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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
stück schwer, um vor den Geschossen zu sichern, aber dafür wurde
es kürzer und kleiner. Die Arkebusiere und Dragoner, letztere aus
Frankreich gekommen und zum Streit zu Fuss und zu Pferde geeignet,
erhielten leichte, sogenannte Trabharnische, die Arkebuse schrumpft
zum Karabiner zusammen, die Faustrohre werden doppelläufig, nicht
selten erscheinen darin Revolversysteme. Die Artillerie erleichtert
ihre Kaliber für den Feldkrieg beträchtlich. In der ersten Gefechts-
linie findet man nur noch Schlangen. Ein Hauptstützpunkt in der
Stellung aber ist von Halbkartaunen besetzt, die, in einer Batterie
vereint, der ganzen Gefechtsstellung eine gewisse Festigkeit verleihen.

Das Fussvolk änderte schrittweise seine Physiognomie. Die
allmählich gewonnene Überzeugung, dass auch andere Volksstämme
zu einem brauchbaren Fussvolk herangebildet werden können, veran-
lasste zu allgemeinen Werbungen im Reiche; dadurch und durch
verschärfte Ordnungen verwischte sich der Charakter der Landsknecht-
regimenter, und damit erlosch auch ihr immerhin ruhmvoller Name.
Von nun an erscheinen nur Fussknechtregimenter, die von erprobten
Kriegern geworben, ausgerüstet und als Obersten kommandiert werden.
Schon unter den Landsknechten waren Spiessträger und Schützen in
organischem Verbande, jetzt wurde das System mehr ausgebildet und
in ein besseres Verhältnis gebracht. Der Spiessknecht erhielt die
lange dünnschäftige Picke und wurde nun "Pickenier" genannt. Noch
lange trug er einen leichten, schwarzen Harnisch und eine sogenannte
Pickelhaube; der Schütze gemeiniglich nur ein Brust- und Rückenstück
mit der sogenannten Schützenhaube. Die alte, schwere Hakenbüchse
wird abgelegt und die Luntenmuskete eingeführt, welche zum An-
schlage auf einen Gabelstock aufgelegt wird. Unteroffiziere führten
die Helmbarte, Offiziere der Truppe die Partisane oder den leichten
Feldspiess. Die Spanier und Niederländer griffen in der Regel mit
starken Kolonnen an, in deren ersten Reihen Soldaten mit Rundschildern
und schweren Stossdegen marschierten. Derlei Schildträger, "Rund-
tartschiere" genannt, finden sich auch bei den Engländern. Charak-
teristisch für die zunehmende Bedeutung des Feuergewehres ist, dass
die Picken an Zahl immer mehr abnehmen, während die Musketen-
zahl stetig wächst.

In dieser Bewaffnung, die sich im Detail im niederländischen
Kriege am Ende des 16. Jahrhunderts herausgebildet hatte, wurden
von den Deutschen die Schlachten des 30jährigen Krieges aus-
gefochten. Die Italiener bequemten sich erst allmählich zu derselben.
Ihre Bewaffnung mit Schilden und Haudegen, Partisanen und leichten
Musketen eignete sich mehr für den kleinen Krieg, als für die Feld-
schlacht; desungeachtet fand diese leichte Ausrüstung, namentlich der
Schützen, allenthalben auch in deutschen Truppen Nachahmung.
Eigenartig wie immer erschien die Ausrüstung der Polen und Ungarn
in jener Zeit, die stets ein orientalisches Gepräge aufwies. Gewisse

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Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen.
stück schwer, um vor den Geschossen zu sichern, aber dafür wurde
es kürzer und kleiner. Die Arkebusiere und Dragoner, letztere aus
Frankreich gekommen und zum Streit zu Fuſs und zu Pferde geeignet,
erhielten leichte, sogenannte Trabharnische, die Arkebuse schrumpft
zum Karabiner zusammen, die Faustrohre werden doppelläufig, nicht
selten erscheinen darin Revolversysteme. Die Artillerie erleichtert
ihre Kaliber für den Feldkrieg beträchtlich. In der ersten Gefechts-
linie findet man nur noch Schlangen. Ein Hauptstützpunkt in der
Stellung aber ist von Halbkartaunen besetzt, die, in einer Batterie
vereint, der ganzen Gefechtsstellung eine gewisse Festigkeit verleihen.

Das Fuſsvolk änderte schrittweise seine Physiognomie. Die
allmählich gewonnene Überzeugung, daſs auch andere Volksstämme
zu einem brauchbaren Fuſsvolk herangebildet werden können, veran-
laſste zu allgemeinen Werbungen im Reiche; dadurch und durch
verschärfte Ordnungen verwischte sich der Charakter der Landsknecht-
regimenter, und damit erlosch auch ihr immerhin ruhmvoller Name.
Von nun an erscheinen nur Fuſsknechtregimenter, die von erprobten
Kriegern geworben, ausgerüstet und als Obersten kommandiert werden.
Schon unter den Landsknechten waren Spieſsträger und Schützen in
organischem Verbande, jetzt wurde das System mehr ausgebildet und
in ein besseres Verhältnis gebracht. Der Spieſsknecht erhielt die
lange dünnschäftige Picke und wurde nun „Pickenier“ genannt. Noch
lange trug er einen leichten, schwarzen Harnisch und eine sogenannte
Pickelhaube; der Schütze gemeiniglich nur ein Brust- und Rückenstück
mit der sogenannten Schützenhaube. Die alte, schwere Hakenbüchse
wird abgelegt und die Luntenmuskete eingeführt, welche zum An-
schlage auf einen Gabelstock aufgelegt wird. Unteroffiziere führten
die Helmbarte, Offiziere der Truppe die Partisane oder den leichten
Feldspieſs. Die Spanier und Niederländer griffen in der Regel mit
starken Kolonnen an, in deren ersten Reihen Soldaten mit Rundschildern
und schweren Stoſsdegen marschierten. Derlei Schildträger, „Rund-
tartschiere“ genannt, finden sich auch bei den Engländern. Charak-
teristisch für die zunehmende Bedeutung des Feuergewehres ist, daſs
die Picken an Zahl immer mehr abnehmen, während die Musketen-
zahl stetig wächst.

