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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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einerlei ob nun klein oder groß, gleich oder ungleich, über¬
haupt lebendig ineinander fließen können? Welche "Sympathie"
tritt hier plötzlich in Wirkung, die lebendige Zellen zusammen¬
schießen läßt wie Atome zweier Grundstoffe bei der Bildung
einer chemischen Verbindung? Das wissen wir halt nicht.
Aber du mußt dir immer klar machen: wir wissen auch inner¬
lich nicht, warum Stoffwechsel in der Zelle nötig wird, warum
Ausscheidung und Neuaufnahme, Fressen und sein Gegenteil,
warum Wachsen und Selbstteilen stattfinden. Man hat auch
bei diesem Vorgang der lebendigen Verschmelzung zweier Zellen
im allgemeinen ja den Eindruck, daß auch hier nur eine Art
positiver Fortsetzung oder Umbildung eines jener anderen Vor¬
gänge sichtbar werde. Ich sagte dir schon: die einfachsten
Ereignisse im Zellenleben beruhen offenbar auf dem einfachen
Stoffwechsel, -- es sind: Nahrungsaufnahme (Fressen) zum
Zweck der Ergänzung des unbrauchbar gewordenen Zellstoffes, --
und Ausscheidung zum Zweck der Entfernung dieser unbrauch¬
baren Stoffe sowie der unverarbeitbaren Aufnahmeteile. Dazu
tritt dann als positive Erweiterung der einfachen Ergänzung
das Wachstum, -- und dieses Wachstum scheint wieder eine
Art positiver Form einer höheren, lebendigen Ausscheidung
hervorzurufen: die Fortpflanzung durch Selbstteilung oder
wenigstens durch Ablösung einer Knospe. Nun könntest du das
ohne Mühe noch wieder weiter treiben und sagen: wie das
einfache Fressen immerzu ersetzen muß, was mit der Aus¬
scheidung verloren geht, so muß unter Umständen auch eine be¬
sondere neue Art Fressen
das Manko ersetzen, das bei einer
allzu lebhaften Ausscheidung durch Fortpflanzung erzeugt wird.
Da die Fortpflanzung aber eine "lebendige Ausscheidung" ist,
muß hier auch ein "lebendiges" Fressen stattfinden -- das
heißt: es muß lebendiger Stoff als solcher in die lebendige
Zelle überströmen. Willst du es ganz grob ausdrücken, so
käme etwa heraus: der Vorgang des Kinderkriegens ist bloß
eine höhere Form der Abscheidung eines Exkrements; und die

einerlei ob nun klein oder groß, gleich oder ungleich, über¬
haupt lebendig ineinander fließen können? Welche „Sympathie“
tritt hier plötzlich in Wirkung, die lebendige Zellen zuſammen¬
ſchießen läßt wie Atome zweier Grundſtoffe bei der Bildung
einer chemiſchen Verbindung? Das wiſſen wir halt nicht.
Aber du mußt dir immer klar machen: wir wiſſen auch inner¬
lich nicht, warum Stoffwechſel in der Zelle nötig wird, warum
Ausſcheidung und Neuaufnahme, Freſſen und ſein Gegenteil,
warum Wachſen und Selbſtteilen ſtattfinden. Man hat auch
bei dieſem Vorgang der lebendigen Verſchmelzung zweier Zellen
im allgemeinen ja den Eindruck, daß auch hier nur eine Art
poſitiver Fortſetzung oder Umbildung eines jener anderen Vor¬
gänge ſichtbar werde. Ich ſagte dir ſchon: die einfachſten
Ereigniſſe im Zellenleben beruhen offenbar auf dem einfachen
Stoffwechſel, — es ſind: Nahrungsaufnahme (Freſſen) zum
Zweck der Ergänzung des unbrauchbar gewordenen Zellſtoffes, —
und Ausſcheidung zum Zweck der Entfernung dieſer unbrauch¬
baren Stoffe ſowie der unverarbeitbaren Aufnahmeteile. Dazu
tritt dann als poſitive Erweiterung der einfachen Ergänzung
das Wachstum, — und dieſes Wachstum ſcheint wieder eine
Art poſitiver Form einer höheren, lebendigen Ausſcheidung
hervorzurufen: die Fortpflanzung durch Selbſtteilung oder
wenigſtens durch Ablöſung einer Knoſpe. Nun könnteſt du das
ohne Mühe noch wieder weiter treiben und ſagen: wie das
einfache Freſſen immerzu erſetzen muß, was mit der Aus¬
ſcheidung verloren geht, ſo muß unter Umſtänden auch eine be¬
ſondere neue Art Freſſen
das Manko erſetzen, das bei einer
allzu lebhaften Ausſcheidung durch Fortpflanzung erzeugt wird.
