Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen. erschien gesichert vor den Streichen des Feindes, aber sein Rossbrach ermattet unter ihm zusammen, und er selbst war nicht im stande, sich vom Boden zu erheben. Wie seine Schutzwaffen, so nahmen auch seine Angriffswaffen an Gewicht zu; der Spiess wurde stärker im Schafte, das Schwert gewichtiger; ersterer konnte nicht mehr mit frei erhobenem Arme geführt, sondern musste zum Stosse in die Achselhöhle gedrückt werden. Diese Übertreibung nahm ihren Weg bis ans Ende des 13. Jahrhunderts. Der Kampf mit solchen Waffen in der Schlacht erlaubte nicht mehr eine Bewegung in geschlossener Ordnung, er artete zu einer Zersplitterung der Kräfte aus und bestand in nichts weiterem als einer Anzahl von turnierartig-ritterlichen Gängen, in welchen jeder einzelne nur für sich focht. Gerade das missachtete Fussvolk, wenn es von dem Beutemachen zurückgehalten werden konnte, gab das Beispiel einer geschlossenen, kräftigen Kampfweise, ungeachtet seine Bewaffnung und Ausrüstung die bunteste und unzulänglichste war. Daneben fehlt es nicht an Beispielen, dass einsichtsvolle Herrscher wenigstens nach Möglichkeit trachteten, die Verirrung, in welche ihre Lehenschaft geraten war, minder gefahrvoll zu gestalten. Ja Friedrich II. hielt in seinem geworbenen Heere neben Deutschen auch zahlreiche Mauren von Luceria und Sicilien, deren Fechtweise im vollen Gegensatze zu der des Lehensheeres stand. Der Römer- zug Heinrichs VII. (1310--1313) bildete den letzten Triumphzug der schwergerüsteten deutschen Ritterschaft; wenige Jahre darauf (1315) erlag die auserlesenste Schar der habsburgischen Lehenschaft den Keulenschlägen einer Horde armseliger Schweizerbauern am Moor- garten. *) Dieser Erfolg eines an sich schlechtbewaffneten, aber mora- lisch tüchtigen Fussvolkes wirkte wie ein Donnerschlag auf die von übertriebenem Selbstbewusstsein befangene Ritterschaft Deutschlands und Frankreichs; der Wahn von Jahrhunderten war zerstäubt, aber die richtige Erkenntnis war dem Schlage nicht gefolgt. Sie konnte und wollte sich von dem Dienste zu Pferde nicht lossagen und ver- meinte durch ein nur gelegentliches Streiten zu Fuss ihren alten Ruhm zu retten, vergebens! In ihrer schweren Bewaffnung unbeweg- lich, für den Fusskampf ungeschult, war sie nur für die starrste Abwehr brauchbar und die Tage bei Laupen 1338, bei Sempach 1386 und bei Näfels 1388 bewiesen ihre Unzulänglichkeit völlig. Vom Tage beim Moorgarten schreibt sich der Jahrhunderte alte Ruhm des schweizerischen Fussvolkes her. So wurde aus den untersten Volkselementen heraus eine voll- *) Die Ursachen der Niederlagen gegen die Schweizer sind, wie wir nicht
verschweigen dürfen, in der überlegenen Taktik der letzteren zu suchen, die aber auch mit der Bewaffnung in besserem Einklange war, als bei ihren Feinden. Gerade am Moorgarten konnte der Reiterei nur eine Reservestellung zugetheilt werden; das liess aber der Hochmut der Ritterschaft nicht zu. Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen. erschien gesichert vor den Streichen des Feindes, aber sein Roſsbrach ermattet unter ihm zusammen, und er selbst war nicht im stande, sich vom Boden zu erheben. Wie seine Schutzwaffen, so nahmen auch seine Angriffswaffen an Gewicht zu; der Spieſs wurde stärker im Schafte, das Schwert gewichtiger; ersterer konnte nicht mehr mit frei erhobenem Arme geführt, sondern muſste zum Stoſse in die Achselhöhle gedrückt werden. Diese Übertreibung nahm ihren Weg bis ans Ende des 13. Jahrhunderts. Der Kampf mit solchen Waffen in der Schlacht erlaubte nicht mehr eine Bewegung in geschlossener Ordnung, er artete zu einer Zersplitterung der Kräfte aus und bestand in nichts weiterem als einer Anzahl von turnierartig-ritterlichen Gängen, in welchen jeder einzelne nur für sich focht. Gerade das miſsachtete Fuſsvolk, wenn es von dem Beutemachen zurückgehalten werden konnte, gab das Beispiel einer geschlossenen, kräftigen Kampfweise, ungeachtet seine Bewaffnung und Ausrüstung die bunteste und unzulänglichste war. Daneben fehlt es nicht an Beispielen, daſs einsichtsvolle Herrscher wenigstens nach Möglichkeit trachteten, die Verirrung, in