Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Die große Linie, denke ich, ist dir jetzt als Ganzes voll¬
kommen klar. Vom Urwesen, das nur eine Zelle darstellte,
nicht Mann noch Weib war, sich als Ganzes zum Fort¬
pflanzungsakt einfach in zwei Hälften zerriß. Bis zum höheren
Geschöpf, das aus einer Gemeinschaft vieler Zellen besteht, ob¬
wohl es im Ganzen -- wunderbar wie -- doch wieder ein
echtes einheitliches Individuum darstellt. Und das durch Ar¬
beitsteilung seiner Zellen in Organe gesondert ist. Und das
ein solches Organ besitzt, das ausschließlich der Fortpflanzung
dient, -- einerlei nun, in welchem Zusammenhang oder Nicht¬
zusammenhang mit allen anderen Zellen des Leibes. Und zwar
ein männliches oder weibliches Organ. Aus dem je nachdem
einzelne Samenzellen sich abspalten oder einzelne Eizellen,
Samenzellen und Eizellen, die im Zeugungsakt sich mischen.
Und aus deren Mischung jetzt erst in eigentlicher "Fort¬
pflanzung" ein neues Wesen erwächst.

Über dieses Erwachsen des neuen Wesens ist dann zuletzt
hier noch ein wichtiges Wort einzuschalten, das zwar nochmals
das heikle Vererbungsproblem schneidet, aber an einer harm¬
loseren Stelle seiner Bahn.

Die große Linie, denke ich, iſt dir jetzt als Ganzes voll¬
kommen klar. Vom Urweſen, das nur eine Zelle darſtellte,
nicht Mann noch Weib war, ſich als Ganzes zum Fort¬
pflanzungsakt einfach in zwei Hälften zerriß. Bis zum höheren
Geſchöpf, das aus einer Gemeinſchaft vieler Zellen beſteht, ob¬
wohl es im Ganzen — wunderbar wie — doch wieder ein
echtes einheitliches Individuum darſtellt. Und das durch Ar¬
beitsteilung ſeiner Zellen in Organe geſondert iſt. Und das
ein ſolches Organ beſitzt, das ausſchließlich der Fortpflanzung
dient, — einerlei nun, in welchem Zuſammenhang oder Nicht¬
zuſammenhang mit allen anderen Zellen des Leibes. Und zwar
ein männliches oder weibliches Organ. Aus dem je nachdem
einzelne Samenzellen ſich abſpalten oder einzelne Eizellen,
Samenzellen und Eizellen, die im Zeugungsakt ſich miſchen.
Und aus deren Miſchung jetzt erſt in eigentlicher „Fort¬
pflanzung“ ein neues Weſen erwächſt.

Über dieſes Erwachſen des neuen Weſens iſt dann zuletzt
hier noch ein wichtiges Wort einzuſchalten, das zwar nochmals
das heikle Vererbungsproblem ſchneidet, aber an einer harm¬
loſeren Stelle ſeiner Bahn.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0205" n="189"/>
        <p>Die große Linie, denke ich, i&#x017F;t dir jetzt als Ganzes voll¬<lb/>
kommen klar. Vom Urwe&#x017F;en, das nur eine Zelle dar&#x017F;tellte,<lb/>
nicht Mann noch Weib war, &#x017F;ich als Ganzes zum Fort¬<lb/>
pflanzungsakt einfach in zwei Hälften zerriß. Bis zum höheren<lb/>
Ge&#x017F;chöpf, das aus einer Gemein&#x017F;chaft vieler Zellen be&#x017F;teht, ob¬<lb/>
wohl es im Ganzen &#x2014; wunderbar wie &#x2014; doch wieder ein<lb/>
echtes einheitliches Individuum dar&#x017F;tellt. Und das durch Ar¬<lb/>
beitsteilung &#x017F;einer Zellen in Organe ge&#x017F;ondert i&#x017F;t. Und das<lb/>
ein &#x017F;olches Organ be&#x017F;itzt, das aus&#x017F;chließlich der Fortpflanzung<lb/>
dient, &#x2014; einerlei nun, in welchem Zu&#x017F;ammenhang oder Nicht¬<lb/>
zu&#x017F;ammenhang mit allen anderen Zellen des Leibes. Und zwar<lb/>
ein männliches oder weibliches Organ. Aus dem je nachdem<lb/>
einzelne Samenzellen &#x017F;ich ab&#x017F;palten oder einzelne Eizellen,<lb/>
Samenzellen und Eizellen, die im Zeugungsakt &#x017F;ich mi&#x017F;chen.<lb/>
Und aus deren Mi&#x017F;chung jetzt er&#x017F;t in eigentlicher &#x201E;Fort¬<lb/>
pflanzung&#x201C; ein neues We&#x017F;en erwäch&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Über die&#x017F;es Erwach&#x017F;en des neuen We&#x017F;ens i&#x017F;t dann zuletzt<lb/>
hier noch ein wichtiges Wort einzu&#x017F;chalten, das zwar nochmals<lb/>
das heikle Vererbungsproblem &#x017F;chneidet, aber an einer harm¬<lb/>
lo&#x017F;eren Stelle &#x017F;einer Bahn.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0205] Die große Linie, denke ich, iſt dir jetzt als Ganzes voll¬ kommen klar. Vom Urweſen, das nur eine Zelle darſtellte, nicht Mann noch Weib war, ſich als Ganzes zum Fort¬ pflanzungsakt einfach in zwei Hälften zerriß. Bis zum höheren Geſchöpf, das aus einer Gemeinſchaft vieler Zellen beſteht, ob¬ wohl es im Ganzen — wunderbar wie — doch wieder ein echtes einheitliches Individuum darſtellt. Und das durch Ar¬ beitsteilung ſeiner Zellen in Organe geſondert iſt. Und das ein ſolches Organ beſitzt, das ausſchließlich der Fortpflanzung dient, — einerlei nun, in welchem Zuſammenhang oder Nicht¬ zuſammenhang mit allen anderen Zellen des Leibes. Und zwar ein männliches oder weibliches Organ. Aus dem je nachdem einzelne Samenzellen ſich abſpalten oder einzelne Eizellen, Samenzellen und Eizellen, die im Zeugungsakt ſich miſchen. Und aus deren Miſchung jetzt erſt in eigentlicher „Fort¬ pflanzung“ ein neues Weſen erwächſt. Über dieſes Erwachſen des neuen Weſens iſt dann zuletzt hier noch ein wichtiges Wort einzuſchalten, das zwar nochmals das heikle Vererbungsproblem ſchneidet, aber an einer harm¬ loſeren Stelle ſeiner Bahn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/205
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/205>, abgerufen am 18.12.2024.