barsten Schätze Indiens und Persiens sich sammelten. Wer ein kost- bares Schwert erwerben wollte, zog nach Damaskus. Seine Klingen sind bis zum heutigen Tage sprichwörtlich geworden, und wenn auch nicht alle dort gekauften Klingen aus dieser Stadt selbst, ja die besten aus Persien und Tiflis stammten, so zählte man dort doch hochbe- rühmte Klingenschmiede. Die ersten und reichsten Tausiaarbeiten kamen aus Indien und Siam, wurden aber, da sie zuerst von dem ungeheuren Bazar von Damaskus aus in die Welt gelangten, durch- weg als Damaszenerarbeiten berühmt. In der Periode der Kreuzzüge, wo ein Massenbedarf an Waffen eingetreten war, entwickelte sich die quantitative Leistungsfähigkeit der Industrie in Damaskus selbst so grossartig, dass sie die persische und armenische Ware allmählich völlig verdrängte, obwohl diese die einheimischen Erzeugnisse an Güte überragten. Wiederholt wurden bei der Eroberung der Stadt die Eisenarbeiter von den Siegern fortgeführt, so von Nebukadnezar, und noch am Ende des 14. Jahrhunderts auch von Timur-Leng.
Eigentümlich hat sich die Waffenschmiedekunst unter den Arabern entwickelt. Die Araber waren vorwiegend ein Wandervolk, ihre ein- zigen Ansiedelungen am Roten Meere aber sind uralt. Schon 3000 v. Chr. erkämpften sie sich die Bergwerke am Sinai, und der dort sich entwickelnde Bergbau fand eine ungemeine Unterstützung in der Neigung des Arabers zur Handelsthätigkeit. Vom Sinai, aus Usal, dem heutigen Sanaa, gelangten die aus feinstem Stahl gearbeiteten Waffen nach Tyrus und von da nach Europa.
Die arabischen Waffenschmiede waren nirgends sesshaft; sie wanderten unter den nomadischen Stämmen herum und hatten die Gewohnheit, dass sie, an einem Orte angelangt, den Tag ihrer Weiter- reise nie angaben, weshalb man sich auf ihre Beteuerungen nie ver- lassen konnte. Ihre Unzuverlässigkeit wurde darum sprichwörtlich. Die berühmtesten arabischen Schwerter waren die Hanifitischen, von ihrem Meister Alhanaf-ben-Kais so genannt. Auch die Klingen des Waffenschmiedes Soraidj werden in den Schriften mit grosser Verehrung erwähnt. Nicht weniger berühmt waren die arabischen Ringpanzer, die nicht selten eigene Namen trugen. Die besten Ring- panzer kamen aus Soluk in Jemen. Zweifelsohne hat zur Entwicke- lung der arabischen Waffenschmiedekunst persischer Einfluss beige- tragen.
Die eigentliche Kunsttechnik der Inder, Perser und Araber er- streckte sich hauptsächlich auf die Tausia, das Niello und die Schnitzerei. Die Entwickelung des Stiles war, wie überhaupt im Oriente, durch die religiösen Satzungen beeinflusst, die ihr einen nur sehr schmalen Weg übrigliessen. Die Inder vermeiden figürliche Darstellungen, unter denen sie immer nur Göttergestalten verstanden, auf profanen Gegenständen. Den Arabern verbietet das mohammedanische Gesetz geradezu die Nachbildung der menschlichen Gestalt und der Tierwelt. Ohne
V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
barsten Schätze Indiens und Persiens sich sammelten. Wer ein kost- bares Schwert erwerben wollte, zog nach Damaskus. Seine Klingen sind bis zum heutigen Tage sprichwörtlich geworden, und wenn auch nicht alle dort gekauften Klingen aus dieser Stadt selbst, ja die besten aus Persien und Tiflis stammten, so zählte man dort doch hochbe- rühmte Klingenschmiede. Die ersten und reichsten Tausiaarbeiten kamen aus Indien und Siam, wurden aber, da sie zuerst von dem ungeheuren Bazar von Damaskus aus in die Welt gelangten, durch- weg als Damaszenerarbeiten berühmt. In der Periode der Kreuzzüge, wo ein Massenbedarf an Waffen eingetreten war, entwickelte sich die quantitative Leistungsfähigkeit der Industrie in Damaskus selbst so groſsartig, daſs sie die persische und armenische Ware allmählich völlig verdrängte, obwohl diese die einheimischen Erzeugnisse an Güte überragten. Wiederholt wurden bei der Eroberung der Stadt die Eisenarbeiter von den Siegern fortgeführt, so von Nebukadnezar, und noch am Ende des 14. Jahrhunderts auch von Timur-Leng.
Eigentümlich hat sich die Waffenschmiedekunst unter den Arabern entwickelt. Die Araber waren vorwiegend ein Wandervolk, ihre ein- zigen Ansiedelungen am Roten Meere aber sind uralt. Schon 3000 v. Chr. erkämpften sie sich die Bergwerke am Sinai, und der dort sich entwickelnde Bergbau fand eine ungemeine Unterstützung in der Neigung des Arabers zur Handelsthätigkeit. Vom Sinai, aus Usal, dem heutigen Sanaa, gelangten die aus feinstem Stahl gearbeiteten Waffen nach Tyrus und von da nach Europa.
