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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
dem Kaiser für Waffenentwürfe beschäftigter Künstler wird uns der
Briefmaler Nicolaus Glockendon genannt.

Das österreichische Plattnerwesen hatte, wie die Giesskunst, ihre
Heimstätte in Tirol. Als der vollständige Plattenharnisch üblich
wurde, arbeitete zu Innsbruck die Plattnerfamilie Treytz; sie lieferte
ausgezeichnete Harnische, die weit und breit begehrt wurden. Die
tirolische Plattnerei scheint aus der mailändischen Schule erwachsen
zu sein. In der Treytzschen Werkstätte bildete sich der mit Recht
berühmte Hans Seusenhofer, der Harnischmeister Maximilians I.
Ihm folgte zu Innsbruck dessen Sohn Jörg Seusenhofer, ein Bruder
Jörgs war der berühmte Wilhelm dieses Namens zu Augsburg, dessen
wir bereits gedacht haben.

Unter Ferdinand I. nahm die Bedeutung der speziell österreichi-
schen Waffenindustrie etwas ab, wenigstens werden für den Bedarf
an Waffen die Industrien in den Reichslanden, wie Augsburg, Passau,
ferner Mailand, Brescia, und selbst in Spanien mehr in Anspruch
genommen. Ungarisch-orientalische Formen beeinflussten damals mehr
und mehr das deutsche Waffenwesen; von hier aus gehen sie auch
auf italienische Werkstätten über. Deutsche Ätzmaler, die Zischäggen,
Säbelscheiden etc. mit ihren charakteristischen Renaissanceornamenten
verzierten, versuchen nicht selten auch den orientalischen Stil nach-
zuahmen, was ihnen manchmal wunderbar gelingt. Am Ende des
16. Jahrhunderts und das ganze 17. Jahrhundert hindurch sind geätzte
Schwertklingen auch bei Jagdschwertern sehr beliebt gewesen. Im
letzteren Jahrhundert bildete sich für die Klingenätzung eine eigene
bäuerliche Industrie im Algäu, in dem Schwarz- und dem Bregenzer-
walde heraus, die zwar rohe aber äusserst charakteristische Erzeugnisse
zu Tage förderte. Ferdinand I. gründete 1558 die heute noch immer
ansehnliche Feuergewehrindustrie zu Ferlach in Kärnten. Er berief
hierzu Arbeiter aus den Niederlanden. Das Eisen zur Fertigung der
Läufe wurde aus der nächsten Umgebung bezogen, wie auch die
Bohrungen am Orte selbst vorgenommen wurden. Ihre Berühmtheit
verdankt sie den ausserordentlich präzisen Montierungen. Unter Kaiser
Rudolf wurden die italienischen Industriestädte für Waffen sehr in
Anspruch genommen, aber auch Passau arbeitet viel für den Kur-
fürsten Maximilian von Bayern. Von etwa 1600 an hebt sich in den
österreichischen Erblanden die Fabrikation von Feuergewehren. Im
Jahre 1657 gründete Kaiser Ferdinand III. die später zu bedeuten-
dem Ansehen gelangte Feuergewehrfabrik zu Wiener Neustadt, deren
erste Arbeiter gleichfalls Niederländer waren. Sie wurde indes um
1750 wieder aufgegeben. In Tirol, in Böhmen erstehen ausgezeich-
nete Meister für geschnitzte und eingelegte deutsche Schäfte, für Rad-
schlösser etc. Später treten auf diesem Gebiete die Wiener Meister
hervor, die ersichtlich im Kontakte mit den Augsburgern stehen, aber
auch Brescianer Eisenarbeit zu erreichen streben. All diesen Be-

V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
dem Kaiser für Waffenentwürfe beschäftigter Künstler wird uns der
Briefmaler Nicolaus Glockendon genannt.

Das österreichische Plattnerwesen hatte, wie die Gieſskunst, ihre
Heimstätte in Tirol. Als der vollständige Plattenharnisch üblich
wurde, arbeitete zu Innsbruck die Plattnerfamilie Treytz; sie lieferte
ausgezeichnete Harnische, die weit und breit begehrt wurden. Die
tirolische Plattnerei scheint aus der mailändischen Schule erwachsen
zu sein. In der Treytzschen Werkstätte bildete sich der mit Recht
berühmte Hans Seusenhofer, der Harnischmeister Maximilians I.
Ihm folgte zu Innsbruck dessen Sohn Jörg Seusenhofer, ein Bruder
Jörgs war der berühmte Wilhelm dieses Namens zu Augsburg, dessen
wir bereits gedacht haben.