welche ihre Lehenschaft geraten war, minder gefahrvoll zu gestalten. Ja Friedrich II. hielt in seinem geworbenen Heere neben Deutschen auch zahlreiche Mauren von Luceria und Sicilien, deren Fechtweise im vollen Gegensatze zu der des Lehensheeres stand. Der Römer- zug Heinrichs VII. (1310—1313) bildete den letzten Triumphzug der schwergerüsteten deutschen Ritterschaft; wenige Jahre darauf (1315) erlag die auserlesenste Schar der habsburgischen Lehenschaft den Keulenschlägen einer Horde armseliger Schweizerbauern am Moor- garten. *) Dieser Erfolg eines an sich schlechtbewaffneten, aber mora- lisch tüchtigen Fuſsvolkes wirkte wie ein Donnerschlag auf die von übertriebenem Selbstbewuſstsein befangene Ritterschaft Deutschlands und Frankreichs; der Wahn von Jahrhunderten war zerstäubt, aber die richtige Erkenntnis war dem Schlage nicht gefolgt. Sie konnte und wollte sich von dem Dienste zu Pferde nicht lossagen und ver- meinte durch ein nur gelegentliches Streiten zu Fuſs ihren alten Ruhm zu retten, vergebens! In ihrer schweren Bewaffnung unbeweg- lich, für den Fuſskampf ungeschult, war sie nur für die starrste Abwehr brauchbar und die Tage bei Laupen 1338, bei Sempach 1386 und bei Näfels 1388 bewiesen ihre Unzulänglichkeit völlig. Vom Tage beim Moorgarten schreibt sich der Jahrhunderte alte Ruhm des schweizerischen Fuſsvolkes her. So wurde aus den untersten Volkselementen heraus eine voll- *) Die Ursachen der Niederlagen gegen die Schweizer sind, wie wir nicht
verschweigen dürfen, in der überlegenen Taktik der letzteren zu suchen, die aber auch mit der Bewaffnung in besserem Einklange war, als bei ihren Feinden. Gerade am Moorgarten konnte der Reiterei nur eine Reservestellung zugetheilt werden; das liess aber der Hochmut der Ritterschaft nicht zu. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0029" n="11"/><fw place="top" type="header">Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.</fw><lb/> erschien gesichert vor den Streichen des Feindes, aber sein Roſs<lb/> brach ermattet unter ihm zusammen, und er selbst war nicht im stande,<lb/> sich vom Boden zu erheben. Wie seine Schutzwaffen, so nahmen<lb/> auch seine Angriffswaffen an Gewicht zu; der Spieſs wurde stärker<lb/> im Schafte, das Schwert gewichtiger; ersterer konnte nicht mehr mit<lb/> frei erhobenem Arme geführt, sondern muſste zum Stoſse in die<lb/> Achselhöhle gedrückt werden. Diese Übertreibung nahm ihren Weg<lb/> bis ans Ende des 13. Jahrhunderts. Der Kampf mit solchen Waffen<lb/> in der Schlacht erlaubte nicht mehr eine Bewegung in geschlossener<lb/> Ordnung, er artete zu einer Zersplitterung der Kräfte aus und bestand<lb/> in nichts weiterem als einer Anzahl von turnierartig-ritterlichen Gängen,<lb/> in welchen jeder einzelne nur für sich focht. Gerade das miſsachtete<lb/> Fuſsvolk, wenn es von dem Beutemachen zurückgehalten werden konnte,<lb/> gab das Beispiel einer geschlossenen, kräftigen Kampfweise, ungeachtet<lb/> seine Bewaffnung und Ausrüstung die bunteste und unzulänglichste war.<lb/> Daneben fehlt es nicht an Beispielen, daſs einsichtsvolle Herrscher<lb/> wenigstens nach Möglichkeit trachteten, die Verirrung, in welche<lb/> ihre Lehenschaft geraten war, minder gefahrvoll zu gestalten. Ja<lb/> Friedrich II. hielt in seinem geworbenen Heere neben Deutschen<lb/> auch zahlreiche Mauren von Luceria und Sicilien, deren Fechtweise<lb/> im vollen Gegensatze zu der des Lehensheeres stand. Der Römer-<lb/> zug Heinrichs VII. (1310—1313) bildete den letzten Triumphzug<lb/> der schwergerüsteten deutschen Ritterschaft; wenige Jahre darauf<lb/> (1315) erlag die auserlesenste Schar der habsburgischen Lehenschaft<lb/> den Keulenschlägen einer Horde armseliger Schweizerbauern am Moor-<lb/> garten. <note place="foot" n="*)">Die Ursachen der Niederlagen gegen die Schweizer sind, wie wir nicht<lb/> verschweigen dürfen, in der überlegenen Taktik der letzteren zu suchen, die aber<lb/> auch mit der Bewaffnung in besserem Einklange war, als bei ihren Feinden.<lb/> Gerade am Moorgarten konnte der Reiterei nur eine Reservestellung zugetheilt<lb/> werden; das liess aber der Hochmut der Ritterschaft nicht zu.