Die arabischen Waffenschmiede waren nirgends seſshaft; sie wanderten unter den nomadischen Stämmen herum und hatten die Gewohnheit, daſs sie, an einem Orte angelangt, den Tag ihrer Weiter- reise nie angaben, weshalb man sich auf ihre Beteuerungen nie ver- lassen konnte. Ihre Unzuverlässigkeit wurde darum sprichwörtlich. Die berühmtesten arabischen Schwerter waren die Hanifitischen, von ihrem Meister Alhanaf-ben-Kais so genannt. Auch die Klingen des Waffenschmiedes Soraidj werden in den Schriften mit groſser Verehrung erwähnt. Nicht weniger berühmt waren die arabischen Ringpanzer, die nicht selten eigene Namen trugen. Die besten Ring- panzer kamen aus Soluk in Jemen. Zweifelsohne hat zur Entwicke- lung der arabischen Waffenschmiedekunst persischer Einfluſs beige- tragen.
Die eigentliche Kunsttechnik der Inder, Perser und Araber er- streckte sich hauptsächlich auf die Tausia, das Niello und die Schnitzerei. Die Entwickelung des Stiles war, wie überhaupt im Oriente, durch die religiösen Satzungen beeinfluſst, die ihr einen nur sehr schmalen Weg übriglieſsen. Die Inder vermeiden figürliche Darstellungen, unter denen sie immer nur Göttergestalten verstanden, auf profanen Gegenständen. Den Arabern verbietet das mohammedanische Gesetz geradezu die Nachbildung der menschlichen Gestalt und der Tierwelt. Ohne
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V. Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen.
barsten Schätze Indiens und Persiens sich sammelten. Wer ein kost-
bares Schwert erwerben wollte, zog nach Damaskus. Seine Klingen
sind bis zum heutigen Tage sprichwörtlich geworden, und wenn auch
nicht alle dort gekauften Klingen aus dieser Stadt selbst, ja die besten
aus Persien und Tiflis stammten, so zählte man dort doch hochbe-
rühmte Klingenschmiede. Die ersten und reichsten Tausiaarbeiten
kamen aus Indien und Siam, wurden aber, da sie zuerst von dem
ungeheuren Bazar von Damaskus aus in die Welt gelangten, durch-
weg als Damaszenerarbeiten berühmt. In der Periode der Kreuzzüge,
wo ein Massenbedarf an Waffen eingetreten war, entwickelte sich die
quantitative Leistungsfähigkeit der Industrie in Damaskus selbst so
groſsartig, daſs sie die persische und armenische Ware allmählich
völlig verdrängte, obwohl diese die einheimischen Erzeugnisse an
Güte überragten. Wiederholt wurden bei der Eroberung der Stadt
die Eisenarbeiter von den Siegern fortgeführt, so von Nebukadnezar,
und noch am Ende des 14. Jahrhunderts auch von Timur-Leng.
Eigentümlich hat sich die Waffenschmiedekunst unter den Arabern
entwickelt. Die Araber waren vorwiegend ein Wandervolk, ihre ein-
zigen Ansiedelungen am Roten Meere aber sind uralt. Schon 3000
v. Chr. erkämpften sie sich die Bergwerke am Sinai, und der dort
sich entwickelnde Bergbau fand eine ungemeine Unterstützung in der
Neigung des Arabers zur Handelsthätigkeit. Vom Sinai, aus Usal,
dem heutigen Sanaa, gelangten die aus feinstem Stahl gearbeiteten
Waffen nach Tyrus und von da nach Europa.
Die arabischen Waffenschmiede waren nirgends seſshaft; sie
wanderten unter den nomadischen Stämmen herum und hatten die
Gewohnheit, daſs sie, an einem Orte angelangt, den Tag ihrer Weiter-
reise nie angaben, weshalb man sich auf ihre Beteuerungen nie ver-
lassen konnte. Ihre Unzuverlässigkeit wurde darum sprichwörtlich.
Die berühmtesten arabischen Schwerter waren die Hanifitischen, von
ihrem Meister Alhanaf-ben-Kais so genannt. Auch die Klingen
des Waffenschmiedes Soraidj werden in den Schriften mit groſser
Verehrung erwähnt. Nicht weniger berühmt waren die arabischen
Ringpanzer, die nicht selten eigene Namen trugen. Die besten Ring-
panzer kamen aus Soluk in Jemen. Zweifelsohne hat zur Entwicke-
lung der arabischen Waffenschmiedekunst persischer Einfluſs beige-
tragen.
Die eigentliche Kunsttechnik der Inder, Perser und Araber er-
streckte sich hauptsächlich auf die Tausia, das Niello und die Schnitzerei.
Die Entwickelung des Stiles war, wie überhaupt im Oriente, durch die
religiösen Satzungen beeinfluſst, die ihr einen nur sehr schmalen Weg
übriglieſsen. Die Inder vermeiden figürliche Darstellungen, unter denen
sie immer nur Göttergestalten verstanden, auf profanen Gegenständen.
Den Arabern verbietet das mohammedanische Gesetz geradezu die
Nachbildung der menschlichen Gestalt und der Tierwelt. Ohne
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 619. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/637>, abgerufen am 22.11.2024.
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