In dieser Bewaffnung, die sich im Detail im niederländischen
Kriege am Ende des 16. Jahrhunderts herausgebildet hatte, wurden
von den Deutschen die Schlachten des 30jährigen Krieges aus-
gefochten. Die Italiener bequemten sich erst allmählich zu derselben.
Ihre Bewaffnung mit Schilden und Haudegen, Partisanen und leichten
Musketen eignete sich mehr für den kleinen Krieg, als für die Feld-
schlacht; desungeachtet fand diese leichte Ausrüstung, namentlich der
Schützen, allenthalben auch in deutschen Truppen Nachahmung.
Eigenartig wie immer erschien die Ausrüstung der Polen und Ungarn
in jener Zeit, die stets ein orientalisches Gepräge aufwies. Gewisse

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[19/0037] Die Entwickelung des Waffenwesens in ihren Grundzügen. stück schwer, um vor den Geschossen zu sichern, aber dafür wurde es kürzer und kleiner. Die Arkebusiere und Dragoner, letztere aus Frankreich gekommen und zum Streit zu Fuſs und zu Pferde geeignet, erhielten leichte, sogenannte Trabharnische, die Arkebuse schrumpft zum Karabiner zusammen, die Faustrohre werden doppelläufig, nicht selten erscheinen darin Revolversysteme. Die Artillerie erleichtert ihre Kaliber für den Feldkrieg beträchtlich. In der ersten Gefechts- linie findet man nur noch Schlangen. Ein Hauptstützpunkt in der Stellung aber ist von Halbkartaunen besetzt, die, in einer Batterie vereint, der ganzen Gefechtsstellung eine gewisse Festigkeit verleihen. Das Fuſsvolk änderte schrittweise seine Physiognomie. Die allmählich gewonnene Überzeugung, daſs auch andere Volksstämme zu einem brauchbaren Fuſsvolk herangebildet werden können, veran- laſste zu allgemeinen Werbungen im Reiche; dadurch und durch verschärfte Ordnungen verwischte sich der Charakter der Landsknecht- regimenter, und damit erlosch auch ihr immerhin ruhmvoller Name. Von nun an erscheinen nur Fuſsknechtregimenter, die von erprobten Kriegern geworben, ausgerüstet und als Obersten kommandiert werden. Schon unter den Landsknechten waren Spieſsträger und Schützen in organischem Verbande, jetzt wurde das System mehr ausgebildet und in ein besseres Verhältnis gebracht. Der Spieſsknecht erhielt die lange dünnschäftige Picke und wurde nun „Pickenier“ genannt. Noch lange trug er einen leichten, schwarzen Harnisch und eine sogenannte Pickelhaube; der Schütze gemeiniglich nur ein Brust- und Rückenstück mit der sogenannten Schützenhaube. Die alte, schwere Hakenbüchse wird abgelegt und die Luntenmuskete eingeführt, welche zum An- schlage auf einen Gabelstock aufgelegt wird. Unteroffiziere führten die Helmbarte, Offiziere der Truppe die Partisane oder den leichten Feldspieſs. Die Spanier und Niederländer griffen in der Regel mit starken Kolonnen an, in deren ersten Reihen Soldaten mit Rundschildern und schweren Stoſsdegen marschierten. Derlei Schildträger, „Rund- tartschiere“ genannt, finden sich auch bei den Engländern. Charak- teristisch für die zunehmende Bedeutung des Feuergewehres ist, daſs die Picken an Zahl immer mehr abnehmen, während die Musketen- zahl stetig wächst. In dieser Bewaffnung, die sich im Detail im niederländischen Kriege am Ende des 16. Jahrhunderts herausgebildet hatte, wurden von den Deutschen die Schlachten des 30jährigen Krieges aus- gefochten. Die Italiener bequemten sich erst allmählich zu derselben. Ihre Bewaffnung mit Schilden und Haudegen, Partisanen und leichten Musketen eignete sich mehr für den kleinen Krieg, als für die Feld- schlacht; desungeachtet fand diese leichte Ausrüstung, namentlich der Schützen, allenthalben auch in deutschen Truppen Nachahmung. Eigenartig wie immer erschien die Ausrüstung der Polen und Ungarn in jener Zeit, die stets ein orientalisches Gepräge aufwies. Gewisse 2*

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/37>, abgerufen am 23.11.2024.