Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.III. Die Turnierwaffen. fälliges oder absichtliches Begegnen zweier Ritter auf dem Wege, wo-bei es ohne einiges Speerverstechen nicht abging. Der eine setzte sich am Wege und forderte den anderen meist unter schwulstigen Reden und ruhmredigen Worten zum ritterlichen Kampfe auf; er erscheint hier als der Aventurier. Der andere musste sich ihm stellen, als Mantenador. Auf dem Wege hinter Clemun hatte der Ritter Mathie sein Zelt vor Ulrichs Weg geschlagen, um ihn vor der Weiterreise zum Stechen aufzufordern; da mass er sich mit 11 Rittern, und die Trümmer, "trumzen", der Speere und etliche Schilde lagen auf der Erde. Das häufig grosse Gedränge des Trosses und des herbeigeeilten Volkes bewog Ulrich, den Ring des Turnieres abzu- stecken. Die Ecken eines Rechteckes wurden durch vier in die Erde gesteckte Paniere bezeichnet, die Linien dazwischen durch 200 Speere mit Fähnlein in der Farbe von Ulrichs Schild bezeichnet. An den kurzen Seiten befand sich in der Mitte je ein Eingang, durch [Abbildung]
Fig. 609. welchen niemand reiten durfte, der nicht zum tyost bereit war. DasAbbildung eines Gesteches. Aus dem Codex war damals eine Neuerung, für die man Ulrich sehr erkenntlich war. Dieses Wegelagern im Stile des Stegreifritters währte bis ans Ende Das ausgeschriebene Turnier wurde, wie es der Name schon III. Die Turnierwaffen. fälliges oder absichtliches Begegnen zweier Ritter auf dem Wege, wo-bei es ohne einiges Speerverstechen nicht abging. Der eine setzte sich am Wege und forderte den anderen meist unter schwulstigen Reden und ruhmredigen Worten zum ritterlichen Kampfe auf; er erscheint hier als der Aventurier. Der andere muſste sich ihm stellen, als Mantenador. Auf dem Wege hinter Clemun hatte der Ritter Mathie sein Zelt vor Ulrichs Weg geschlagen, um ihn vor der Weiterreise zum Stechen aufzufordern; da maſs er sich mit 11 Rittern, und die Trümmer, „trumzen“, der Speere und etliche Schilde lagen auf der Erde. Das häufig groſse Gedränge des Trosses und des herbeigeeilten Volkes bewog Ulrich, den Ring des Turnieres abzu- stecken. Die Ecken eines Rechteckes wurden durch vier in die Erde gesteckte Paniere bezeichnet, die Linien dazwischen durch 200 Speere mit Fähnlein in der Farbe von Ulrichs Schild bezeichnet. An den kurzen Seiten befand sich in der Mitte je ein Eingang, durch [Abbildung]
Fig. 609. welchen niemand reiten durfte, der nicht zum tyost bereit war. DasAbbildung eines Gesteches. Aus dem Codex war damals eine Neuerung, für die man Ulrich sehr erkenntlich war. Dieses Wegelagern im Stile des Stegreifritters währte bis ans Ende Das ausgeschriebene Turnier wurde, wie es der Name schon <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0539" n="521"/><fw place="top" type="header">III. Die Turnierwaffen.</fw><lb/> fälliges oder absichtliches Begegnen zweier Ritter auf dem Wege, wo-<lb/> bei es ohne einiges Speerverstechen nicht abging. Der eine setzte<lb/> sich am Wege und forderte den anderen meist unter schwulstigen<lb/> Reden und ruhmredigen Worten zum ritterlichen Kampfe auf; er<lb/> erscheint hier als der <hi rendition="#g">Aventurier</hi>. Der andere muſste sich ihm<lb/> stellen, als <hi rendition="#g">Mantenador</hi>. Auf dem Wege hinter Clemun hatte der<lb/> Ritter <hi rendition="#g">Mathie</hi> sein Zelt vor <hi rendition="#g">Ulrichs</hi> Weg geschlagen, um ihn vor der<lb/> Weiterreise zum Stechen aufzufordern; da maſs er sich mit 11 Rittern,<lb/> und die