</note> Dieser Erfolg eines an sich schlechtbewaffneten, aber mora-<lb/> lisch tüchtigen Fuſsvolkes wirkte wie ein Donnerschlag auf die von<lb/> übertriebenem Selbstbewuſstsein befangene Ritterschaft Deutschlands<lb/> und Frankreichs; der Wahn von Jahrhunderten war zerstäubt, aber<lb/> die richtige Erkenntnis war dem Schlage nicht gefolgt. Sie konnte<lb/> und wollte sich von dem Dienste zu Pferde nicht lossagen und ver-<lb/> meinte durch ein nur gelegentliches Streiten zu Fuſs ihren alten<lb/> Ruhm zu retten, vergebens! In ihrer schweren Bewaffnung unbeweg-<lb/> lich, für den Fuſskampf ungeschult, war sie nur für die starrste<lb/> Abwehr brauchbar und die Tage bei Laupen 1338, bei Sempach 1386<lb/> und bei Näfels 1388 bewiesen ihre Unzulänglichkeit völlig. Vom<lb/> Tage beim Moorgarten schreibt sich der Jahrhunderte alte Ruhm<lb/> des schweizerischen Fuſsvolkes her.</p><lb/> <p>So wurde aus den untersten Volkselementen heraus eine voll-<lb/> ständige Umwälzung der Kriegführung angebahnt, das Kriegswesen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0029]
Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
erschien gesichert vor den Streichen des Feindes, aber sein Roſs
brach ermattet unter ihm zusammen, und er selbst war nicht im stande,
sich vom Boden zu erheben. Wie seine Schutzwaffen, so nahmen
auch seine Angriffswaffen an Gewicht zu; der Spieſs wurde stärker
im Schafte, das Schwert gewichtiger; ersterer konnte nicht mehr mit
frei erhobenem Arme geführt, sondern muſste zum Stoſse in die
Achselhöhle gedrückt werden. Diese Übertreibung nahm ihren Weg
bis ans Ende des 13. Jahrhunderts. Der Kampf mit solchen Waffen
in der Schlacht erlaubte nicht mehr eine Bewegung in geschlossener
Ordnung, er artete zu einer Zersplitterung der Kräfte aus und bestand
in nichts weiterem als einer Anzahl von turnierartig-ritterlichen Gängen,
in welchen jeder einzelne nur für sich focht. Gerade das miſsachtete
Fuſsvolk, wenn es von dem Beutemachen zurückgehalten werden konnte,
gab das Beispiel einer geschlossenen, kräftigen Kampfweise, ungeachtet
seine Bewaffnung und Ausrüstung die bunteste und unzulänglichste war.
Daneben fehlt es nicht an Beispielen, daſs einsichtsvolle Herrscher
wenigstens nach Möglichkeit trachteten, die Verirrung, in welche
ihre Lehenschaft geraten war, minder gefahrvoll zu gestalten. Ja
Friedrich II. hielt in seinem geworbenen Heere neben Deutschen
auch zahlreiche Mauren von Luceria und Sicilien, deren Fechtweise
im vollen Gegensatze zu der des Lehensheeres stand. Der Römer-
zug Heinrichs VII. (1310—1313) bildete den letzten Triumphzug
der schwergerüsteten deutschen Ritterschaft; wenige Jahre darauf
(1315) erlag die auserlesenste Schar der habsburgischen Lehenschaft
den Keulenschlägen einer Horde armseliger Schweizerbauern am Moor-
garten. *) Dieser Erfolg eines an sich schlechtbewaffneten, aber mora-
lisch tüchtigen Fuſsvolkes wirkte wie ein Donnerschlag auf die von
übertriebenem Selbstbewuſstsein befangene Ritterschaft Deutschlands
und Frankreichs; der Wahn von Jahrhunderten war zerstäubt, aber
die richtige Erkenntnis war dem Schlage nicht gefolgt. Sie konnte
und wollte sich von dem Dienste zu Pferde nicht lossagen und ver-
meinte durch ein nur gelegentliches Streiten zu Fuſs ihren alten
Ruhm zu retten, vergebens! In ihrer schweren Bewaffnung unbeweg-
lich, für den Fuſskampf ungeschult, war sie nur für die starrste
Abwehr brauchbar und die Tage bei Laupen 1338, bei Sempach 1386
und bei Näfels 1388 bewiesen ihre Unzulänglichkeit völlig. Vom
Tage beim Moorgarten schreibt sich der Jahrhunderte alte Ruhm
des schweizerischen Fuſsvolkes her.
So wurde aus den untersten Volkselementen heraus eine voll-
ständige Umwälzung der Kriegführung angebahnt, das Kriegswesen
*) Die Ursachen der Niederlagen gegen die Schweizer sind, wie wir nicht
verschweigen dürfen, in der überlegenen Taktik der letzteren zu suchen, die aber
auch mit der Bewaffnung in besserem Einklange war, als bei ihren Feinden.
Gerade am Moorgarten konnte der Reiterei nur eine Reservestellung zugetheilt
werden; das liess aber der Hochmut der Ritterschaft nicht zu.
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