Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen. alle Zeiten in der Kunstgeschichte prangen werden, wie die PlattnerHans Grunewalt, Wilhelm von Worms, Vater und Sohn, Konrad Lochner, Valentin Siebenbürger, die Büchsengiesser Sebald Behaim, Andreas Pegnitzer, Vater und Sohn, und viele andere. Wie in Italien, so waren auch in Deutschland die Be- ziehungen zwischen Kunst und Handwerk immer inniger geworden. War die erste Anregung hierzu auch aus Italien gekommen, die grosse geistige Kraft der Nation bildete die fremden Elemente doch in staunens- wert kurzer Zeit nach ihren Anschauungen um, und der grosse deutsche Meister Albrecht Dürer steht mitten im industriellen Gebiete wie eine eherne Säule da. Er, der Meister im grossen Stile, nimmt Ein- fluss auf die kleinsten Verhältnisse im nationalen Kunstleben; ihm ist es nicht zu gering, von der Staffelei weg sich an den Tisch zu setzen, um den Entwurf zu einem Gerät zu machen. Der Kaiser wünscht 1517 eine Zeichnung zu einem silbernen Harnisch, und er zeichnet einen solchen in allen Einzelheiten. Er ist von dem berühmten Colman Helmschmied ausgeführt worden und würde, wäre er uns erhalten geblieben, in künstlerischer Schönheit von keinem der Welt übertroffen werden, wie uns einige noch vorhandene Skizzen lehren. Und wie Dürer, so waren auch seine künstlerischen Zeitgenossen und Nachfolger für das Waffenwesen mit Erfolg thätig. So sehen wir im Skizzenbuche des Hans Baldung Grün Musterzeichnungen von Harnischen; so wissen wir, dass die beiden Burgkmair am Waffen- wesen, ebenso wie Albrecht Altdorfer mit Entwürfen beteiligt waren. Auf dekorativem Gebiete ragt in der fränkischen Schule vor allem A. Aldegrever hervor, der der Ornamentik eine eigene Richtung gab, und welchen bedeutenden Einfluss haben nicht der ältere L. Cranach, Aug. Hirsvogel, Virgil Solis und die Goldschmiede Jamnitzer auf die Verzierung der Waffen genommen! Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts trat gegen das mächtige Nürn- V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen. alle Zeiten in der Kunstgeschichte prangen werden, wie die PlattnerHans Grunewalt, Wilhelm von Worms, Vater und Sohn, Konrad Lochner, Valentin Siebenbürger, die Büchsengieſser Sebald Behaim, Andreas Pegnitzer, Vater und Sohn, und viele andere. Wie in Italien, so waren auch in Deutschland die Be- ziehungen zwischen Kunst und Handwerk immer inniger geworden. War die erste Anregung hierzu auch aus Italien gekommen, die groſse geistige Kraft der Nation bildete die fremden Elemente doch in staunens- wert kurzer Zeit nach ihren Anschauungen um, und der groſse deutsche Meister Albrecht Dürer steht mitten im industriellen Gebiete wie eine eherne Säule da. Er, der Meister im groſsen Stile, nimmt Ein- fluſs auf die kleinsten Verhältnisse im nationalen Kunstleben; ihm ist es nicht zu gering, von der Staffelei weg sich an den Tisch zu setzen, um den Entwurf zu einem Gerät zu machen. Der Kaiser wünscht 1517 eine Zeichnung zu einem silbernen Harnisch, und er zeichnet einen solchen in allen Einzelheiten. Er ist von dem berühmten Colman Helmschmied ausgeführt worden und würde, wäre er uns erhalten geblieben, in künstlerischer Schönheit von keinem der Welt übertroffen werden, wie uns einige noch vorhandene Skizzen lehren. Und wie Dürer, so waren auch seine künstlerischen Zeitgenossen und Nachfolger für das Waffenwesen mit Erfolg thätig. So sehen wir im Skizzenbuche des Hans Baldung Grün Musterzeichnungen von Harnischen; so wissen wir, daſs die beiden Burgkmair am Waffen- wesen, ebenso wie Albrecht Altdorfer mit Entwürfen beteiligt waren. Auf dekorativem Gebiete ragt in der fränkischen Schule vor allem A. Aldegrever hervor, der der Ornamentik eine eigene Richtung gab, und welchen bedeutenden Einfluſs haben nicht der ältere L. Cranach, Aug. Hirsvogel, Virgil Solis und die Goldschmiede Jamnitzer auf die Verzierung der Waffen genommen! Im Verlaufe des 16. 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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
alle Zeiten in der Kunstgeschichte prangen werden, wie die Plattner
Hans Grunewalt, Wilhelm von Worms, Vater und Sohn,
Konrad Lochner, Valentin Siebenbürger, die Büchsengieſser
Sebald Behaim, Andreas Pegnitzer, Vater und Sohn, und viele
andere. Wie in Italien, so waren auch in Deutschland die Be-
ziehungen zwischen Kunst und Handwerk immer inniger geworden.
