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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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V. Kunst und Technik im Waffensehmiedwesen.
wie Beraun, Kuttenberg etc., zu vorübergehender Bedeutung. Auch
unter König Podiebrad wurden Versuche gemacht, das Land im
Waffenwesen minder abhängig zu machen; sie scheiterten zumeist an
der unüberwindlichen Konkurrenz Passaus.

So gross die Leistungsfähigkeit der Schmiedewerkstätten im Mittel-
alter auch war, so litten ihre Erzeugnisse doch an dem Gebrechen
der Regellosigkeit der Formen, ein Umstand, der einzelne Herrscher
im 14. Jahrh. veranlasste, auf die Formengebung Einfluss zu nehmen.
Diese durch gesetzliche Vorschriften bewirkte Reform wird freilich
erst im 15. Jahrhundert merkbar. In Tirol ist es Friedrich mit der
leeren Tasche, der eine geregelte einheitliche Bewaffnung seines Kriegs-
volkes anzubahnen versuchte, insofern er den Geschützguss zuerst in
eigene Hände nahm. Sein Nachfolger Sigismund setzte die Be-
mühungen eifrig fort. Er ist als der eigentliche Schöpfer der be-
rühmten Stuckgiesserschule anzusehen, die unter Maximilian I. ihre
grossartige praktische Verwertung fand. Unter Sigismund bildeten
sich Jörg Endorfer, Peter Layminger, Hans Prein, Linhart
Peringer
u. a. Die anderen Waffen wurden je nach dem politischen
Verhältnis aus Italien oder aus Passau bezogen. Mit dem Regie-
rungsantritte Maximilians I. trat im gesamten Kriegswesen der öster-
reichischen Erblande und Deutschlands ein ungeheuerer Umschwung
ein. Dieser Herrscher war es, der zuerst ein vollständiges System
der Bewaffnung ins Leben rief und bei dessen Durchführung auf die
Produktion der Erblande eine möglichst weitgehende Rücksicht nahm.
Jetzt trat die Innsbrucker Giesserei tonangebend mit Meistern hervor,
die an Fähigkeit selbst die Augsburger und Nürnberger überragten;
so Hans Seelos, Stefan Godl, Hans During, und vor allen
Peter Laymingers berühmter Sohn Gregor Löffler. Nicht allein
für das Geschützwesen, auch für die übrigen Angriffswaffen: Spiesse,
Schwerter, Armrüste, später um 1500 auch für die Handfeuerwaffen
wurden bezüglich ihrer Formen Bestimmungen getroffen, die mit der
neugebildeten Heeresorganisation im Einklange standen. Spiesse und
Schwerter kamen aus Leoben, zum Teil auch aus dem Bellunesischen,
Armrüste aus Tirol und dem Donauthale, Hakenbüchsen aus Mürz-
zuschlag
und aus Steyr. Ein bedeutender Nachdruck wurde auf
die Entwickelung des Artilleriezeugwesens gelegt. Unter Kaiser Maxi-
milian I. bildeten die österreichischen Heereseinrichtungen das Muster
für jene aller übrigen Länder, selbst Frankreich nicht ausgenommen.
Maximilian bediente sich zur Durchführung seiner Reformen des
Bartholomäus Freysleben, eines äusserst begabten Mannes, der
als einfacher Schlosser seine Laufbahn begonnen hatte und später
seines organisatorischen Talentes wegen des Kaisers vollstes Vertrauen
genoss. Die wiederholt erwähnten Zeugbücher Maximilians I., eine
wichtige Quelle zur Kenntnis des Waffenwesens am Beginne des
16. Jahrhunderts, sind unter seiner Leitung entstanden. Als ein von

V. Kunst und Technik im Waffensehmiedwesen.
wie Beraun, Kuttenberg etc., zu vorübergehender Bedeutung. Auch
unter König Podiebrad wurden Versuche gemacht, das Land im
Waffenwesen minder abhängig zu machen; sie scheiterten zumeist an
der unüberwindlichen Konkurrenz Passaus.

