Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung.
büchsen bewaffnet. Eine anfänglich bedeutende Zahl führte riesige
Schlachtschwerter, deren Handhabung ungemeine Übung erforderte;
es wurde für die Schweizerheere charakteristisch. Nach ihrem Muster
bildete Maximilian I. 1482 die Landsknechte als von erprobten
Führern geworbene Truppe, ein nationales Heer, denn ihre Werbung
beschränkte sich auf Schwaben, das Allgäu und Tirol, später auch
aus anderen, aber immer eigenen Ländern. Die Landsknechttruppe
bildete ungeachtet ihrer ziemlich mangelhaften Disziplin und ihrer
zuweilen schwer fühlbaren Ausartung eine ausgezeichnete Fusstruppe,
die sich den Schweizern ebenbürtig und nicht selten überlegen erwies.
Der Landsknecht war Soldat von Profession mit eigener imponierender
Streitweise, der auch die Bewaffnung entsprach. Gleich dem Schweizer
liess sich auch der deutsche Landsknecht ebensowohl als Spiessknecht,
wie als Schütze oder als Stuckknecht verwenden, ohne seinen Charakter
dabei einzubüssen. Der Spiessknecht führte den langen Spiess, die
Pinne (von dem mittelalterlichen pennon hergeleitet), das Landsknecht-
schwert und den starken kurzen Dolch. Einzelne führten, wie sie
es von den Schweizern gesehen hatten, das zweihändige Schwert, den
"Bidenhander". Der Schütze trug die Bockbüchse und als erster in
allen Heeren die kurze leichte Handbüchse. Er wandte vor allen
anderen zuerst die Patrone an, um rascher seine Büchse laden zu
können.

Die italienischen Fusstruppen weisen in dem beschriebenen Zeit-
raume gegen die vergangene Periode die geringsten Unterschiede
auf. Über das ganze Land war eine Zahl von Hauptleuten verstreut,
die das Kriegführen als eine geschäftliche Unternehmung betrachteten
und sich mit ihren Leuten an den Meistbietenden verdangen. Ihre
Bewaffnung, meist klaglos, war verschieden, je nach den Ansichten
ihrer Hauptleute; in einigen Kompagnien machten sich antike, in
anderen orientalische Einflüsse merkbar. Hervorragend in Organisation
und Bewaffnung waren immer die Venetianer, zeitweise auch die
Mailänder. Die Bewaffnung war aber stets ungemein verschieden-
artig. Wir finden nebst dem gemeiniglich nicht übertrieben lang-
schäftigen Spiesse das Kurzschwert, später den Degen; aber neben
der leichten Luntenbüchse noch lange Armrust und Bogen. Von
den Schweizern entnahmen sie das Schlachtschwert und nicht selten
finden wir Fusskompagnien gleich den Spaniern nur mit Rundschild
und Schwert ausgerüstet.

Von Italien und den Niederlanden aus angeregt, erlitt das Kriegs-
wesen am Ende des 16. Jahrhunderts eine bedeutende Umbildung.
Die schwere Reiterei, die alten Kürisser, legten den Reisspiess ab
und fochten nur noch mit leichteren, italienischen Haudegen. Der
alte ritterliche Harnisch verschwand, dafür erschien der reiterische
Harnisch mit Sturmhaube ohne Beinzeug, der eine grössere Beweglich-
keit und freiere Führung der Klinge gestattete. Noch war das Brust-

Einleitung.
büchsen bewaffnet. Eine anfänglich bedeutende Zahl führte riesige
Schlachtschwerter, deren Handhabung ungemeine Übung erforderte;
es wurde für die Schweizerheere charakteristisch. Nach ihrem Muster
bildete Maximilian I. 1482 die Landsknechte als von erprobten
Führern geworbene Truppe, ein nationales Heer, denn ihre Werbung
beschränkte sich auf Schwaben, das Allgäu und Tirol, später auch
aus anderen, aber immer eigenen Ländern. Die Landsknechttruppe
bildete ungeachtet ihrer ziemlich mangelhaften Disziplin und ihrer
zuweilen schwer fühlbaren Ausartung eine ausgezeichnete Fuſstruppe,
die sich den Schweizern ebenbürtig und nicht selten überlegen erwies.
Der Landsknecht war Soldat von Profession mit eigener imponierender
Streitweise, der auch die Bewaffnung entsprach. Gleich dem Schweizer
lieſs sich auch der deutsche Landsknecht ebensowohl als Spieſsknecht,
wie als Schütze oder als Stuckknecht verwenden, ohne seinen Charakter
dabei einzubüſsen. Der Spieſsknecht führte den langen Spieſs, die
Pinne (von dem mittelalterlichen pennon hergeleitet), das Landsknecht-
schwert und den starken kurzen Dolch. Einzelne führten, wie sie
es von den Schweizern gesehen hatten, das zweihändige Schwert, den
„Bidenhander“. Der Schütze trug die Bockbüchse und als erster in
allen Heeren die kurze leichte Handbüchse. Er wandte vor allen
anderen zuerst die Patrone an, um rascher seine Büchse laden zu
können.