War die erste Anregung hierzu auch aus Italien gekommen, die groſse
geistige Kraft der Nation bildete die fremden Elemente doch in staunens-
wert kurzer Zeit nach ihren Anschauungen um, und der groſse deutsche
Meister Albrecht Dürer steht mitten im industriellen Gebiete wie
eine eherne Säule da. Er, der Meister im groſsen Stile, nimmt Ein-
fluſs auf die kleinsten Verhältnisse im nationalen Kunstleben; ihm ist
es nicht zu gering, von der Staffelei weg sich an den Tisch zu setzen,
um den Entwurf zu einem Gerät zu machen. Der Kaiser wünscht
1517 eine Zeichnung zu einem silbernen Harnisch, und er zeichnet
einen solchen in allen Einzelheiten. Er ist von dem berühmten
Colman Helmschmied ausgeführt worden und würde, wäre er uns
erhalten geblieben, in künstlerischer Schönheit von keinem der Welt
übertroffen werden, wie uns einige noch vorhandene Skizzen lehren.
Und wie Dürer, so waren auch seine künstlerischen Zeitgenossen
und Nachfolger für das Waffenwesen mit Erfolg thätig. So sehen wir
im Skizzenbuche des Hans Baldung Grün Musterzeichnungen von
Harnischen; so wissen wir, daſs die beiden Burgkmair am Waffen-
wesen, ebenso wie Albrecht Altdorfer mit Entwürfen beteiligt
waren. Auf dekorativem Gebiete ragt in der fränkischen Schule
vor allem A. Aldegrever hervor, der der Ornamentik eine
eigene Richtung gab, und welchen bedeutenden Einfluſs haben nicht
der ältere L. Cranach, Aug. Hirsvogel, Virgil Solis und die
Goldschmiede Jamnitzer auf die Verzierung der Waffen genommen!
Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts trat gegen das mächtige Nürn-
berg eine lebenskräftige Rivalin auf: Augsburg. Von alter Zeit her
war hier eine gute, wenn auch nicht tonangebende Waffenwerkstätte,
aber erst die volkstümliche schwäbische Kunst gab den Anstoſs zu
einer Entwickelung, die Nürnbergs Ruhm bald überholte. Immer
gröſser wurde die Zahl der Plattner der alten Augusta Vindelicorum.
In der vordersten Reihe stehen die Kolman Helmschmied, deren
Thätigkeit sich bis 1440 hinauf verfolgen läſst. Dem ältesten uns be-
kannten Sprossen der Familie, Georg, folgte dessen Sohn Lorenz (gest.
1516), diesem der berühmte Enkel Koloman (gest. 1532) und diesem
wieder dessen Urenkel Desiderius, der die Leistungen selbst der Italiener
in den Schatten stellte. Weiter sind zu nennen der talentvolle Wilhelm
Seusenhofer aus Innsbruck, Matthäus Frauenbrys, Anton
Pfeffenhauser und zahllose andere. Im Geschützgusse ragt vor
allen der Vorarlberger Gregor Löffler hervor, der Augsburg seiner
prächtigen Geschütze halber sprichwörtlich gemacht hat.
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