Zeichnungen fertigte. Hans Bol und Hans Boksberger sind eben- falls durch die genannte Veröffentlichung zu verdientem Ansehen gekommen.
Mit der Einführung des Feuergewehres erstand für Deutschland ein neues Gebiet der Waffenindustrie, auf dem es viele Jahrzehnte den Ton angab. Namentlich war das deutsche oder Radschloss eine Spezialität, in deren Erzeugung selbst die nacheifernden Brescianer es nicht zu höherer Bedeutung zu bringen vermochten. Eigenartig und bewundernswert war auch die Einlagetechnik der deutschen Schäfter, mit der diese in der ganzen Welt den höchsten Ruhm er- warben. Selbst nach der Erfindung des Flintenschlosses hatte Deutsch- land noch namhafte Meister aufzuweisen, die allerdings den heimischen Stil verliessen, wie Armand Bongarde in Düsseldorf, Ulrich Mänz in Braunschweig, S. Hauschka in Wolfenbüttel, J. A. Kuchenreuter in Regensburg u. a. Für die Büchsenmacherei bildete sich damals eine eigene, den Franzosen nachgebildete Kunstlitteratur; wir erwähnen daraus nur der Ausgaben des Peter Schenck in Amsterdam 1692 und des Christof Weigel in Nürnberg.
In den österreichischen Erbländern finden wir eine Waffen- industrie, die bis in das Altertum und an den Beginn der Eisen- periode hinaufreicht. Die römischen Schriftsteller, wie Plinius, be- richten uns von der Güte des norischen Stahles und Tacitus von der dortselbst rege betriebenen Fabrikation von Waffen. Diese In- dustrie scheint selbst unter den Wirren der Völkerwanderung nicht gänzlich zu Grunde gegangen zu sein. Sie stammt keinesfalls von den Römern, sondern von illyrischen Kelten her; wir schliessen dies daraus, dass diesem Volksstamme der Bergbau eigentümlich war und dass der Zug einzelner von den Avaren bedrängter Familien nicht nach Süden, sondern gerade donauaufwärts ging. Die Eisen-, damit auch Waffenindustrie Noricums beschränkte sich nicht auf das heutige Steiermark allein, sie reichte von der Donau bis nach Kärnten und von der Enns, dem Anisus der Alten, bis an die Abdachung des Wienerwaldes und an die Raab. Die hier gefertigten Waffen gingen teils nach Italien und in die pannonischen Landschaften, teils donau- aufwärts, bis die Passauer Werkstätten das nördliche Gebiet für sich gewannen. Während der Periode der Kreuzzüge scheint die stei- rische Waffenindustrie zu grosser Bedeutung und ungemeiner Leistungs- fähigkeit gekommen zu sein. Es ergibt sich das aus dem mächtig zunehmenden Selbstbewusstsein der Korporationen und den allent- halben erlassenen Privilegien im 12. und 13. Jahrhundert. Um diese Zeit mehren sich auch die Werkstätten in den grösseren Städten Böhmens und Ungarns, die den in diesen Ländern nicht unbedeuten- den Ertrag an Eisen und Stahl verarbeiten.
Im Hussitenkriege gelangten einige Bezirke in Böhmen, welche schon im frühen Mittelalter als Eisenindustrie treibend genannt werden,
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
Zeichnungen fertigte. Hans Bol und Hans Boksberger sind eben- falls durch die genannte Veröffentlichung zu verdientem Ansehen gekommen.
Mit der Einführung des Feuergewehres erstand für Deutschland ein neues Gebiet der Waffenindustrie, auf dem es viele Jahrzehnte den Ton angab. Namentlich war das deutsche oder Radschloſs eine Spezialität, in deren Erzeugung selbst die nacheifernden Brescianer es nicht zu höherer Bedeutung zu bringen vermochten. Eigenartig und bewundernswert war auch die Einlagetechnik der deutschen Schäfter, mit der diese in der ganzen Welt den höchsten Ruhm er- warben. Selbst nach der Erfindung des Flintenschlosses hatte Deutsch- land noch namhafte Meister aufzuweisen, die allerdings den heimischen Stil verlieſsen, wie Armand Bongarde in Düsseldorf, Ulrich Mänz in Braunschweig, S. Hauschka in Wolfenbüttel, J. A. Kuchenreuter in Regensburg u. a. Für die Büchsenmacherei bildete sich damals eine eigene, den Franzosen nachgebildete Kunstlitteratur; wir erwähnen daraus nur der Ausgaben des Peter Schenck in Amsterdam 1692 und des Christof Weigel in Nürnberg.