Unter Ferdinand I. nahm die Bedeutung der speziell österreichi-
schen Waffenindustrie etwas ab, wenigstens werden für den Bedarf
an Waffen die Industrien in den Reichslanden, wie Augsburg, Passau,
ferner Mailand, Brescia, und selbst in Spanien mehr in Anspruch
genommen. Ungarisch-orientalische Formen beeinfluſsten damals mehr
und mehr das deutsche Waffenwesen; von hier aus gehen sie auch
auf italienische Werkstätten über. Deutsche Ätzmaler, die Zischäggen,
Säbelscheiden etc. mit ihren charakteristischen Renaissanceornamenten
verzierten, versuchen nicht selten auch den orientalischen Stil nach-
zuahmen, was ihnen manchmal wunderbar gelingt. Am Ende des
16. Jahrhunderts und das ganze 17. Jahrhundert hindurch sind geätzte
Schwertklingen auch bei Jagdschwertern sehr beliebt gewesen. Im
letzteren Jahrhundert bildete sich für die Klingenätzung eine eigene
bäuerliche Industrie im Algäu, in dem Schwarz- und dem Bregenzer-
walde heraus, die zwar rohe aber äuſserst charakteristische Erzeugnisse
zu Tage förderte. Ferdinand I. gründete 1558 die heute noch immer
ansehnliche Feuergewehrindustrie zu Ferlach in Kärnten. Er berief
hierzu Arbeiter aus den Niederlanden. Das Eisen zur Fertigung der
Läufe wurde aus der nächsten Umgebung bezogen, wie auch die
Bohrungen am Orte selbst vorgenommen wurden. Ihre Berühmtheit
verdankt sie den auſserordentlich präzisen Montierungen. Unter Kaiser
Rudolf wurden die italienischen Industriestädte für Waffen sehr in
Anspruch genommen, aber auch Passau arbeitet viel für den Kur-
fürsten Maximilian von Bayern. Von etwa 1600 an hebt sich in den
österreichischen Erblanden die Fabrikation von Feuergewehren. Im
Jahre 1657 gründete Kaiser Ferdinand III. die später zu bedeuten-
dem Ansehen gelangte Feuergewehrfabrik zu Wiener Neustadt, deren
erste Arbeiter gleichfalls Niederländer waren. Sie wurde indes um
1750 wieder aufgegeben. In Tirol, in Böhmen erstehen ausgezeich-
nete Meister für geschnitzte und eingelegte deutsche Schäfte, für Rad-
schlösser etc. Später treten auf diesem Gebiete die Wiener Meister
hervor, die ersichtlich im Kontakte mit den Augsburgern stehen, aber
auch Brescianer Eisenarbeit zu erreichen streben. All diesen Be-

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[617/0635] V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen. dem Kaiser für Waffenentwürfe beschäftigter Künstler wird uns der Briefmaler Nicolaus Glockendon genannt. Das österreichische Plattnerwesen hatte, wie die Gieſskunst, ihre Heimstätte in Tirol. Als der vollständige Plattenharnisch üblich wurde, arbeitete zu Innsbruck die Plattnerfamilie Treytz; sie lieferte ausgezeichnete Harnische, die weit und breit begehrt wurden. Die tirolische Plattnerei scheint aus der mailändischen Schule erwachsen zu sein. In der Treytzschen Werkstätte bildete sich der mit Recht berühmte Hans Seusenhofer, der Harnischmeister Maximilians I. Ihm folgte zu Innsbruck dessen Sohn Jörg Seusenhofer, ein Bruder Jörgs war der berühmte Wilhelm dieses Namens zu Augsburg, dessen wir bereits gedacht haben. Unter Ferdinand I. nahm die Bedeutung der speziell österreichi- schen Waffenindustrie etwas ab, wenigstens werden für den Bedarf an Waffen die Industrien in den Reichslanden, wie Augsburg, Passau, ferner Mailand, Brescia, und selbst in Spanien mehr in Anspruch genommen. Ungarisch-orientalische Formen beeinfluſsten damals mehr und mehr das deutsche Waffenwesen; von hier aus gehen sie auch auf italienische Werkstätten über. Deutsche Ätzmaler, die Zischäggen, Säbelscheiden etc. mit ihren charakteristischen Renaissanceornamenten verzierten, versuchen nicht selten auch den orientalischen Stil nach- zuahmen, was ihnen manchmal wunderbar gelingt. Am Ende des 16. Jahrhunderts und das ganze 17. Jahrhundert hindurch sind geätzte Schwertklingen auch bei Jagdschwertern sehr beliebt gewesen. Im letzteren Jahrhundert bildete sich für die Klingenätzung eine eigene bäuerliche Industrie im Algäu, in dem Schwarz- und dem Bregenzer- walde heraus, die zwar rohe aber äuſserst charakteristische Erzeugnisse zu Tage förderte. Ferdinand I. gründete 1558 die heute noch immer ansehnliche Feuergewehrindustrie zu Ferlach in Kärnten. Er berief hierzu Arbeiter aus den Niederlanden. Das Eisen zur Fertigung der Läufe wurde aus der nächsten Umgebung bezogen, wie auch die Bohrungen am Orte selbst vorgenommen wurden. Ihre Berühmtheit verdankt sie den auſserordentlich präzisen Montierungen. Unter Kaiser Rudolf wurden die italienischen Industriestädte für Waffen sehr in Anspruch genommen, aber auch Passau arbeitet viel für den Kur- fürsten Maximilian von Bayern. Von etwa 1600 an hebt sich in den österreichischen Erblanden die Fabrikation von Feuergewehren. Im Jahre 1657 gründete Kaiser Ferdinand III. die später zu bedeuten- dem Ansehen gelangte Feuergewehrfabrik zu Wiener Neustadt, deren erste Arbeiter gleichfalls Niederländer waren. Sie wurde indes um 1750 wieder aufgegeben. In Tirol, in Böhmen erstehen ausgezeich- nete Meister für geschnitzte und eingelegte deutsche Schäfte, für Rad- schlösser etc. Später treten auf diesem Gebiete die Wiener Meister hervor, die ersichtlich im Kontakte mit den Augsburgern stehen, aber auch Brescianer Eisenarbeit zu erreichen streben. All diesen Be-

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/635>, abgerufen am 22.11.2024.