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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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gehst. Was für ein Spielraum aber für solche Varianten trotz
der Grundähnlichkeit des Urweges aller besteht, davon gleich
hier das schönste Einleitungsbeispiel über den Polypen weg.

Du liebst, -- als Mensch. Nimm einmal vier Sätze aus
diesem Liebesleben, die unumstößlich fest sind.

Zunächst: du liebst zu zwei und zwei, Mann und Weib.
Das Weib hat die Eierstöcke, du hast die Samentierchen, jeder
nur einen Teil für sich.

Zum anderen: wenn ihr beide, Mann und Weib, euch
liebt, so entsteht als Produkt wieder ein echter Mensch, -- ein
Kind, das zwar noch ein "kleines" Menschlein ist, aber doch
zweifellos vom Tage seiner Geburt ab ein "Mensch" ist und
kein andersartiges Wesen.

Drittens: das Kind, das ihr zeugt, muß erst viele Jahre
in der Welt sein, muß erst die rechte volle Körperreife erlangt
haben: dann erst wird es selber wieder geschlechtsreif und
kann wiederum aus sich Kinder zeugen oder gebären. Niemals
aber erlebst du, daß etwa ein noch ungeborenes Kind im
Mutterleibe oder ein eben geborenes Kind "als "Kind" schon
wieder neue Kinder gebären könnte.

Und endlich: du, Mensch, bist zwar, wie du gesehen hast,
als Mensch im ganzen eigentlich und ursprünglich ein Staat,
ein sozialer Verband von Millionen Einzelzellen, -- dein
Individuum, so fest geschlossen es in sich dasteht (als wahrer
Typus aller Individualität!), ist doch gleichsam erst ein Indi¬
viduum zweiten Grades, das durch geheimnisvolles Zusammen¬
wachsen von Millionen einfachster Individualitäten entstanden
zu sein scheint. Aber das sei nun, wie es will: so wie du
jetzt dastehst, bist du auf alle Fälle für dich als Mensch wieder
ein festes Individuum. Aus solchen Individuen bildet sich die
Menschheit. Es mag nun geschehen, daß viele solcher ganzen
Menschenindividuen wieder vieles gemeinsam thun. Ihr Menschen
haltet zusammen als Freundeskreis, als Gesellschaft, als sozialer
Körper, als Staat. Ihr habt auch eine gewisse Arbeitsteilung

gehſt. Was für ein Spielraum aber für ſolche Varianten trotz
der Grundähnlichkeit des Urweges aller beſteht, davon gleich
hier das ſchönſte Einleitungsbeiſpiel über den Polypen weg.

Du liebſt, — als Menſch. Nimm einmal vier Sätze aus
dieſem Liebesleben, die unumſtößlich feſt ſind.

Zunächſt: du liebſt zu zwei und zwei, Mann und Weib.
Das Weib hat die Eierſtöcke, du haſt die Samentierchen, jeder
nur einen Teil für ſich.

Zum anderen: wenn ihr beide, Mann und Weib, euch
liebt, ſo entſteht als Produkt wieder ein echter Menſch, — ein
Kind, das zwar noch ein „kleines“ Menſchlein iſt, aber doch
zweifellos vom Tage ſeiner Geburt ab ein „Menſch“ iſt und
kein andersartiges Weſen.

Drittens: das Kind, das ihr zeugt, muß erſt viele Jahre
in der Welt ſein, muß erſt die rechte volle Körperreife erlangt
haben: dann erſt wird es ſelber wieder geſchlechtsreif und
kann wiederum aus ſich Kinder zeugen oder gebären. Niemals
aber erlebſt du, daß etwa ein noch ungeborenes Kind im
Mutterleibe oder ein eben geborenes Kind „als „Kind“ ſchon
wieder neue Kinder gebären könnte.

Und endlich: du, Menſch, biſt zwar, wie du geſehen haſt,
als Menſch im ganzen eigentlich und urſprünglich ein Staat,
ein ſozialer Verband von Millionen Einzelzellen, — dein
Individuum, ſo feſt geſchloſſen es in ſich daſteht (als wahrer
Typus aller Individualität!), iſt doch gleichſam erſt ein Indi¬
viduum zweiten Grades, das durch geheimnisvolles Zuſammen¬
wachſen von Millionen einfachſter Individualitäten entſtanden
zu ſein ſcheint. Aber das ſei nun, wie es will: ſo wie du
jetzt daſtehſt, biſt du auf alle Fälle für dich als Menſch wieder
ein feſtes Individuum. Aus ſolchen Individuen bildet ſich die
Menſchheit. Es mag nun geſchehen, daß viele ſolcher ganzen
Menſchenindividuen wieder vieles gemeinſam thun. Ihr Menſchen
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[210/0226] gehſt. Was für ein Spielraum aber für ſolche Varianten trotz der Grundähnlichkeit des Urweges aller beſteht, davon gleich hier das ſchönſte Einleitungsbeiſpiel über den Polypen weg. Du liebſt, — als Menſch. Nimm einmal vier Sätze aus dieſem Liebesleben, die unumſtößlich feſt ſind. Zunächſt: du liebſt zu zwei und zwei, Mann und Weib. Das Weib hat die Eierſtöcke, du haſt die Samentierchen, jeder nur einen Teil für ſich. Zum anderen: wenn ihr beide, Mann und Weib, euch liebt, ſo entſteht als Produkt wieder ein echter Menſch, — ein Kind, das zwar noch ein „kleines“ Menſchlein iſt, aber doch zweifellos vom Tage ſeiner Geburt ab ein „Menſch“ iſt und kein andersartiges Weſen. Drittens: das Kind, das ihr zeugt, muß erſt viele Jahre in der Welt ſein, muß erſt die rechte volle Körperreife erlangt haben: dann erſt wird es ſelber wieder geſchlechtsreif und kann wiederum aus ſich Kinder zeugen oder gebären. Niemals aber erlebſt du, daß etwa ein noch ungeborenes Kind im Mutterleibe oder ein eben geborenes Kind „als „Kind“ ſchon wieder neue Kinder gebären könnte. Und endlich: du, Menſch, biſt zwar, wie du geſehen haſt, als Menſch im ganzen eigentlich und urſprünglich ein Staat, ein ſozialer Verband von Millionen Einzelzellen, — dein Individuum, ſo feſt geſchloſſen es in ſich daſteht (als wahrer Typus aller Individualität!), iſt doch gleichſam erſt ein Indi¬ viduum zweiten Grades, das durch geheimnisvolles Zuſammen¬ wachſen von Millionen einfachſter Individualitäten entſtanden zu ſein ſcheint. Aber das ſei nun, wie es will: ſo wie du jetzt daſtehſt, biſt du auf alle Fälle für dich als Menſch wieder ein feſtes Individuum. Aus ſolchen Individuen bildet ſich die Menſchheit. Es mag nun geſchehen, daß viele ſolcher ganzen Menſchenindividuen wieder vieles gemeinſam thun. Ihr Menſchen haltet zuſammen als Freundeskreis, als Geſellſchaft, als ſozialer Körper, als Staat. Ihr habt auch eine gewiſſe Arbeitsteilung

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/226>, abgerufen am 24.11.2024.