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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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1. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
und mit dem Scheitelstück zugleich aus einem Stücke getrieben.
Wie teuer müsste heute der Helm verkauft werden, um, so hergestellt,
die Arbeit zu lohnen? Man versucht daher denselben aus zwei
Hälften zu fertigen, die an den Kammrändern sorgfältig zusammen-
geschweisst werden. Derlei Kniffe sind durch sorgfältige Beobachtung
des Innern aufzudecken. Von ca. 1580 an kommen übrigens wirk-
lich Helme vor, die aus zwei Hälften gefertigt sind, so z. B. bestehen
die bekannten Morions mit den Lilien (Fig. 51) durchweg aus zwei
Teilen. Erschiene endlich an einem Harnische auch alles ohne Verdacht,
dann scheitert die Absicht des Fälschers zuletzt an der Wiedergabe
der Vorstösse und der Beriemung. Alter Samt und alte Seide ist in
Farbe und Textur dem Kenner geläufig, und die Fertigung des
heutigen Alaunleders ist von der alten sehr verschieden.

Wie an der Bronze die Patina, so wird am Eisen der Rost als
ein Kennzeichen des Alters angesehen, Grund genug für den Fälscher,
dieses Mittelchen bei solchen "grünen" Kauflustigen zu benutzen, die
nicht wissen, dass das durchaus kein Beweis ist, da es eiserne
Gegenstände von 400- und mehrjährigem Alter genug gibt, die nicht
die geringste Rostspur zeigen. Aber der Rost muss daran sein; darum
wird zu Salzsäure, Schwefelsäure und anderen Ätzmitteln gegriffen.
Jeder auf derlei Kundschaft spekulierende Antiquitätenhändler hat zu
diesem Zwecke sein eigenes probates Rezept. Der eine hängt den
betreffenden Gegenstand in den Schornstein, der andere gräbt ihn
in die Erde; der Rost ist ja ein gefälliger Gast, er kommt sicher.
Verdächtig in Bezug auf sein Alter ist aller Rost, der eine lebhaft
rote Farbe hat und sich mit dem Finger wegreiben lässt, ebenso
solcher, der nicht in den Vertiefungen, Brüchen etc. sitzt, sondern
an den flachen, offenen Stellen.

An alten Harnischbestandteilen finden sich häufig Beschädigungen,
welche durch die Waffenwirkung, durch Stösse und Quetschungen
herbeigeführt sind. Derlei Schäden ahmt der Fälscher mit Vorliebe
an seiner Arbeit nach in der Meinung, diese um so weniger ver-
dächtig zu machen. Da ist denn sorgfältig zu erwägen, ob solche
Beschädigungen an dem Orte, wo sie sich finden, auch wirklich vor-
gekommen sein können; oft trifft man Mulden und Wannen dort an,
wo eine Beschädigung schlechterdings unmöglich ist, z. B. an ver-
tieften Stellen, während die Erhebungen in der Nähe ganz unversehrt
erscheinen. Besonders auf die Ränder richte man das Augenmerk.
Bei echten Gegenständen sind sie immer nur an bestimmten Stellen
durch den Gebrauch abgenützt oder durch Angriffswaffen beschädigt.
Verbiegungen und Brüche, die durch Fall herbeigeführt sind, können
nur an Punkten auftreten, welche nach der Form des Gegenstandes
beim Fallen auf den harten Boden treffen. Der Verfasser bekam
jüngst einen Topfhelm zur Ansicht, der am Scheitelstücke von dem
dicksten Eisen rückwärts eine tiefe Grube aufwies, während die weit

1. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen.
und mit dem Scheitelstück zugleich aus einem Stücke getrieben.
Wie teuer müſste heute der Helm verkauft werden, um, so hergestellt,
die Arbeit zu lohnen? Man versucht daher denselben aus zwei
Hälften zu fertigen, die an den Kammrändern sorgfältig zusammen-
geschweiſst werden. Derlei Kniffe sind durch sorgfältige Beobachtung
des Innern aufzudecken. Von ca. 1580 an kommen übrigens wirk-
lich Helme vor, die aus zwei Hälften gefertigt sind, so z. B. bestehen
die bekannten Morions mit den Lilien (Fig. 51) durchweg aus zwei
Teilen. Erschiene endlich an einem Harnische auch alles ohne Verdacht,
dann scheitert die Absicht des Fälschers zuletzt an der Wiedergabe
der Vorstöſse und der Beriemung. Alter Samt und alte Seide ist in
Farbe und Textur dem Kenner geläufig, und die Fertigung des
heutigen Alaunleders ist von der alten sehr verschieden.

Wie an der Bronze die Patina, so wird am Eisen der Rost als
ein Kennzeichen des Alters angesehen, Grund genug für den Fälscher,
dieses Mittelchen bei solchen „grünen“ Kauflustigen zu benutzen, die
nicht wissen, daſs das durchaus kein Beweis ist, da es eiserne
Gegenstände von 400- und mehrjährigem Alter genug gibt, die nicht
die geringste Rostspur zeigen. Aber der Rost muſs daran sein; darum
wird zu Salzsäure, Schwefelsäure und anderen Ätzmitteln gegriffen.
Jeder auf derlei Kundschaft spekulierende Antiquitätenhändler hat zu
diesem Zwecke sein eigenes probates Rezept. Der eine hängt den
betreffenden Gegenstand in den Schornstein, der andere gräbt ihn
in die Erde; der Rost ist ja ein gefälliger Gast, er kommt sicher.
Verdächtig in Bezug auf sein Alter ist aller Rost, der eine lebhaft
rote Farbe hat und sich mit dem Finger wegreiben läſst, ebenso
solcher, der nicht in den Vertiefungen, Brüchen etc. sitzt, sondern
an den flachen, offenen Stellen.

