rinne der Melle und Garza. Bis ins 16. Jahrhundert beschäftigten sich die Werke nur mit der Erzeugung von Klingen und Spiesseisen, von da an und mit grossem Erfolge mit der Fertigung von Feuer- waffen. In ersterer hat sich Pietro Caino einen unsterblichen Namen gemacht, in letzterer haben Cominazzo, Vater und Sohn, Lazarino und Giovanni Francino nicht weniger Ruhm erworben. Schon im 13. Jahrhundert erwarb sich Brescia durch seine grossartige Pro- duktivität den Beinamen l'armata.
Vergessen ist heute die einst so grossartige Stätte der Waffen- erzeugung von Belluno und Seravalle im Friaulischen, von welcher die Republik Venedig bis ins 16. Jahrhundert ihre sämtlichen Waffen bezog. Noch Maximilian I. liess einen grossen Teil seiner Kürisser und Landsknechte mit Waffen aus dem Friaul ausrüsten, und schon früher erwarben Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Siegmund von Tirol dortselbst Waffen für ihre Söldnerhaufen. An sie erinnert noch eine Waffe: der sogenannte Friaulerspiess, das Spetum. Aus Belluno stammen die unerklärlich leichten Klingen, welche im 16. Jahrhundert so sehr beliebt waren und die auch noch heute von Kennern hoch geschätzt werden. Sie sind eine Erfindung des Vittore Camelio, der dafür 1509 vom Senate zu Venedig ein Privilegium auf fünf Jahre erhielt. Noch um 1740 fertigt man in Belluno Pistolen, die ein Gewicht haben, als wären sie aus weichem Holz gearbeitet.*) Berühmte Klingen aus Friaul tragen die Bezeichnung "Jesus-Maria" und "Angone". Von den vielen ausgezeichneten Meistern haben besonders die Brüder Andrea und Giandonato Ferarra aus Fon- zaso bei Belluno ihre Namen rühmlichst auf die Nachwelt gebracht.
Florenz war, gleichwie Venedig, nicht die Stätte einer Waffen- erzeugung im grossen Stile, wie etwa Brescia, bedeutend aber für Prunkwaffen. Es ist anzunehmen, dass auf die Entwürfe für den Zierat die grossen Bildhauer des Quattrocento, wie Donatello -- von dem es übrigens erwiesen ist -- Benedetto da Majano u. a. Einfluss gehabt haben. Man irrt jedoch, wenn man Benvenuto Cellini unter die Waffenschmiede rechnet. Er selbst spricht weder in seiner Vita noch in seinen Trattati davon, dass er Waffen gefertigt hätte; nur nebenher ist einmal bei ihm von Dolchscheiden die Rede. Aller- dings mögen Schüler von ihm sich später der Waffenerzeugung zuge- wendet haben.
Die Kunst der Waffenschmiede von Florenz steht vollkommen unter dem Einflusse der grossen Ornamentisten Italiens, voran Ra- phaels. Vermittelt wurden die phantasievollen Arabesken und Gro- tesken, welche den Kunstarbeitern als Vorbilder dienten, durch zahl- lose Stiche im Verlage von zumeist römischen Kunsthändlern, so des Lafreri, des Rossi (Rubeis) u. a. Durch diese Blätter gelangte auch
*)Urbani de Gheltof, Les arts industriels a Venise etc. Venise 1885.
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
rinne der Melle und Garza. Bis ins 16. Jahrhundert beschäftigten sich die Werke nur mit der Erzeugung von Klingen und Spieſseisen, von da an und mit groſsem Erfolge mit der Fertigung von Feuer- waffen. In ersterer hat sich Pietro Caino einen unsterblichen Namen gemacht, in letzterer haben Cominazzo, Vater und Sohn, Lazarino und Giovanni Francino nicht weniger Ruhm erworben. Schon im 13. Jahrhundert erwarb sich Brescia durch seine groſsartige Pro- duktivität den Beinamen l’armata.
Vergessen ist heute die einst so groſsartige Stätte der Waffen- erzeugung von Belluno und Seravalle im Friaulischen, von welcher die Republik Venedig bis ins 16. Jahrhundert ihre sämtlichen Waffen bezog. Noch Maximilian I. lieſs einen groſsen Teil seiner Kürisser und Landsknechte mit Waffen aus dem Friaul ausrüsten, und schon früher erwarben Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Siegmund von Tirol dortselbst Waffen für ihre Söldnerhaufen. An sie erinnert noch eine Waffe: der sogenannte Friaulerspieſs, das Spetum. Aus Belluno stammen die unerklärlich leichten Klingen, welche im 16. Jahrhundert so sehr beliebt waren und die auch noch heute von Kennern hoch geschätzt werden. Sie sind eine Erfindung des Vittore Camelio, der dafür 1509 vom Senate zu Venedig ein Privilegium auf fünf Jahre erhielt. Noch um 1740 fertigt man in Belluno Pistolen, die ein Gewicht haben, als wären sie aus weichem Holz gearbeitet.*) Berühmte Klingen aus Friaul tragen die Bezeichnung „Jesus-Maria“ und „Angone“. Von den vielen ausgezeichneten Meistern haben besonders die Brüder Andrea und Giandonato Ferarra aus Fon- zaso bei Belluno ihre Namen rühmlichst auf die Nachwelt gebracht.
