Einflusse der späteren Italiener werden die dortigen Bezeichnungen teils übersetzt, teils in der fremden Bezeichnung auch in Deutsch- land und Frankreich üblich.
In den nördlichen Ländern bildete sich der Dolch aus dem gewöhnlichen Messer heraus, das sich auch für den Streit von selbst als zweckentsprechend darbot. So ist der Sax der Germanen nichts als eine Art breites Messer gewesen, das, allgemach sich verlängernd und schwerer werdend, zum Langsax und zum Scramasax gedieh, die schon den Charakter des Schwertes annahmen und ihrer Form nach auch anders gehandhabt wurden.
Der Dolch ist eine Waffe für den Nahkampf und seiner Wir-
[Abbildung]
Fig. 331.
Dolch von einem Grabsteine. Deutsch. 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Nach Eye, Kunst und Leben der Vorzeit.
[Abbildung]
Fig. 332.
Dolch samt Scheide von einem Grabsteine im Kloster Zimmern, unweit Nördlingen. Deutsch. Ende des 13. Jahrhunderts. Nach Eye, Kunst und Leben der Vorzeit.
kung nach für eine kurze, rasche Entscheidung berechnet, nicht selten wurde er unter Anwendung von Hinterlist gebraucht. Im Mittelalter erscheint er als Hilfswaffe, um den bereits durch eine andere Waffe kampfunfähig gewordenen Gegner vollends zu töten, somit das Kampfziel ganz zu erreichen. Aus dieser Bestimmung erstanden die Bezeichnungen misericordia und gnadgott für die Waffe und im Deutschen das Wort "Gnadenstoss" für deren Gebrauch. Mit dem Dolche wurde es möglich, zwischen die Fugen des Harnisches
A. Blanke Waffen. 4. Der Dolch.
Einflusse der späteren Italiener werden die dortigen Bezeichnungen teils übersetzt, teils in der fremden Bezeichnung auch in Deutsch- land und Frankreich üblich.
In den nördlichen Ländern bildete sich der Dolch aus dem gewöhnlichen Messer heraus, das sich auch für den Streit von selbst als zweckentsprechend darbot. So ist der Sax der Germanen nichts als eine Art breites Messer gewesen, das, allgemach sich verlängernd und schwerer werdend, zum Langsax und zum Scramasax gedieh, die schon den Charakter des Schwertes annahmen und ihrer Form nach auch anders gehandhabt wurden.
Der Dolch ist eine Waffe für den Nahkampf und seiner Wir-
[Abbildung]
Fig. 331.
Dolch von einem Grabsteine. Deutsch. 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Nach Eye, Kunst und Leben der Vorzeit.
[Abbildung]
Fig. 332.
Dolch samt Scheide von einem Grabsteine im Kloster Zimmern, unweit Nördlingen. Deutsch. Ende des 13. Jahrhunderts. Nach Eye, Kunst und Leben der Vorzeit.
kung nach für eine kurze, rasche Entscheidung berechnet, nicht selten wurde er unter Anwendung von Hinterlist gebraucht. Im Mittelalter erscheint er als Hilfswaffe, um den bereits durch eine andere Waffe kampfunfähig gewordenen Gegner vollends zu töten, somit das Kampfziel ganz zu erreichen. Aus dieser Bestimmung erstanden die Bezeichnungen misericordia und gnadgott für die Waffe und im Deutschen das Wort „Gnadenstoſs“ für deren Gebrauch. Mit dem Dolche wurde es möglich, zwischen die Fugen des Harnisches
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A. Blanke Waffen. 4. Der Dolch.
Einflusse der späteren Italiener werden die dortigen Bezeichnungen
teils übersetzt, teils in der fremden Bezeichnung auch in Deutsch-
land und Frankreich üblich.
In den nördlichen Ländern bildete sich der Dolch aus dem
gewöhnlichen Messer heraus, das sich auch für den Streit von selbst
als zweckentsprechend darbot. So ist der Sax der Germanen nichts
als eine Art breites Messer gewesen, das, allgemach sich verlängernd
und schwerer werdend, zum Langsax und zum Scramasax gedieh,
die schon den Charakter des Schwertes annahmen und ihrer Form
nach auch anders gehandhabt wurden.
Der Dolch ist eine Waffe für den Nahkampf und seiner Wir-
[Abbildung Fig. 331. Dolch von einem Grabsteine. Deutsch. 2. Hälfte
des 13. Jahrhunderts. Nach Eye, Kunst und Leben der Vorzeit.]
[Abbildung Fig. 332. Dolch samt Scheide von einem Grabsteine im Kloster
Zimmern, unweit Nördlingen. Deutsch. Ende des 13. Jahrhunderts.
Nach Eye, Kunst und Leben der Vorzeit.]
kung nach für eine kurze, rasche Entscheidung berechnet, nicht selten
wurde er unter Anwendung von Hinterlist gebraucht. Im Mittelalter
erscheint er als Hilfswaffe, um den bereits durch eine andere Waffe
kampfunfähig gewordenen Gegner vollends zu töten, somit das
Kampfziel ganz zu erreichen. Aus dieser Bestimmung erstanden die
Bezeichnungen misericordia und gnadgott für die Waffe und im
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/311>, abgerufen am 22.11.2024.
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