Die italienischen Fuſstruppen weisen in dem beschriebenen Zeit-
raume gegen die vergangene Periode die geringsten Unterschiede
auf. Über das ganze Land war eine Zahl von Hauptleuten verstreut,
die das Kriegführen als eine geschäftliche Unternehmung betrachteten
und sich mit ihren Leuten an den Meistbietenden verdangen. Ihre
Bewaffnung, meist klaglos, war verschieden, je nach den Ansichten
ihrer Hauptleute; in einigen Kompagnien machten sich antike, in
anderen orientalische Einflüsse merkbar. Hervorragend in Organisation
und Bewaffnung waren immer die Venetianer, zeitweise auch die
Mailänder. Die Bewaffnung war aber stets ungemein verschieden-
artig. Wir finden nebst dem gemeiniglich nicht übertrieben lang-
schäftigen Spieſse das Kurzschwert, später den Degen; aber neben
der leichten Luntenbüchse noch lange Armrust und Bogen. Von
den Schweizern entnahmen sie das Schlachtschwert und nicht selten
finden wir Fuſskompagnien gleich den Spaniern nur mit Rundschild
und Schwert ausgerüstet.

Von Italien und den Niederlanden aus angeregt, erlitt das Kriegs-
wesen am Ende des 16. Jahrhunderts eine bedeutende Umbildung.
Die schwere Reiterei, die alten Kürisser, legten den Reisspieſs ab
und fochten nur noch mit leichteren, italienischen Haudegen. Der
alte ritterliche Harnisch verschwand, dafür erschien der reiterische
Harnisch mit Sturmhaube ohne Beinzeug, der eine gröſsere Beweglich-
keit und freiere Führung der Klinge gestattete. Noch war das Brust-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0036" n="18"/><fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/>
büchsen bewaffnet. Eine anfänglich bedeutende Zahl führte riesige<lb/>
Schlachtschwerter, deren Handhabung ungemeine Übung erforderte;<lb/>
es wurde für die Schweizerheere charakteristisch. Nach ihrem Muster<lb/>
bildete Maximilian I. 1482 die Landsknechte als von erprobten<lb/>
Führern geworbene Truppe, ein nationales Heer, denn ihre Werbung<lb/>
beschränkte sich auf Schwaben, das Allgäu und Tirol, später auch<lb/>
aus anderen, aber immer eigenen Ländern. Die Landsknechttruppe<lb/>
bildete ungeachtet ihrer ziemlich mangelhaften Disziplin und ihrer<lb/>
zuweilen schwer fühlbaren Ausartung eine ausgezeichnete Fu&#x017F;struppe,<lb/>
die sich den Schweizern ebenbürtig und nicht selten überlegen erwies.<lb/>
Der Landsknecht war Soldat von Profession mit eigener imponierender<lb/>
Streitweise, der auch die Bewaffnung entsprach. Gleich dem Schweizer<lb/>
lie&#x017F;s sich auch der deutsche Landsknecht ebensowohl als Spie&#x017F;sknecht,<lb/>
wie als Schütze oder als Stuckknecht verwenden, ohne seinen Charakter<lb/>
dabei einzubü&#x017F;sen. Der Spie&#x017F;sknecht führte den langen Spie&#x017F;s, die<lb/>
Pinne (von dem mittelalterlichen pennon hergeleitet), das Landsknecht-<lb/>
schwert und den starken kurzen Dolch. Einzelne führten, wie sie<lb/>
es von den Schweizern gesehen hatten, das zweihändige Schwert, den<lb/>
&#x201E;Bidenhander&#x201C;. Der Schütze trug die Bockbüchse und als erster in<lb/>
allen Heeren die kurze leichte Handbüchse. Er wandte vor allen<lb/>
anderen zuerst die Patrone an, um rascher seine Büchse laden zu<lb/>
können.</p><lb/>
          <p>Die italienischen Fu&#x017F;struppen weisen in dem beschriebenen Zeit-<lb/>
raume gegen die vergangene Periode die geringsten Unterschiede<lb/>
auf. Über das ganze Land war eine Zahl von Hauptleuten verstreut,<lb/>
die das Kriegführen als eine geschäftliche Unternehmung betrachteten<lb/>
und sich mit ihren Leuten an den Meistbietenden verdangen. Ihre<lb/>
Bewaffnung, meist klaglos, war verschieden, je nach den Ansichten<lb/>
ihrer Hauptleute; in einigen Kompagnien machten sich antike, in<lb/>
anderen orientalische Einflüsse merkbar. Hervorragend in Organisation<lb/>
und Bewaffnung waren immer die Venetianer, zeitweise auch die<lb/>
Mailänder. Die Bewaffnung war aber stets ungemein verschieden-<lb/>
artig. Wir finden nebst dem gemeiniglich nicht übertrieben lang-<lb/>