In den österreichischen Erbländern finden wir eine Waffen- industrie, die bis in das Altertum und an den Beginn der Eisen- periode hinaufreicht. Die römischen Schriftsteller, wie Plinius, be- richten uns von der Güte des norischen Stahles und Tacitus von der dortselbst rege betriebenen Fabrikation von Waffen. Diese In- dustrie scheint selbst unter den Wirren der Völkerwanderung nicht gänzlich zu Grunde gegangen zu sein. Sie stammt keinesfalls von den Römern, sondern von illyrischen Kelten her; wir schlieſsen dies daraus, daſs diesem Volksstamme der Bergbau eigentümlich war und daſs der Zug einzelner von den Avaren bedrängter Familien nicht nach Süden, sondern gerade donauaufwärts ging. Die Eisen-, damit auch Waffenindustrie Noricums beschränkte sich nicht auf das heutige Steiermark allein, sie reichte von der Donau bis nach Kärnten und von der Enns, dem Anisus der Alten, bis an die Abdachung des Wienerwaldes und an die Raab. Die hier gefertigten Waffen gingen teils nach Italien und in die pannonischen Landschaften, teils donau- aufwärts, bis die Passauer Werkstätten das nördliche Gebiet für sich gewannen. Während der Periode der Kreuzzüge scheint die stei- rische Waffenindustrie zu groſser Bedeutung und ungemeiner Leistungs- fähigkeit gekommen zu sein. Es ergibt sich das aus dem mächtig zunehmenden Selbstbewuſstsein der Korporationen und den allent- halben erlassenen Privilegien im 12. und 13. Jahrhundert. Um diese Zeit mehren sich auch die Werkstätten in den gröſseren Städten Böhmens und Ungarns, die den in diesen Ländern nicht unbedeuten- den Ertrag an Eisen und Stahl verarbeiten.
Im Hussitenkriege gelangten einige Bezirke in Böhmen, welche schon im frühen Mittelalter als Eisenindustrie treibend genannt werden,
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[615/0633]
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
Zeichnungen fertigte. Hans Bol und Hans Boksberger sind eben-
falls durch die genannte Veröffentlichung zu verdientem Ansehen
gekommen.
Mit der Einführung des Feuergewehres erstand für Deutschland
ein neues Gebiet der Waffenindustrie, auf dem es viele Jahrzehnte
den Ton angab. Namentlich war das deutsche oder Radschloſs eine
Spezialität, in deren Erzeugung selbst die nacheifernden Brescianer
es nicht zu höherer Bedeutung zu bringen vermochten. Eigenartig
und bewundernswert war auch die Einlagetechnik der deutschen
Schäfter, mit der diese in der ganzen Welt den höchsten Ruhm er-
warben. Selbst nach der Erfindung des Flintenschlosses hatte Deutsch-
land noch namhafte Meister aufzuweisen, die allerdings den heimischen
Stil verlieſsen, wie Armand Bongarde in Düsseldorf, Ulrich Mänz
in Braunschweig, S. Hauschka in Wolfenbüttel, J. A. Kuchenreuter
in Regensburg u. a. Für die Büchsenmacherei bildete sich damals
eine eigene, den Franzosen nachgebildete Kunstlitteratur; wir erwähnen
daraus nur der Ausgaben des Peter Schenck in Amsterdam 1692
und des Christof Weigel in Nürnberg.
In den österreichischen Erbländern finden wir eine Waffen-
industrie, die bis in das Altertum und an den Beginn der Eisen-
periode hinaufreicht. Die römischen Schriftsteller, wie Plinius, be-
richten uns von der Güte des norischen Stahles und Tacitus von
der dortselbst rege betriebenen Fabrikation von Waffen. Diese In-
dustrie scheint selbst unter den Wirren der Völkerwanderung nicht
gänzlich zu Grunde gegangen zu sein. Sie stammt keinesfalls von
den Römern, sondern von illyrischen Kelten her; wir schlieſsen dies
daraus, daſs diesem Volksstamme der Bergbau eigentümlich war und
daſs der Zug einzelner von den Avaren bedrängter Familien nicht
nach Süden, sondern gerade donauaufwärts ging. Die Eisen-, damit
auch Waffenindustrie Noricums beschränkte sich nicht auf das heutige
Steiermark allein, sie reichte von der Donau bis nach Kärnten und
von der Enns, dem Anisus der Alten, bis an die Abdachung des
Wienerwaldes und an die Raab. Die hier gefertigten Waffen gingen
teils nach Italien und in die pannonischen Landschaften, teils donau-
aufwärts, bis die Passauer Werkstätten das nördliche Gebiet für sich
gewannen. Während der Periode der Kreuzzüge scheint die stei-
rische Waffenindustrie zu groſser Bedeutung und ungemeiner Leistungs-
fähigkeit gekommen zu sein. Es ergibt sich das aus dem mächtig
zunehmenden Selbstbewuſstsein der Korporationen und den allent-
halben erlassenen Privilegien im 12. und 13. Jahrhundert. Um diese
Zeit mehren sich auch die Werkstätten in den gröſseren Städten
Böhmens und Ungarns, die den in diesen Ländern nicht unbedeuten-
den Ertrag an Eisen und Stahl verarbeiten.
Im Hussitenkriege gelangten einige Bezirke in Böhmen, welche
schon im frühen Mittelalter als Eisenindustrie treibend genannt werden,
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 615. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/633>, abgerufen am 22.11.2024.
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