Auf der Höhe des Kaps, von den Seeklippen getrennt durch eine offene sonnendurchglühte Berglehne, an der blühende Ginsterbüsche wie goldene Kugeln hängen und über die der violette Thymian seinen heißen, staubigen Duft streut, liegt ein einsames Kirchlein mit weißgelber Wand und blaßrotem Dach: die Madonna della Guardia.
Ein Regiment alter Cypressen wacht darum her, in diese weltentrückte Offenbarung heller, im Glast zerfließender Farben hineingepflanzt wie schwarze Rabenfedern des Schicksals, reglos auf ihren bleichen Spulen vor der unendlichen blauen Fern¬ sicht, über dem glühenden gelben Fels. Nächst der Kirche steht eine ebenso schlichte Osteria, schneeweiß mit grasgrünen Läden. Ein paar wackelige Tische und ein guter Tropfen Landwein. Ein Feigenbaum, jetzt im April erst mit ganz jungen grünen Sprossen, die überall wie zarte Polypen¬ fingerchen aus dem dicken grauen Geäst langen, biegt sich vom Abhang herzu.
Hier ist gut sein.
Der Blick schweift vom blendenden Meeresblau fort in die Thäler, auf die Hügel landeinwärts. In smaragdenen Wiesenterrassen, denen der üppig blühende Löwenzahn einen leisen Goldton giebt, überall zerstreut wie stumpfe silberne Wolken die Kronen der Ölbäume. Ein naher einzelner alter windverwunschener Olivenstamm reckt sich über einer Kante gerade vor den Himmelsazur als bald dunkle, bald im Wechselspiel der hellen Blattunterseiten silberig aufflimmernde Silhouette, -- so klassisch edel in der Form wie von einem Künstlerauge er¬ dacht. Fern, wo die Oliven einheitlich zu grauer Gewölkbank verschwimmen, hier und dort ein Dorf, klein, weiß und rot wie aus dem Baukasten. Gelbe Steinbruchwände, wo die Berge steiler werden, oben darauf schwarzwolliger Wald, dann violette Höhen, wo alles in einen Ton zusammenfließt. Endlich über dem zartesten Violettblau ein paar Spitzen mit stechend weißem Schnee.
Auf der Höhe des Kaps, von den Seeklippen getrennt durch eine offene ſonnendurchglühte Berglehne, an der blühende Ginſterbüſche wie goldene Kugeln hängen und über die der violette Thymian ſeinen heißen, ſtaubigen Duft ſtreut, liegt ein einſames Kirchlein mit weißgelber Wand und blaßrotem Dach: die Madonna della Guardia.
Ein Regiment alter Cypreſſen wacht darum her, in dieſe weltentrückte Offenbarung heller, im Glaſt zerfließender Farben hineingepflanzt wie ſchwarze Rabenfedern des Schickſals, reglos auf ihren bleichen Spulen vor der unendlichen blauen Fern¬ ſicht, über dem glühenden gelben Fels. Nächſt der Kirche ſteht eine ebenſo ſchlichte Oſteria, ſchneeweiß mit grasgrünen Läden. Ein paar wackelige Tiſche und ein guter Tropfen Landwein. Ein Feigenbaum, jetzt im April erſt mit ganz jungen grünen Sproſſen, die überall wie zarte Polypen¬ fingerchen aus dem dicken grauen Geäſt langen, biegt ſich vom Abhang herzu.
Hier iſt gut ſein.
Der Blick ſchweift vom blendenden Meeresblau fort in die Thäler, auf die Hügel landeinwärts. In ſmaragdenen Wieſenterraſſen, denen der üppig blühende Löwenzahn einen leiſen Goldton giebt, überall zerſtreut wie ſtumpfe ſilberne Wolken die Kronen der Ölbäume. Ein naher einzelner alter windverwunſchener Olivenſtamm reckt ſich über einer Kante gerade vor den Himmelsazur als bald dunkle, bald im Wechſelſpiel der hellen Blattunterſeiten ſilberig aufflimmernde Silhouette, — ſo klaſſiſch edel in der Form wie von einem Künſtlerauge er¬ dacht. Fern, wo die Oliven einheitlich zu grauer Gewölkbank verſchwimmen, hier und dort ein Dorf, klein, weiß und rot wie aus dem Baukaſten. Gelbe Steinbruchwände, wo die Berge ſteiler werden, oben darauf ſchwarzwolliger Wald, dann violette Höhen, wo alles in einen Ton zuſammenfließt. Endlich über dem zarteſten Violettblau ein paar Spitzen mit ſtechend weißem Schnee.
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Auf der Höhe des Kaps, von den Seeklippen getrennt
durch eine offene ſonnendurchglühte Berglehne, an der blühende
Ginſterbüſche wie goldene Kugeln hängen und über die der
violette Thymian ſeinen heißen, ſtaubigen Duft ſtreut, liegt
ein einſames Kirchlein mit weißgelber Wand und blaßrotem
Dach: die Madonna della Guardia.
Ein Regiment alter Cypreſſen wacht darum her, in dieſe
weltentrückte Offenbarung heller, im Glaſt zerfließender Farben
hineingepflanzt wie ſchwarze Rabenfedern des Schickſals, reglos
auf ihren bleichen Spulen vor der unendlichen blauen Fern¬
ſicht, über dem glühenden gelben Fels. Nächſt der Kirche
ſteht eine ebenſo ſchlichte Oſteria, ſchneeweiß mit grasgrünen
Läden. Ein paar wackelige Tiſche und ein guter Tropfen
Landwein. Ein Feigenbaum, jetzt im April erſt mit ganz
jungen grünen Sproſſen, die überall wie zarte Polypen¬
fingerchen aus dem dicken grauen Geäſt langen, biegt ſich vom
Abhang herzu.
Hier iſt gut ſein.
Der Blick ſchweift vom blendenden Meeresblau fort in
die Thäler, auf die Hügel landeinwärts. In ſmaragdenen
Wieſenterraſſen, denen der üppig blühende Löwenzahn einen
leiſen Goldton giebt, überall zerſtreut wie ſtumpfe ſilberne
Wolken die Kronen der Ölbäume. Ein naher einzelner alter
windverwunſchener Olivenſtamm reckt ſich über einer Kante gerade
vor den Himmelsazur als bald dunkle, bald im Wechſelſpiel
der hellen Blattunterſeiten ſilberig aufflimmernde Silhouette, —
ſo klaſſiſch edel in der Form wie von einem Künſtlerauge er¬
dacht. Fern, wo die Oliven einheitlich zu grauer Gewölkbank
verſchwimmen, hier und dort ein Dorf, klein, weiß und rot
wie aus dem Baukaſten. Gelbe Steinbruchwände, wo die
Berge ſteiler werden, oben darauf ſchwarzwolliger Wald, dann
violette Höhen, wo alles in einen Ton zuſammenfließt. Endlich
über dem zarteſten Violettblau ein paar Spitzen mit ſtechend
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/18>, abgerufen am 21.11.2024.
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