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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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genetischen Grundgesetzes, genau wie bei den Kiemen und dem
Schwanz des Menschleins im Mutterleibe.

Aber: etwas Besonderes bleibt doch und trotz alledem --
etwas sehr Besonderes. Überlege dir genau .....

In unserem Vergleich zum Menschen wäre der aus dem
Medusenei entstehende Polyp der Embryo, der Keim, das noch
ganz unfertige Junge der Meduse, entsprechend etwa dem fisch¬
ähnlichen Embryo des Menschen im Mutterleibe. Aber dieser
"Medusenembryo" hier ist ja zugleich ein reifes Geschöpf! Er
geht keineswegs in die Meduse, wachsend sich wandelnd, über, um
dann erst reif zu werden, so wie der Menschenembryo endlich
geboren wird, heranwächst und nun endlich ein reifer Mensch
wird. Der Polypenembryo der Meduse benimmt sich schon ganz
genau wie ein ausgewachsenes Tier: er selbst pflanzt sich fort.

Ja, das thut er unzweideutig. Was ist jene ganze Tassen¬
spalterei anders als eine Fortpflanzung? Allerdings keine ge¬
schlechtliche; aber wir haben ja schon eben bei dem echten Hydra¬
polypen gesehen, daß bei diesem niedrigen Tiervolk die echte
Geschlechtszeugung mit Samen und Eizelle noch durchaus nicht
die einzige, absolut nötige Fortpflanzungsform sein muß. Das
schlichte alte Knospen ohne eigentlichen Liebesakt läuft friedlich
noch neben her.

Nun also genau so: der polypenförmige Medusenembryo
"knospet", -- er treibt aus sich eine ganze Stülptassenpyramide
junger Medusen hervor. Und diese Medusen selbst bekommen
dann auch noch wieder die Organe zu der anderen, echt geschlecht¬
lichen Methode, -- sie erzeugen Samen und Eier und lassen
so den Kreislauf regelrecht wieder beim Anfang beginnen.

Du merkst also: da ist doch ein kolossaler Unterschied
gegen dich. Dein fischähnlicher Menschenembryo wächst sich ein¬
fach zu dir aus, und wenn du so und so alt geworden bist,
wirst du geschlechtsreif und zeugungsfähig. Der polypenähnliche
Medusenembryo aber ist als solcher schon zeugungsfähig
und erzeugt aus sich ein ganzes Bündel fertiger Medusen durch

genetiſchen Grundgeſetzes, genau wie bei den Kiemen und dem
Schwanz des Menſchleins im Mutterleibe.

Aber: etwas Beſonderes bleibt doch und trotz alledem —
etwas ſehr Beſonderes. Überlege dir genau .....

In unſerem Vergleich zum Menſchen wäre der aus dem
Meduſenei entſtehende Polyp der Embryo, der Keim, das noch
ganz unfertige Junge der Meduſe, entſprechend etwa dem fiſch¬
ähnlichen Embryo des Menſchen im Mutterleibe. Aber dieſer
„Meduſenembryo“ hier iſt ja zugleich ein reifes Geſchöpf! Er
geht keineswegs in die Meduſe, wachſend ſich wandelnd, über, um
dann erſt reif zu werden, ſo wie der Menſchenembryo endlich
geboren wird, heranwächſt und nun endlich ein reifer Menſch
wird. Der Polypenembryo der Meduſe benimmt ſich ſchon ganz
genau wie ein ausgewachſenes Tier: er ſelbſt pflanzt ſich fort.

Ja, das thut er unzweideutig. Was iſt jene ganze Taſſen¬
ſpalterei anders als eine Fortpflanzung? Allerdings keine ge¬
ſchlechtliche; aber wir haben ja ſchon eben bei dem echten Hydra¬
polypen geſehen, daß bei dieſem niedrigen Tiervolk die echte
Geſchlechtszeugung mit Samen und Eizelle noch durchaus nicht
die einzige, abſolut nötige Fortpflanzungsform ſein muß. Das
ſchlichte alte Knoſpen ohne eigentlichen Liebesakt läuft friedlich
noch neben her.

Nun alſo genau ſo: der polypenförmige Meduſenembryo
„knoſpet“, — er treibt aus ſich eine ganze Stülptaſſenpyramide
junger Meduſen hervor. Und dieſe Meduſen ſelbſt bekommen
dann auch noch wieder die Organe zu der anderen, echt geſchlecht¬
lichen Methode, — ſie erzeugen Samen und Eier und laſſen
ſo den Kreislauf regelrecht wieder beim Anfang beginnen.

Du merkſt alſo: da iſt doch ein koloſſaler Unterſchied
gegen dich. Dein fiſchähnlicher Menſchenembryo wächſt ſich ein¬
fach zu dir aus, und wenn du ſo und ſo alt geworden biſt,
wirſt du geſchlechtsreif und zeugungsfähig. Der polypenähnliche
Meduſenembryo aber iſt als ſolcher ſchon zeugungsfähig
und erzeugt aus ſich ein ganzes Bündel fertiger Meduſen durch

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[216/0232] genetiſchen Grundgeſetzes, genau wie bei den Kiemen und dem Schwanz des Menſchleins im Mutterleibe. Aber: etwas Beſonderes bleibt doch und trotz alledem — etwas ſehr Beſonderes. Überlege dir genau ..... In unſerem Vergleich zum Menſchen wäre der aus dem Meduſenei entſtehende Polyp der Embryo, der Keim, das noch ganz unfertige Junge der Meduſe, entſprechend etwa dem fiſch¬ ähnlichen Embryo des Menſchen im Mutterleibe. Aber dieſer „Meduſenembryo“ hier iſt ja zugleich ein reifes Geſchöpf! Er geht keineswegs in die Meduſe, wachſend ſich wandelnd, über, um dann erſt reif zu werden, ſo wie der Menſchenembryo endlich geboren wird, heranwächſt und nun endlich ein reifer Menſch wird. Der Polypenembryo der Meduſe benimmt ſich ſchon ganz genau wie ein ausgewachſenes Tier: er ſelbſt pflanzt ſich fort. Ja, das thut er unzweideutig. Was iſt jene ganze Taſſen¬ ſpalterei anders als eine Fortpflanzung? Allerdings keine ge¬ ſchlechtliche; aber wir haben ja ſchon eben bei dem echten Hydra¬ polypen geſehen, daß bei dieſem niedrigen Tiervolk die echte Geſchlechtszeugung mit Samen und Eizelle noch durchaus nicht die einzige, abſolut nötige Fortpflanzungsform ſein muß. Das ſchlichte alte Knoſpen ohne eigentlichen Liebesakt läuft friedlich noch neben her. Nun alſo genau ſo: der polypenförmige Meduſenembryo „knoſpet“, — er treibt aus ſich eine ganze Stülptaſſenpyramide junger Meduſen hervor. Und dieſe Meduſen ſelbſt bekommen dann auch noch wieder die Organe zu der anderen, echt geſchlecht¬ lichen Methode, — ſie erzeugen Samen und Eier und laſſen ſo den Kreislauf regelrecht wieder beim Anfang beginnen. Du merkſt alſo: da iſt doch ein koloſſaler Unterſchied gegen dich. Dein fiſchähnlicher Menſchenembryo wächſt ſich ein¬ fach zu dir aus, und wenn du ſo und ſo alt geworden biſt, wirſt du geſchlechtsreif und zeugungsfähig. Der polypenähnliche Meduſenembryo aber iſt als ſolcher ſchon zeugungsfähig und erzeugt aus ſich ein ganzes Bündel fertiger Meduſen durch

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/232>, abgerufen am 21.11.2024.