schäftigen Spie&#x017F;se das Kurzschwert, später den Degen; aber neben<lb/>
der leichten Luntenbüchse noch lange Armrust und Bogen. Von<lb/>
den Schweizern entnahmen sie das Schlachtschwert und nicht selten<lb/>
finden wir Fu&#x017F;skompagnien gleich den Spaniern nur mit Rundschild<lb/>
und Schwert ausgerüstet.</p><lb/>
          <p>Von Italien und den Niederlanden aus angeregt, erlitt das Kriegs-<lb/>
wesen am Ende des 16. Jahrhunderts eine bedeutende Umbildung.<lb/>
Die schwere Reiterei, die alten Kürisser, legten den Reisspie&#x017F;s ab<lb/>
und fochten nur noch mit leichteren, italienischen Haudegen. Der<lb/>
alte ritterliche Harnisch verschwand, dafür erschien der reiterische<lb/>
Harnisch mit Sturmhaube ohne Beinzeug, der eine grö&#x017F;sere Beweglich-<lb/>
keit und freiere Führung der Klinge gestattete. Noch war das Brust-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0036] Einleitung. büchsen bewaffnet. Eine anfänglich bedeutende Zahl führte riesige Schlachtschwerter, deren Handhabung ungemeine Übung erforderte; es wurde für die Schweizerheere charakteristisch. Nach ihrem Muster bildete Maximilian I. 1482 die Landsknechte als von erprobten Führern geworbene Truppe, ein nationales Heer, denn ihre Werbung beschränkte sich auf Schwaben, das Allgäu und Tirol, später auch aus anderen, aber immer eigenen Ländern. Die Landsknechttruppe bildete ungeachtet ihrer ziemlich mangelhaften Disziplin und ihrer zuweilen schwer fühlbaren Ausartung eine ausgezeichnete Fuſstruppe, die sich den Schweizern ebenbürtig und nicht selten überlegen erwies. Der Landsknecht war Soldat von Profession mit eigener imponierender Streitweise, der auch die Bewaffnung entsprach. Gleich dem Schweizer lieſs sich auch der deutsche Landsknecht ebensowohl als Spieſsknecht, wie als Schütze oder als Stuckknecht verwenden, ohne seinen Charakter dabei einzubüſsen. Der Spieſsknecht führte den langen Spieſs, die Pinne (von dem mittelalterlichen pennon hergeleitet), das Landsknecht- schwert und den starken kurzen Dolch. Einzelne führten, wie sie es von den Schweizern gesehen hatten, das zweihändige Schwert, den „Bidenhander“. Der Schütze trug die Bockbüchse und als erster in allen Heeren die kurze leichte Handbüchse. Er wandte vor allen anderen zuerst die Patrone an, um rascher seine Büchse laden zu können. Die italienischen Fuſstruppen weisen in dem beschriebenen Zeit- raume gegen die vergangene Periode die geringsten Unterschiede auf. Über das ganze Land war eine Zahl von Hauptleuten verstreut, die das Kriegführen als eine geschäftliche Unternehmung betrachteten und sich mit ihren Leuten an den Meistbietenden verdangen. Ihre Bewaffnung, meist klaglos, war verschieden, je nach den Ansichten ihrer Hauptleute; in einigen Kompagnien machten sich antike, in anderen orientalische Einflüsse merkbar. Hervorragend in Organisation und Bewaffnung waren immer die Venetianer, zeitweise auch die Mailänder. Die Bewaffnung war aber stets ungemein verschieden- artig. Wir finden nebst dem gemeiniglich nicht übertrieben lang- schäftigen Spieſse das Kurzschwert, später den Degen; aber neben der leichten Luntenbüchse noch lange Armrust und Bogen. Von den Schweizern entnahmen sie das Schlachtschwert und nicht selten finden wir Fuſskompagnien gleich den Spaniern nur mit Rundschild und Schwert ausgerüstet. Von Italien und den Niederlanden aus angeregt, erlitt das Kriegs- wesen am Ende des 16. Jahrhunderts eine bedeutende Umbildung. Die schwere Reiterei, die alten Kürisser, legten den Reisspieſs ab und fochten nur noch mit leichteren, italienischen Haudegen. Der alte ritterliche Harnisch verschwand, dafür erschien der reiterische Harnisch mit Sturmhaube ohne Beinzeug, der eine gröſsere Beweglich- keit und freiere Führung der Klinge gestattete. Noch war das Brust-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/36
Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/36>, abgerufen am 21.11.2024.