Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Die Angriffswaffen.

Im dreissigjährigen Kriege veränderten sich in den occidentalen
Heeren die Formen der Fahnen nur wenig. In den Reiterregimentern
wurde später nur eine Fahne, Standarte genannt, geführt, das Renn-
fähnlein kam bald gänzlich ausser Gebrauch. In den Fussknecht-
regimentern führte, wie bisher, jeder Haufen (Fähnlein) seine Fahne,
zu ihrer Verteidigung in der Schlacht bediente man sich aber nicht
mehr der zweihändigen Schwerter, sondern des Kurzgewehrs, worunter,
im Gegensatze zu den langen Piken, die Helmbarte zu verstehen ist.
Später kamen auch Schützen dazu.

Im 18. Jahrhundert wurden in allen Heeren, in den französischen
zuletzt, die Dimensionen der Infanteriefahnen und Standarten bedeu-
tend ermässigt.

Eine Spezialität bildeten die sogenannten "Adler", die Fahnen
und Standarten der französischen Armee unter Napoleon I.



Das Feldspiel, das, wie wir gesehen haben, schon vom Alter-
tume an in Verbindung mit den Fahnen und Feldzeichen. auftritt,
hat mit dem Fortschritt der Kultur und der Ausgestaltung des Kriegs-
wesens bedeutende Änderungen erfahren, es ist, man kann sagen,
stetig von den rohesten Anfängen bis zur höchsten künstlerischen
Durchbildung gelangt, und sowohl der Orient als auch der Occi-
dent hat hierzu das Seinige beigetragen.

Das Feldspiel hat im Heere verschiedene Aufgaben zu erfüllen:
es ertönt zur Belebung des Mutes in der Schlacht, zur Erheiterung
der Gemüter beim Marsche; endlich finden wir es auch, namentlich
in der Reiterei, benutzt, um Befehle auf weitere Distanzen, selbst im
Getöse des Kampfes, zu vermitteln: als Signal.

Das älteste Instrument, dem wir in den occidentalen Heeren in
der Periode der Völkerwanderung begegnen, ist das Horn. Es tritt,
aus Erz gebildet, zwar in ähnlicher Form auf wie bei den Römern,
viele der Streitvölker jener Zeit scheinen aber dieses Instrument, das
unter der Bezeichnung Posaune schon im Buche Josua (Kap. 6, V.
4 und 20) erwähnt wird und das weit vor ihnen schon die Ägypter
gekannt hatten, von den Byzantinern erhalten zu haben. In den
Streithaufen minder kultivierter Völker finden wir es als Natur-
gegenstand, als Ochsen- oder Kuhhorn, wie bei den Schweizern des
14. Jahrhunderts.

Schon am Beginne des Mittelalters verwandelte sich das Horn
in die leichtere Trompete, deren schmetternde Töne den Kampflärm
besser zu durchdringen vermochten. Diese Trompete war allerdings,
und noch bis in das 13. Jahrhundert, von der einfachsten Form und
bestand nur aus einer geraden Röhre mit darangefügter Schallöffnung
nebst Mundstück. (Fig. 604.) Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts

II. Die Angriffswaffen.

Im dreiſsigjährigen Kriege veränderten sich in den occidentalen
Heeren die Formen der Fahnen nur wenig. In den Reiterregimentern
wurde später nur eine Fahne, Standarte genannt, geführt, das Renn-
fähnlein kam bald gänzlich auſser Gebrauch. In den Fuſsknecht-
regimentern führte, wie bisher, jeder Haufen (Fähnlein) seine Fahne,
zu ihrer Verteidigung in der Schlacht bediente man sich aber nicht
mehr der zweihändigen Schwerter, sondern des Kurzgewehrs, worunter,
im Gegensatze zu den langen Piken, die Helmbarte zu verstehen ist.
Später kamen auch Schützen dazu.

Im 18. Jahrhundert wurden in allen Heeren, in den französischen
zuletzt, die Dimensionen der Infanteriefahnen und Standarten bedeu-
tend ermäſsigt.

Eine Spezialität bildeten die sogenannten „Adler“, die Fahnen
und Standarten der französischen Armee unter Napoleon I.



Das Feldspiel, das, wie wir gesehen haben, schon vom Alter-
tume an in Verbindung mit den Fahnen und Feldzeichen. auftritt,
hat mit dem Fortschritt der Kultur und der Ausgestaltung des Kriegs-
wesens bedeutende Änderungen erfahren, es ist, man kann sagen,
stetig von den rohesten Anfängen bis zur höchsten künstlerischen
Durchbildung gelangt, und sowohl der Orient als auch der Occi-
dent hat hierzu das Seinige beigetragen.

