heeren der ersten kriegführenden
Mächte tauchen um 1330 einzelne fremde Wundermänner auf,
welche zum Erstaunen von Freund und Feind die Donnerbüchse
handhaben.
Weit vor Erfindung und Anwendung des Schieſspulvers hatten
Mangel an Vaterlandsliebe, Eigensucht und Hoffart das Rittertum
und damit auch die Lehensheere dem Verfalle entgegengeführt, wenn
auch die letzten kümmerlichen Reste erst dann sich verloren, als
Mut und Kraft des Einzelnen an Wert einbüſste, und Todesgefahr
den Reiter früher treffen konnte, bevor er selbst sie dem Feinde
bringen konnte.
Wenn wir die Perioden des Mittelalters bis ans Ende des
14. Jahrhunderts überschauen, so sehen wir, daſs das Rittertum
einem Elemente erlag, das anfänglich tief verachtet, allmählich zu
hoher Bedeutung gelangte, dem Volkselemente, dem Bürgertum.
Die Staatsweisheit nötigte die Herrscher immer mehr, dieses zu
schützen; sie folgten aber damit nicht einem Herzenszuge, sondern
nur der Not. Die Prinzipien des Rittertums waren so ehrenhaft,
daſs ihr Erlöschen nur mit tiefem Leid gesehen werden konnte. In
seinem Kodex stand anfänglich für den Krieg keine Arglist, kein
Überfall, kein Angriff aus der Ferne von sicherem Winkel aus.
So wenig das zu den Bedingungen der Kriegskunst stimmen mochte,
man konnte der reinen Anwendung der virilen Kraft, geleitet durch
einen heldenhaften Geist, seine Bewunderung nicht versagen. Als
die Zahl derer immer mehr zunahm, die den Traditionen des Adels
untreu wurden und den ritterlichen Waffengang, oft schmutzigster
Natur, ausfochten mit den Mitteln der Volkselemente, da demokra-
tisierten sie sich selbst, und verleugneten das Andenken ihrer helden-
haften Ahnen.
Worin aber lag die äuſserliche Ursache der vorschreitenden
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/30>, abgerufen am 21.11.2024.
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