Da die Fortpflanzung aber eine „lebendige Ausſcheidung“ iſt,
muß hier auch ein „lebendiges“ Freſſen ſtattfinden — das
heißt: es muß lebendiger Stoff als ſolcher in die lebendige
Zelle überſtrömen. Willſt du es ganz grob ausdrücken, ſo
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[150/0166] einerlei ob nun klein oder groß, gleich oder ungleich, über¬ haupt lebendig ineinander fließen können? Welche „Sympathie“ tritt hier plötzlich in Wirkung, die lebendige Zellen zuſammen¬ ſchießen läßt wie Atome zweier Grundſtoffe bei der Bildung einer chemiſchen Verbindung? Das wiſſen wir halt nicht. Aber du mußt dir immer klar machen: wir wiſſen auch inner¬ lich nicht, warum Stoffwechſel in der Zelle nötig wird, warum Ausſcheidung und Neuaufnahme, Freſſen und ſein Gegenteil, warum Wachſen und Selbſtteilen ſtattfinden. Man hat auch bei dieſem Vorgang der lebendigen Verſchmelzung zweier Zellen im allgemeinen ja den Eindruck, daß auch hier nur eine Art poſitiver Fortſetzung oder Umbildung eines jener anderen Vor¬ gänge ſichtbar werde. Ich ſagte dir ſchon: die einfachſten Ereigniſſe im Zellenleben beruhen offenbar auf dem einfachen Stoffwechſel, — es ſind: Nahrungsaufnahme (Freſſen) zum Zweck der Ergänzung des unbrauchbar gewordenen Zellſtoffes, — und Ausſcheidung zum Zweck der Entfernung dieſer unbrauch¬ baren Stoffe ſowie der unverarbeitbaren Aufnahmeteile. Dazu tritt dann als poſitive Erweiterung der einfachen Ergänzung das Wachstum, — und dieſes Wachstum ſcheint wieder eine Art poſitiver Form einer höheren, lebendigen Ausſcheidung hervorzurufen: die Fortpflanzung durch Selbſtteilung oder wenigſtens durch Ablöſung einer Knoſpe. Nun könnteſt du das ohne Mühe noch wieder weiter treiben und ſagen: wie das einfache Freſſen immerzu erſetzen muß, was mit der Aus¬ ſcheidung verloren geht, ſo muß unter Umſtänden auch eine be¬ ſondere neue Art Freſſen das Manko erſetzen, das bei einer allzu lebhaften Ausſcheidung durch Fortpflanzung erzeugt wird. Da die Fortpflanzung aber eine „lebendige Ausſcheidung“ iſt, muß hier auch ein „lebendiges“ Freſſen ſtattfinden — das heißt: es muß lebendiger Stoff als ſolcher in die lebendige Zelle überſtrömen. Willſt du es ganz grob ausdrücken, ſo käme etwa heraus: der Vorgang des Kinderkriegens iſt bloß eine höhere Form der Abſcheidung eines Exkrements; und die

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/166>, abgerufen am 21.11.2024.