Das Feldspiel hat im Heere verschiedene Aufgaben zu erfüllen:
es ertönt zur Belebung des Mutes in der Schlacht, zur Erheiterung
der Gemüter beim Marsche; endlich finden wir es auch, namentlich
in der Reiterei, benutzt, um Befehle auf weitere Distanzen, selbst im
Getöse des Kampfes, zu vermitteln: als Signal.

Das älteste Instrument, dem wir in den occidentalen Heeren in
der Periode der Völkerwanderung begegnen, ist das Horn. Es tritt,
aus Erz gebildet, zwar in ähnlicher Form auf wie bei den Römern,
viele der Streitvölker jener Zeit scheinen aber dieses Instrument, das
unter der Bezeichnung Posaune schon im Buche Josua (Kap. 6, V.
4 und 20) erwähnt wird und das weit vor ihnen schon die Ägypter
gekannt hatten, von den Byzantinern erhalten zu haben. In den
Streithaufen minder kultivierter Völker finden wir es als Natur-
gegenstand, als Ochsen- oder Kuhhorn, wie bei den Schweizern des
14. Jahrhunderts.

Schon am Beginne des Mittelalters verwandelte sich das Horn
in die leichtere Trompete, deren schmetternde Töne den Kampflärm
besser zu durchdringen vermochten. Diese Trompete war allerdings,
und noch bis in das 13. Jahrhundert, von der einfachsten Form und
bestand nur aus einer geraden Röhre mit darangefügter Schallöffnung
nebst Mundstück. (Fig. 604.) Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0530" n="512"/>
          <fw place="top" type="header">II. Die Angriffswaffen.</fw><lb/>
          <p>Im drei&#x017F;sigjährigen Kriege veränderten sich in den occidentalen<lb/>
Heeren die Formen der Fahnen nur wenig. In den Reiterregimentern<lb/>
wurde später nur eine Fahne, Standarte genannt, geführt, das Renn-<lb/>
fähnlein kam bald gänzlich au&#x017F;ser Gebrauch. In den Fu&#x017F;sknecht-<lb/>
regimentern führte, wie bisher, jeder Haufen (Fähnlein) seine Fahne,<lb/>
zu ihrer Verteidigung in der Schlacht bediente man sich aber nicht<lb/>
mehr der zweihändigen Schwerter, sondern des Kurzgewehrs, worunter,<lb/>
im Gegensatze zu den langen Piken, die Helmbarte zu verstehen ist.<lb/>
Später kamen auch Schützen dazu.</p><lb/>
          <p>Im 18. Jahrhundert wurden in allen Heeren, in den französischen<lb/>
zuletzt, die Dimensionen der Infanteriefahnen und Standarten bedeu-<lb/>
tend ermä&#x017F;sigt.</p><lb/>
          <p>Eine Spezialität bildeten die sogenannten &#x201E;Adler&#x201C;, die Fahnen<lb/>
und Standarten der französischen Armee unter Napoleon I.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Das <hi rendition="#g">Feldspiel,</hi> das, wie wir gesehen haben, schon vom Alter-<lb/>
tume an in Verbindung mit den Fahnen und Feldzeichen. auftritt,<lb/>
hat mit dem Fortschritt der Kultur und der Ausgestaltung des Kriegs-<lb/>
wesens bedeutende Änderungen erfahren, es ist, man kann sagen,<lb/>
stetig von den rohesten Anfängen bis zur höchsten künstlerischen<lb/>
Durchbildung gelangt, und sowohl der Orient als auch der Occi-<lb/>
dent hat hierzu das Seinige beigetragen.</p><lb/>
          <p>Das Feldspiel hat im Heere verschiedene Aufgaben zu erfüllen:<lb/>
es ertönt zur Belebung des Mutes in der Schlacht, zur Erheiterung<lb/>
der Gemüter beim Marsche; endlich finden wir es auch, namentlich<lb/>
in der Reiterei, benutzt, um Befehle auf weitere Distanzen, selbst im<lb/>
Getöse des Kampfes, zu vermitteln: als Signal.</p><lb/>
          <p>Das älteste Instrument, dem wir in den occidentalen Heeren in<lb/>
der Periode der Völkerwanderung begegnen, ist das <hi rendition="#g">Horn</hi>. Es tritt,<lb/>
aus Erz gebildet, zwar in ähnlicher Form auf wie bei den Römern,<lb/>
viele der Streitvölker jener Zeit scheinen aber dieses Instrument, das<lb/>
