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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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"Von Gott dem Vater stammt Natur,
Das allerliebste Frauenbild;
Des Menschen Geist, ihr auf der Spur,
Ein treuer Werber fand sie mild.
Sie liebten sich nicht unfruchtbar:
Ein Kind entsprang von hohem Sinn.
So ist uns allen offenbar:
Naturphilosophie sei Gottes Enkelin."
Goethe
nach Dantes Inferno canto XI. 98.
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Urzeugung!

Wenn du ein gewöhnliches Lehrbuch auf die Rubrik
"Zeugung" hin nachschlägst, so findest du zumeist eine doppelte
Definition. Zuerst die echte Zeugung, also die, der du selbst
dein Dasein verdankst. Dann die Urzeugung. Der Paragraph
pflegt dir hinzuzusetzen, daß die letztere von Menschenaugen
noch niemals beobachtet worden sei, also im aktuellen Sinn
überhaupt nicht vorkomme. Je nach dem Maße seiner dar¬
winistischen Färbung schränkt das Buch dir das aber offen oder
zaghaft wieder dahin ein, es müsse Urzeugung geschichtlich
wenigstens einmal existiert haben: für den Anfang alles Lebens
überhaupt.

Mir summt, wenn ich solchen Paragraphen lese, immer
ganz leise etwas im Ohr von der famosen Antwort des
Kandidaten Jobs:

"Eine gute Predigt hat zwei Teile,
Den einen Teil niemand verstehen kann,
Den andern Teil aber verstehet man."

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„Von Gott dem Vater ſtammt Natur,
Das allerliebſte Frauenbild;
Des Menſchen Geiſt, ihr auf der Spur,
Ein treuer Werber fand ſie mild.
Sie liebten ſich nicht unfruchtbar:
Ein Kind entſprang von hohem Sinn.
So iſt uns allen offenbar:
Naturphiloſophie ſei Gottes Enkelin.“
Goethe
nach Dantes Inferno canto XI. 98.
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Urzeugung!

Wenn du ein gewöhnliches Lehrbuch auf die Rubrik
„Zeugung“ hin nachſchlägſt, ſo findeſt du zumeiſt eine doppelte
Definition. Zuerſt die echte Zeugung, alſo die, der du ſelbſt
dein Daſein verdankſt. Dann die Urzeugung. Der Paragraph
pflegt dir hinzuzuſetzen, daß die letztere von Menſchenaugen
noch niemals beobachtet worden ſei, alſo im aktuellen Sinn
überhaupt nicht vorkomme. Je nach dem Maße ſeiner dar¬
winiſtiſchen Färbung ſchränkt das Buch dir das aber offen oder
zaghaft wieder dahin ein, es müſſe Urzeugung geſchichtlich
wenigſtens einmal exiſtiert haben: für den Anfang alles Lebens
überhaupt.

Mir ſummt, wenn ich ſolchen Paragraphen leſe, immer
ganz leiſe etwas im Ohr von der famoſen Antwort des
Kandidaten Jobs:

„Eine gute Predigt hat zwei Teile,
Den einen Teil niemand verſtehen kann,
Den andern Teil aber verſtehet man.“
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[104/0120] [Abbildung] „Von Gott dem Vater ſtammt Natur, Das allerliebſte Frauenbild; Des Menſchen Geiſt, ihr auf der Spur, Ein treuer Werber fand ſie mild. Sie liebten ſich nicht unfruchtbar: Ein Kind entſprang von hohem Sinn. So iſt uns allen offenbar: Naturphiloſophie ſei Gottes Enkelin.“ Goethe nach Dantes Inferno canto XI. 98. [Abbildung] Urzeugung! Wenn du ein gewöhnliches Lehrbuch auf die Rubrik „Zeugung“ hin nachſchlägſt, ſo findeſt du zumeiſt eine doppelte Definition. Zuerſt die echte Zeugung, alſo die, der du ſelbſt dein Daſein verdankſt. Dann die Urzeugung. Der Paragraph pflegt dir hinzuzuſetzen, daß die letztere von Menſchenaugen noch niemals beobachtet worden ſei, alſo im aktuellen Sinn überhaupt nicht vorkomme. Je nach dem Maße ſeiner dar¬ winiſtiſchen Färbung ſchränkt das Buch dir das aber offen oder zaghaft wieder dahin ein, es müſſe Urzeugung geſchichtlich wenigſtens einmal exiſtiert haben: für den Anfang alles Lebens überhaupt. Mir ſummt, wenn ich ſolchen Paragraphen leſe, immer ganz leiſe etwas im Ohr von der famoſen Antwort des Kandidaten Jobs: „Eine gute Predigt hat zwei Teile, Den einen Teil niemand verſtehen kann, Den andern Teil aber verſtehet man.“

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/120>, abgerufen am 25.11.2024.