An alten Harnischbestandteilen finden sich häufig Beschädigungen,
welche durch die Waffenwirkung, durch Stöſse und Quetschungen
herbeigeführt sind. Derlei Schäden ahmt der Fälscher mit Vorliebe
an seiner Arbeit nach in der Meinung, diese um so weniger ver-
dächtig zu machen. Da ist denn sorgfältig zu erwägen, ob solche
Beschädigungen an dem Orte, wo sie sich finden, auch wirklich vor-
gekommen sein können; oft trifft man Mulden und Wannen dort an,
wo eine Beschädigung schlechterdings unmöglich ist, z. B. an ver-
tieften Stellen, während die Erhebungen in der Nähe ganz unversehrt
erscheinen. Besonders auf die Ränder richte man das Augenmerk.
Bei echten Gegenständen sind sie immer nur an bestimmten Stellen
durch den Gebrauch abgenützt oder durch Angriffswaffen beschädigt.
Verbiegungen und Brüche, die durch Fall herbeigeführt sind, können
nur an Punkten auftreten, welche nach der Form des Gegenstandes
beim Fallen auf den harten Boden treffen. Der Verfasser bekam
jüngst einen Topfhelm zur Ansicht, der am Scheitelstücke von dem
dicksten Eisen rückwärts eine tiefe Grube aufwies, während die weit

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[575/0593] 1. Die Beurteilung der Echtheit und des Wertes der Waffen. und mit dem Scheitelstück zugleich aus einem Stücke getrieben. Wie teuer müſste heute der Helm verkauft werden, um, so hergestellt, die Arbeit zu lohnen? Man versucht daher denselben aus zwei Hälften zu fertigen, die an den Kammrändern sorgfältig zusammen- geschweiſst werden. Derlei Kniffe sind durch sorgfältige Beobachtung des Innern aufzudecken. Von ca. 1580 an kommen übrigens wirk- lich Helme vor, die aus zwei Hälften gefertigt sind, so z. B. bestehen die bekannten Morions mit den Lilien (Fig. 51) durchweg aus zwei Teilen. Erschiene endlich an einem Harnische auch alles ohne Verdacht, dann scheitert die Absicht des Fälschers zuletzt an der Wiedergabe der Vorstöſse und der Beriemung. Alter Samt und alte Seide ist in Farbe und Textur dem Kenner geläufig, und die Fertigung des heutigen Alaunleders ist von der alten sehr verschieden. Wie an der Bronze die Patina, so wird am Eisen der Rost als ein Kennzeichen des Alters angesehen, Grund genug für den Fälscher, dieses Mittelchen bei solchen „grünen“ Kauflustigen zu benutzen, die nicht wissen, daſs das durchaus kein Beweis ist, da es eiserne Gegenstände von 400- und mehrjährigem Alter genug gibt, die nicht die geringste Rostspur zeigen. Aber der Rost muſs daran sein; darum wird zu Salzsäure, Schwefelsäure und anderen Ätzmitteln gegriffen. Jeder auf derlei Kundschaft spekulierende Antiquitätenhändler hat zu diesem Zwecke sein eigenes probates Rezept. Der eine hängt den betreffenden Gegenstand in den Schornstein, der andere gräbt ihn in die Erde; der Rost ist ja ein gefälliger Gast, er kommt sicher. Verdächtig in Bezug auf sein Alter ist aller Rost, der eine lebhaft rote Farbe hat und sich mit dem Finger wegreiben läſst, ebenso solcher, der nicht in den Vertiefungen, Brüchen etc. sitzt, sondern an den flachen, offenen Stellen. An alten Harnischbestandteilen finden sich häufig Beschädigungen, welche durch die Waffenwirkung, durch Stöſse und Quetschungen herbeigeführt sind. Derlei Schäden ahmt der Fälscher mit Vorliebe an seiner Arbeit nach in der Meinung, diese um so weniger ver- dächtig zu machen. Da ist denn sorgfältig zu erwägen, ob solche Beschädigungen an dem Orte, wo sie sich finden, auch wirklich vor- gekommen sein können; oft trifft man Mulden und Wannen dort an, wo eine Beschädigung schlechterdings unmöglich ist, z. B. an ver- tieften Stellen, während die Erhebungen in der Nähe ganz unversehrt erscheinen. Besonders auf die Ränder richte man das Augenmerk. Bei echten Gegenständen sind sie immer nur an bestimmten Stellen durch den Gebrauch abgenützt oder durch Angriffswaffen beschädigt. Verbiegungen und Brüche, die durch Fall herbeigeführt sind, können nur an Punkten auftreten, welche nach der Form des Gegenstandes beim Fallen auf den harten Boden treffen. Der Verfasser bekam jüngst einen Topfhelm zur Ansicht, der am Scheitelstücke von dem dicksten Eisen rückwärts eine tiefe Grube aufwies, während die weit

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/593>, abgerufen am 22.11.2024.