unter der Bezeichnung Posaune schon im Buche Josua (Kap. 6, V.<lb/>
4 und 20) erwähnt wird und das weit vor ihnen schon die Ägypter<lb/>
gekannt hatten, von den Byzantinern erhalten zu haben. In den<lb/>
Streithaufen minder kultivierter Völker finden wir es als Natur-<lb/>
gegenstand, als Ochsen- oder Kuhhorn, wie bei den Schweizern des<lb/>
14. Jahrhunderts.</p><lb/>
          <p>Schon am Beginne des Mittelalters verwandelte sich das Horn<lb/>
in die leichtere Trompete, deren schmetternde Töne den Kampflärm<lb/>
besser zu durchdringen vermochten. Diese Trompete war allerdings,<lb/>
und noch bis in das 13. Jahrhundert, von der einfachsten Form und<lb/>
bestand nur aus einer geraden Röhre mit darangefügter Schallöffnung<lb/>
nebst Mundstück. (Fig. 604.) Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[512/0530] II. Die Angriffswaffen. Im dreiſsigjährigen Kriege veränderten sich in den occidentalen Heeren die Formen der Fahnen nur wenig. In den Reiterregimentern wurde später nur eine Fahne, Standarte genannt, geführt, das Renn- fähnlein kam bald gänzlich auſser Gebrauch. In den Fuſsknecht- regimentern führte, wie bisher, jeder Haufen (Fähnlein) seine Fahne, zu ihrer Verteidigung in der Schlacht bediente man sich aber nicht mehr der zweihändigen Schwerter, sondern des Kurzgewehrs, worunter, im Gegensatze zu den langen Piken, die Helmbarte zu verstehen ist. Später kamen auch Schützen dazu. Im 18. Jahrhundert wurden in allen Heeren, in den französischen zuletzt, die Dimensionen der Infanteriefahnen und Standarten bedeu- tend ermäſsigt. Eine Spezialität bildeten die sogenannten „Adler“, die Fahnen und Standarten der französischen Armee unter Napoleon I. Das Feldspiel, das, wie wir gesehen haben, schon vom Alter- tume an in Verbindung mit den Fahnen und Feldzeichen. auftritt, hat mit dem Fortschritt der Kultur und der Ausgestaltung des Kriegs- wesens bedeutende Änderungen erfahren, es ist, man kann sagen, stetig von den rohesten Anfängen bis zur höchsten künstlerischen Durchbildung gelangt, und sowohl der Orient als auch der Occi- dent hat hierzu das Seinige beigetragen. Das Feldspiel hat im Heere verschiedene Aufgaben zu erfüllen: es ertönt zur Belebung des Mutes in der Schlacht, zur Erheiterung der Gemüter beim Marsche; endlich finden wir es auch, namentlich in der Reiterei, benutzt, um Befehle auf weitere Distanzen, selbst im Getöse des Kampfes, zu vermitteln: als Signal. Das älteste Instrument, dem wir in den occidentalen Heeren in der Periode der Völkerwanderung begegnen, ist das Horn. Es tritt, aus Erz gebildet, zwar in ähnlicher Form auf wie bei den Römern, viele der Streitvölker jener Zeit scheinen aber dieses Instrument, das unter der Bezeichnung Posaune schon im Buche Josua (Kap. 6, V. 4 und 20) erwähnt wird und das weit vor ihnen schon die Ägypter gekannt hatten, von den Byzantinern erhalten zu haben. In den Streithaufen minder kultivierter Völker finden wir es als Natur- gegenstand, als Ochsen- oder Kuhhorn, wie bei den Schweizern des 14. Jahrhunderts. Schon am Beginne des Mittelalters verwandelte sich das Horn in die leichtere Trompete, deren schmetternde Töne den Kampflärm besser zu durchdringen vermochten. Diese Trompete war allerdings, und noch bis in das 13. Jahrhundert, von der einfachsten Form und bestand nur aus einer geraden Röhre mit darangefügter Schallöffnung nebst Mundstück. (Fig. 604.) Gegen das Ende des 14. Jahrhunderts

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/530
Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/530>, abgerufen am 22.11.2024.