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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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II. Die Angriffswaffen.
der Pulverladung anfänglich zu klein, kam nun zum vorderen Teile
(Flug) in ein besseres Verhältnis. Man bediente sich ihrer zum Werfen
von Steinkugeln, aber auch von Kugeln aus Lehm, welche mit Brand-
und Sprengsatz gefüllt und gitterartig mit Eisendraht umstrickt waren.
Zum Werfen von Feuerwerkskörpern bediente man sich am Anfange
des 16. Jahrhunderts kleinerer Mörser (Lerchlein), die sternförmig
gebohrt waren. Das hatte den Zweck, dem im Rohre angezün-
deten Körper Luft zuzuführen, damit der Brandsatz nicht verlösche.
Im niederländischen Kriege des 16. Jahrhunderts erscheinen zuerst
die kleinen Mörser für 7 pfündige Hohlkugeln; sie bewährten sich vor-
züglich ihrer Handsamkeit wegen im Laufgraben. Später erscheinen
sie unter der Bezeichnung Coehornscher Mörser, weil dieser nieder-
ländische General sie seit 1688 vielfach anwendete.

Vom 14. Jahrhundert an kommen uns Berichte zu von der
Anwendung lederner Geschütze. Diese Neuerung beruhte vermutlich
auf der Elastizität des Materiales und dessen geringem Gewicht. Der
kleine lederne Mörser im Arsenal zu Venedig soll 1379 und 1380
unter Vittorio Pisani und Carlo Zeno (?) vor Chioggia gebraucht
worden sein. Eine kleine Lederkanone aus dem 16. Jahrhundert
mit dem Wappen der Medici wird in der Sammlung Modena in
Wien bewahrt. Bekannt ist, dass die aufrührerischen Salzburger ihren
Landesherrn, den Erzbischof Matthäus Lang, 1525 mit aus dickem
Leder gefertigten Kanonen auf dessen Feste Hohensalzburg belagerten.
In der schwedischen Armee wurden Lederkanonen 1626 durch den
englischen Baronet Robert Scot eingeführt, der mit 200 Mann in
Gustav Adolfs Dienste getreten war. Sie wurden aber, da sie sich
in der Schlacht bei Leipzig schlecht bewährten, 1631 wieder ab-
geschafft. Die jüngste Lederkanone befindet sich im k. k. Heeres-
museum zu Wien. Sie soll 1702 als Geschenk der Stadt Augsburg
an König Josef I. gekommen sein. Sie ist ihrer Konstruktion nach
nur ein Schaustück.

Zum Schlusse sei noch einer artilleristischen Sprengmaschine,
der Petarde, gedacht; auch sie entstand im 16. Jahrhundert und
zwar in den Niederlanden. Ihr Zweck ist, Festungsthore, Palisaden-
wände und andere Abschlüsse aufzusprengen. Sie besteht aus einem
in Metall gegossenen Kessel, der mit seiner Mündung auf eine
quadratförmige Bohle (Madrillbrett) aufgeschraubt ist. Die Entzündungs-
vorrichtung befindet sich am Boden des Kessels. Die Petarde wurde
vor dem Gebrauche mit einem eigens gemischten (hartreissenden)
Pulver geladen. Der Petardier hatte zwei Gehilfen, welche die Petarde
trugen, er näherte sich dem zu sprengenden Thore und schlug oder
schraubte einen schweren Haken an einen der Flügel. Auf diesen
wurde die Petarde, an deren Madrillbrett sich zu dem Ende ein
Ring befand, gehängt und unverweilt angezündet wurde. Die Petarde
wurde bereits 1579 von den Hugenotten bei St. Emilion verwendet,

II. Die Angriffswaffen.
der Pulverladung anfänglich zu klein, kam nun zum vorderen Teile
(Flug) in ein besseres Verhältnis. Man bediente sich ihrer zum Werfen
von Steinkugeln, aber auch von Kugeln aus Lehm, welche mit Brand-
und Sprengsatz gefüllt und gitterartig mit Eisendraht umstrickt waren.
Zum Werfen von Feuerwerkskörpern bediente man sich am Anfange
des 16. Jahrhunderts kleinerer Mörser (Lerchlein), die sternförmig
gebohrt waren. Das hatte den Zweck, dem im Rohre angezün-
deten Körper Luft zuzuführen, damit der Brandsatz nicht verlösche.
Im niederländischen Kriege des 16. Jahrhunderts erscheinen zuerst
die kleinen Mörser für 7 pfündige Hohlkugeln; sie bewährten sich vor-
züglich ihrer Handsamkeit wegen im Laufgraben. Später erscheinen
sie unter der Bezeichnung Coehornscher Mörser, weil dieser nieder-
ländische General sie seit 1688 vielfach anwendete.