So groſs die Leistungsfähigkeit der Schmiedewerkstätten im Mittel-
alter auch war, so litten ihre Erzeugnisse doch an dem Gebrechen
der Regellosigkeit der Formen, ein Umstand, der einzelne Herrscher
im 14. Jahrh. veranlaſste, auf die Formengebung Einfluſs zu nehmen.
Diese durch gesetzliche Vorschriften bewirkte Reform wird freilich
erst im 15. Jahrhundert merkbar. In Tirol ist es Friedrich mit der
leeren Tasche, der eine geregelte einheitliche Bewaffnung seines Kriegs-
volkes anzubahnen versuchte, insofern er den Geschützguſs zuerst in
eigene Hände nahm. Sein Nachfolger Sigismund setzte die Be-
mühungen eifrig fort. Er ist als der eigentliche Schöpfer der be-
rühmten Stuckgieſserschule anzusehen, die unter Maximilian I. ihre
groſsartige praktische Verwertung fand. Unter Sigismund bildeten
sich Jörg Endorfer, Peter Layminger, Hans Prein, Linhart
Peringer
u. a. Die anderen Waffen wurden je nach dem politischen
Verhältnis aus Italien oder aus Passau bezogen. Mit dem Regie-
rungsantritte Maximilians I. trat im gesamten Kriegswesen der öster-
reichischen Erblande und Deutschlands ein ungeheuerer Umschwung
ein. Dieser Herrscher war es, der zuerst ein vollständiges System
der Bewaffnung ins Leben rief und bei dessen Durchführung auf die
Produktion der Erblande eine möglichst weitgehende Rücksicht nahm.
Jetzt trat die Innsbrucker Gieſserei tonangebend mit Meistern hervor,
die an Fähigkeit selbst die Augsburger und Nürnberger überragten;
so Hans Seelos, Stefan Godl, Hans During, und vor allen
Peter Laymingers berühmter Sohn Gregor Löffler. Nicht allein
für das Geschützwesen, auch für die übrigen Angriffswaffen: Spieſse,
Schwerter, Armrüste, später um 1500 auch für die Handfeuerwaffen
wurden bezüglich ihrer Formen Bestimmungen getroffen, die mit der
neugebildeten Heeresorganisation im Einklange standen. Spieſse und
Schwerter kamen aus Leoben, zum Teil auch aus dem Bellunesischen,
Armrüste aus Tirol und dem Donauthale, Hakenbüchsen aus Mürz-
zuschlag
und aus Steyr. Ein bedeutender Nachdruck wurde auf
die Entwickelung des Artilleriezeugwesens gelegt. Unter Kaiser Maxi-
milian I. bildeten die österreichischen Heereseinrichtungen das Muster
für jene aller übrigen Länder, selbst Frankreich nicht ausgenommen.
Maximilian bediente sich zur Durchführung seiner Reformen des
Bartholomäus Freysleben, eines äuſserst begabten Mannes, der
als einfacher Schlosser seine Laufbahn begonnen hatte und später
seines organisatorischen Talentes wegen des Kaisers vollstes Vertrauen
genoſs. Die wiederholt erwähnten Zeugbücher Maximilians I., eine
wichtige Quelle zur Kenntnis des Waffenwesens am Beginne des
16. Jahrhunderts, sind unter seiner Leitung entstanden. Als ein von

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[616/0634] V. Kunst und Technik im Waffensehmiedwesen. wie Beraun, Kuttenberg etc., zu vorübergehender Bedeutung. Auch unter König Podiebrad wurden Versuche gemacht, das Land im Waffenwesen minder abhängig zu machen; sie scheiterten zumeist an der unüberwindlichen Konkurrenz Passaus. So groſs die Leistungsfähigkeit der Schmiedewerkstätten im Mittel- alter auch war, so litten ihre Erzeugnisse doch an dem Gebrechen der Regellosigkeit der Formen, ein Umstand, der einzelne Herrscher im 14. Jahrh. veranlaſste, auf die Formengebung Einfluſs zu nehmen. Diese durch gesetzliche Vorschriften bewirkte Reform wird freilich erst im 15. Jahrhundert merkbar. In Tirol ist es Friedrich mit der leeren Tasche, der eine geregelte einheitliche Bewaffnung seines Kriegs- volkes anzubahnen versuchte, insofern er den Geschützguſs zuerst in eigene Hände nahm. Sein Nachfolger Sigismund setzte die Be- mühungen eifrig fort. Er ist als der eigentliche Schöpfer der be- rühmten Stuckgieſserschule anzusehen, die unter Maximilian I. ihre groſsartige praktische Verwertung fand. Unter Sigismund bildeten sich Jörg Endorfer, Peter Layminger, Hans Prein, Linhart Peringer u. a. Die anderen Waffen wurden je nach dem politischen Verhältnis aus Italien oder aus Passau bezogen. Mit dem Regie- rungsantritte Maximilians I. trat im gesamten Kriegswesen der öster- reichischen Erblande und Deutschlands ein ungeheuerer Umschwung ein. Dieser Herrscher war es, der zuerst ein vollständiges System der Bewaffnung ins Leben rief und bei dessen Durchführung auf die Produktion der Erblande eine möglichst weitgehende Rücksicht nahm. Jetzt trat die Innsbrucker Gieſserei tonangebend mit Meistern hervor, die an Fähigkeit selbst die Augsburger und Nürnberger überragten; so Hans Seelos, Stefan Godl, Hans During, und vor allen Peter Laymingers berühmter Sohn Gregor Löffler. Nicht allein für das Geschützwesen, auch für die übrigen Angriffswaffen: Spieſse, Schwerter, Armrüste, später um 1500 auch für die Handfeuerwaffen wurden bezüglich ihrer Formen Bestimmungen getroffen, die mit der neugebildeten Heeresorganisation im Einklange standen. Spieſse und Schwerter kamen aus Leoben, zum Teil auch aus dem Bellunesischen, Armrüste aus Tirol und dem Donauthale, Hakenbüchsen aus Mürz- zuschlag und aus Steyr. Ein bedeutender Nachdruck wurde auf die Entwickelung des Artilleriezeugwesens gelegt. Unter Kaiser Maxi- milian I. bildeten die österreichischen Heereseinrichtungen das Muster für jene aller übrigen Länder, selbst Frankreich nicht ausgenommen. Maximilian bediente sich zur Durchführung seiner Reformen des Bartholomäus Freysleben, eines äuſserst begabten Mannes, der als einfacher Schlosser seine Laufbahn begonnen hatte und später seines organisatorischen Talentes wegen des Kaisers vollstes Vertrauen genoſs. Die wiederholt erwähnten Zeugbücher Maximilians I., eine wichtige Quelle zur Kenntnis des Waffenwesens am Beginne des 16. Jahrhunderts, sind unter seiner Leitung entstanden. Als ein von

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/634>, abgerufen am 22.11.2024.