Florenz war, gleichwie Venedig, nicht die Stätte einer Waffen- erzeugung im groſsen Stile, wie etwa Brescia, bedeutend aber für Prunkwaffen. Es ist anzunehmen, daſs auf die Entwürfe für den Zierat die groſsen Bildhauer des Quattrocento, wie Donatello — von dem es übrigens erwiesen ist — Benedetto da Majano u. a. Einfluſs gehabt haben. Man irrt jedoch, wenn man Benvenuto Cellini unter die Waffenschmiede rechnet. Er selbst spricht weder in seiner Vita noch in seinen Trattati davon, daſs er Waffen gefertigt hätte; nur nebenher ist einmal bei ihm von Dolchscheiden die Rede. Aller- dings mögen Schüler von ihm sich später der Waffenerzeugung zuge- wendet haben.
Die Kunst der Waffenschmiede von Florenz steht vollkommen unter dem Einflusse der groſsen Ornamentisten Italiens, voran Ra- phaels. Vermittelt wurden die phantasievollen Arabesken und Gro- tesken, welche den Kunstarbeitern als Vorbilder dienten, durch zahl- lose Stiche im Verlage von zumeist römischen Kunsthändlern, so des Lafreri, des Rossi (Rubeis) u. a. Durch diese Blätter gelangte auch
*)Urbani de Gheltof, Les arts industriels à Venise etc. Venise 1885.
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
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sich die Werke nur mit der Erzeugung von Klingen und Spieſseisen,
von da an und mit groſsem Erfolge mit der Fertigung von Feuer-
waffen. In ersterer hat sich Pietro Caino einen unsterblichen Namen
gemacht, in letzterer haben Cominazzo, Vater und Sohn, Lazarino
und Giovanni Francino nicht weniger Ruhm erworben. Schon
im 13. Jahrhundert erwarb sich Brescia durch seine groſsartige Pro-
duktivität den Beinamen l’armata.
Vergessen ist heute die einst so groſsartige Stätte der Waffen-
erzeugung von Belluno und Seravalle im Friaulischen, von welcher
die Republik Venedig bis ins 16. Jahrhundert ihre sämtlichen Waffen
bezog. Noch Maximilian I. lieſs einen groſsen Teil seiner Kürisser
und Landsknechte mit Waffen aus dem Friaul ausrüsten, und schon
früher erwarben Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Siegmund von
Tirol dortselbst Waffen für ihre Söldnerhaufen. An sie erinnert noch
eine Waffe: der sogenannte Friaulerspieſs, das Spetum. Aus Belluno
stammen die unerklärlich leichten Klingen, welche im 16. Jahrhundert
so sehr beliebt waren und die auch noch heute von Kennern hoch
geschätzt werden. Sie sind eine Erfindung des Vittore Camelio,
der dafür 1509 vom Senate zu Venedig ein Privilegium auf fünf
Jahre erhielt. Noch um 1740 fertigt man in Belluno Pistolen, die
ein Gewicht haben, als wären sie aus weichem Holz gearbeitet. *)
Berühmte Klingen aus Friaul tragen die Bezeichnung „Jesus-Maria“
und „Angone“. Von den vielen ausgezeichneten Meistern haben
besonders die Brüder Andrea und Giandonato Ferarra aus Fon-
zaso bei Belluno ihre Namen rühmlichst auf die Nachwelt gebracht.
Florenz war, gleichwie Venedig, nicht die Stätte einer Waffen-
erzeugung im groſsen Stile, wie etwa Brescia, bedeutend aber für
Prunkwaffen. Es ist anzunehmen, daſs auf die Entwürfe für den
Zierat die groſsen Bildhauer des Quattrocento, wie Donatello — von
dem es übrigens erwiesen ist — Benedetto da Majano u. a. Einfluſs
gehabt haben. Man irrt jedoch, wenn man Benvenuto Cellini unter
die Waffenschmiede rechnet. Er selbst spricht weder in seiner Vita
noch in seinen Trattati davon, daſs er Waffen gefertigt hätte; nur
nebenher ist einmal bei ihm von Dolchscheiden die Rede. Aller-
dings mögen Schüler von ihm sich später der Waffenerzeugung zuge-
wendet haben.
Die Kunst der Waffenschmiede von Florenz steht vollkommen
unter dem Einflusse der groſsen Ornamentisten Italiens, voran Ra-
phaels. Vermittelt wurden die phantasievollen Arabesken und Gro-
tesken, welche den Kunstarbeitern als Vorbilder dienten, durch zahl-
lose Stiche im Verlage von zumeist römischen Kunsthändlern, so des
Lafreri, des Rossi (Rubeis) u. a. Durch diese Blätter gelangte auch
*) Urbani de Gheltof, Les arts industriels à Venise etc. Venise 1885.
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/621>, abgerufen am 22.11.2024.
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