Vom 14. Jahrhundert an kommen uns Berichte zu von der
Anwendung lederner Geschütze. Diese Neuerung beruhte vermutlich
auf der Elastizität des Materiales und dessen geringem Gewicht. Der
kleine lederne Mörser im Arsenal zu Venedig soll 1379 und 1380
unter Vittorio Pisani und Carlo Zeno (?) vor Chioggia gebraucht
worden sein. Eine kleine Lederkanone aus dem 16. Jahrhundert
mit dem Wappen der Medici wird in der Sammlung Modena in
Wien bewahrt. Bekannt ist, daſs die aufrührerischen Salzburger ihren
Landesherrn, den Erzbischof Matthäus Lang, 1525 mit aus dickem
Leder gefertigten Kanonen auf dessen Feste Hohensalzburg belagerten.
In der schwedischen Armee wurden Lederkanonen 1626 durch den
englischen Baronet Robert Scot eingeführt, der mit 200 Mann in
Gustav Adolfs Dienste getreten war. Sie wurden aber, da sie sich
in der Schlacht bei Leipzig schlecht bewährten, 1631 wieder ab-
geschafft. Die jüngste Lederkanone befindet sich im k. k. Heeres-
museum zu Wien. Sie soll 1702 als Geschenk der Stadt Augsburg
an König Josef I. gekommen sein. Sie ist ihrer Konstruktion nach
nur ein Schaustück.

Zum Schlusse sei noch einer artilleristischen Sprengmaschine,
der Petarde, gedacht; auch sie entstand im 16. Jahrhundert und
zwar in den Niederlanden. Ihr Zweck ist, Festungsthore, Palisaden-
wände und andere Abschlüsse aufzusprengen. Sie besteht aus einem
in Metall gegossenen Kessel, der mit seiner Mündung auf eine
quadratförmige Bohle (Madrillbrett) aufgeschraubt ist. Die Entzündungs-
vorrichtung befindet sich am Boden des Kessels. Die Petarde wurde
vor dem Gebrauche mit einem eigens gemischten (hartreiſsenden)
Pulver geladen. Der Petardier hatte zwei Gehilfen, welche die Petarde
trugen, er näherte sich dem zu sprengenden Thore und schlug oder
schraubte einen schweren Haken an einen der Flügel. Auf diesen
wurde die Petarde, an deren Madrillbrett sich zu dem Ende ein
Ring befand, gehängt und unverweilt angezündet wurde. Die Petarde
wurde bereits 1579 von den Hugenotten bei St. Emilion verwendet,

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[444/0462] II. Die Angriffswaffen. der Pulverladung anfänglich zu klein, kam nun zum vorderen Teile (Flug) in ein besseres Verhältnis. Man bediente sich ihrer zum Werfen von Steinkugeln, aber auch von Kugeln aus Lehm, welche mit Brand- und Sprengsatz gefüllt und gitterartig mit Eisendraht umstrickt waren. Zum Werfen von Feuerwerkskörpern bediente man sich am Anfange des 16. Jahrhunderts kleinerer Mörser (Lerchlein), die sternförmig gebohrt waren. Das hatte den Zweck, dem im Rohre angezün- deten Körper Luft zuzuführen, damit der Brandsatz nicht verlösche. Im niederländischen Kriege des 16. Jahrhunderts erscheinen zuerst die kleinen Mörser für 7 pfündige Hohlkugeln; sie bewährten sich vor- züglich ihrer Handsamkeit wegen im Laufgraben. Später erscheinen sie unter der Bezeichnung Coehornscher Mörser, weil dieser nieder- ländische General sie seit 1688 vielfach anwendete. Vom 14. Jahrhundert an kommen uns Berichte zu von der Anwendung lederner Geschütze. Diese Neuerung beruhte vermutlich auf der Elastizität des Materiales und dessen geringem Gewicht. Der kleine lederne Mörser im Arsenal zu Venedig soll 1379 und 1380 unter Vittorio Pisani und Carlo Zeno (?) vor Chioggia gebraucht worden sein. Eine kleine Lederkanone aus dem 16. Jahrhundert mit dem Wappen der Medici wird in der Sammlung Modena in Wien bewahrt. Bekannt ist, daſs die aufrührerischen Salzburger ihren Landesherrn, den Erzbischof Matthäus Lang, 1525 mit aus dickem Leder gefertigten Kanonen auf dessen Feste Hohensalzburg belagerten. In der schwedischen Armee wurden Lederkanonen 1626 durch den englischen Baronet Robert Scot eingeführt, der mit 200 Mann in Gustav Adolfs Dienste getreten war. Sie wurden aber, da sie sich in der Schlacht bei Leipzig schlecht bewährten, 1631 wieder ab- geschafft. Die jüngste Lederkanone befindet sich im k. k. Heeres- museum zu Wien. Sie soll 1702 als Geschenk der Stadt Augsburg an König Josef I. gekommen sein. Sie ist ihrer Konstruktion nach nur ein Schaustück. Zum Schlusse sei noch einer artilleristischen Sprengmaschine, der Petarde, gedacht; auch sie entstand im 16. Jahrhundert und zwar in den Niederlanden. Ihr Zweck ist, Festungsthore, Palisaden- wände und andere Abschlüsse aufzusprengen. Sie besteht aus einem in Metall gegossenen Kessel, der mit seiner Mündung auf eine quadratförmige Bohle (Madrillbrett) aufgeschraubt ist. Die Entzündungs- vorrichtung befindet sich am Boden des Kessels. Die Petarde wurde vor dem Gebrauche mit einem eigens gemischten (hartreiſsenden) Pulver geladen. Der Petardier hatte zwei Gehilfen, welche die Petarde trugen, er näherte sich dem zu sprengenden Thore und schlug oder schraubte einen schweren Haken an einen der Flügel. Auf diesen wurde die Petarde, an deren Madrillbrett sich zu dem Ende ein Ring befand, gehängt und unverweilt angezündet wurde. Die Petarde wurde bereits 1579 von den Hugenotten bei St. Emilion verwendet,

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/462>, abgerufen am 22.11.2024.