Trümmer, „trumzen“, der Speere und etliche Schilde lagen<lb/> auf der Erde. Das häufig groſse Gedränge des Trosses und des<lb/> herbeigeeilten Volkes bewog <hi rendition="#g">Ulrich</hi>, den Ring des Turnieres abzu-<lb/> stecken. Die Ecken eines Rechteckes wurden durch vier in die Erde<lb/> gesteckte Paniere bezeichnet, die Linien dazwischen durch 200 Speere<lb/> mit Fähnlein in der Farbe von <hi rendition="#g">Ulrichs</hi> Schild bezeichnet. An<lb/> den kurzen Seiten befand sich in der Mitte je ein Eingang, durch<lb/><figure><head><hi rendition="#g">Fig</hi>. 609.</head><p><hi rendition="#g">Abbildung eines Gesteches</hi>. Aus dem Codex<lb/> Balduini Trevirensis von c. 1330.</p></figure><lb/> welchen niemand reiten durfte, der nicht zum tyost bereit war. Das<lb/> war damals eine Neuerung, für die man Ulrich sehr erkenntlich war.</p><lb/> <p>Dieses Wegelagern im Stile des Stegreifritters währte bis ans Ende<lb/> des 14. Jahrhunderts, in Deutschland sogar noch bis ins 16. Jahr-<lb/> hundert, und es lag in der Natur dieser Zufallsgesteche, daſs bei<lb/> ihnen nur solche Waffen benutzt wurden, die auch im Felde ge-<lb/> bräuchlich waren, so z. B. die Brusttartschen aus Holz, deren wir<lb/> bei Beschreibung der Feldharnische des 15. Jahrhunderts gedacht<lb/> haben. Sie bildeten gleichfalls ein wichtiges Ausrüstungsstück. Vergl.<lb/> Fig. 187 und 194. (Fig. 609.)</p><lb/> <p>Das ausgeschriebene Turnier wurde, wie es der Name schon<lb/> bezeichnet, infolge einer Einladung, die an die Ritterschaft erging,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [521/0539]
III. Die Turnierwaffen.
fälliges oder absichtliches Begegnen zweier Ritter auf dem Wege, wo-
bei es ohne einiges Speerverstechen nicht abging. Der eine setzte
sich am Wege und forderte den anderen meist unter schwulstigen
Reden und ruhmredigen Worten zum ritterlichen Kampfe auf; er
erscheint hier als der Aventurier. Der andere muſste sich ihm
stellen, als Mantenador. Auf dem Wege hinter Clemun hatte der
Ritter Mathie sein Zelt vor Ulrichs Weg geschlagen, um ihn vor der
Weiterreise zum Stechen aufzufordern; da maſs er sich mit 11 Rittern,
und die Trümmer, „trumzen“, der Speere und etliche Schilde lagen
auf der Erde. Das häufig groſse Gedränge des Trosses und des
herbeigeeilten Volkes bewog Ulrich, den Ring des Turnieres abzu-
stecken. Die Ecken eines Rechteckes wurden durch vier in die Erde
gesteckte Paniere bezeichnet, die Linien dazwischen durch 200 Speere
mit Fähnlein in der Farbe von Ulrichs Schild bezeichnet. An
den kurzen Seiten befand sich in der Mitte je ein Eingang, durch
[Abbildung Fig. 609. Abbildung eines Gesteches. Aus dem Codex
Balduini Trevirensis von c. 1330.]
welchen niemand reiten durfte, der nicht zum tyost bereit war. Das
war damals eine Neuerung, für die man Ulrich sehr erkenntlich war.
Dieses Wegelagern im Stile des Stegreifritters währte bis ans Ende
des 14. Jahrhunderts, in Deutschland sogar noch bis ins 16. Jahr-
hundert, und es lag in der Natur dieser Zufallsgesteche, daſs bei
ihnen nur solche Waffen benutzt wurden, die auch im Felde ge-
bräuchlich waren, so z. B. die Brusttartschen aus Holz, deren wir
bei Beschreibung der Feldharnische des 15. Jahrhunderts gedacht
haben. Sie bildeten gleichfalls ein wichtiges Ausrüstungsstück. Vergl.
Fig. 187 und 194. (Fig. 609.)
Das ausgeschriebene Turnier wurde, wie es der Name schon
bezeichnet, infolge einer Einladung, die an die Ritterschaft erging,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |