Fortpflanzung, anstatt daß er zu einer einzigen solchen Meduse direkt auswüchse.
Und du siehst auch: wir sind unversehens bereits deinem dritten Menschengesetz hier ins Gehege gekommen und haben es für unseren Fall gleich sehr unzweideutig in die Enge ge¬ bracht. Die beiden Gesetze -- unser zweites und drittes -- halten sich hinsichtlich ihres Schwankens hier gleichsam im Schach. Entweder du nimmst an: aus der Meduse wird ein ganz anderes Tier, ein Polyp, und der zeugt wieder Medusen. Dann fällt Gesetz zwei: der Fall tritt ein, als wenn deine Frau ein Känguruh oder Schnabeltier bekäme und das zeugte dann erst wieder aus sich einen Menschen. Oder du nimmst den Polypen, der aus einem Medusenei wächst, als Embryo oder Larve, als "unreife Meduse" an, -- so fällt Gesetz drei, denn du hast einen unreifen Embryo, der (paradox genug schon im Worte) als solcher reif wird und Junge zeugt.
..... Es schwindelt dir etwas? Aber du mußt mit. Auch das Buch der Liebe in der Natur hat seine Stellen, wo dem Neuling zu Mute wird, wie dem braven Sancho, da es bei Cervantes heißt: "Und er zog beruhigt fürbaß, denn er war nun¬ mehr seiner Sache ganz sicher, daß sein Herr wirklich verrückt ge¬ worden sei." Ich muß dich noch stärker beschwören. Denn es kommt dein vierter Satz. Und da wappne dich wider eines der größten organischen Wunder, die überhaupt auf dieser alten Wundererde existieren.
Wäre die Tierkunde nicht trotz aller volkstümlichen Wissen¬ schaft heute noch ein so verschlossener Zwinger, in den sich bloß ab und zn ein paar Eingeweihte wagen, so müßten längst alle Politiker, Soziologen und Philosophen vor dem einzigartigen Ding sitzen, das ich dir jetzt vorzuführen habe -- und müßten
Fortpflanzung, anſtatt daß er zu einer einzigen ſolchen Meduſe direkt auswüchſe.
Und du ſiehſt auch: wir ſind unverſehens bereits deinem dritten Menſchengeſetz hier ins Gehege gekommen und haben es für unſeren Fall gleich ſehr unzweideutig in die Enge ge¬ bracht. Die beiden Geſetze — unſer zweites und drittes — halten ſich hinſichtlich ihres Schwankens hier gleichſam im Schach. Entweder du nimmſt an: aus der Meduſe wird ein ganz anderes Tier, ein Polyp, und der zeugt wieder Meduſen. Dann fällt Geſetz zwei: der Fall tritt ein, als wenn deine Frau ein Känguruh oder Schnabeltier bekäme und das zeugte dann erſt wieder aus ſich einen Menſchen. Oder du nimmſt den Polypen, der aus einem Meduſenei wächſt, als Embryo oder Larve, als „unreife Meduſe“ an, — ſo fällt Geſetz drei, denn du haſt einen unreifen Embryo, der (paradox genug ſchon im Worte) als ſolcher reif wird und Junge zeugt.
..... Es ſchwindelt dir etwas? Aber du mußt mit. Auch das Buch der Liebe in der Natur hat ſeine Stellen, wo dem Neuling zu Mute wird, wie dem braven Sancho, da es bei Cervantes heißt: „Und er zog beruhigt fürbaß, denn er war nun¬ mehr ſeiner Sache ganz ſicher, daß ſein Herr wirklich verrückt ge¬ worden ſei.“ Ich muß dich noch ſtärker beſchwören. Denn es kommt dein vierter Satz. Und da wappne dich wider eines der größten organiſchen Wunder, die überhaupt auf dieſer alten Wundererde exiſtieren.
Wäre die Tierkunde nicht trotz aller volkstümlichen Wiſſen¬ ſchaft heute noch ein ſo verſchloſſener Zwinger, in den ſich bloß ab und zn ein paar Eingeweihte wagen, ſo müßten längſt alle Politiker, Soziologen und Philoſophen vor dem einzigartigen Ding ſitzen, das ich dir jetzt vorzuführen habe — und müßten
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0233"n="217"/>
Fortpflanzung, anſtatt daß er zu einer einzigen ſolchen Meduſe<lb/>
direkt auswüchſe.</p><lb/><p>Und du ſiehſt auch: wir ſind unverſehens bereits deinem<lb/>
dritten Menſchengeſetz hier ins Gehege gekommen und haben<lb/>
es für unſeren Fall gleich ſehr unzweideutig in die Enge ge¬<lb/>
bracht. Die beiden Geſetze — unſer zweites und drittes —<lb/>
halten ſich hinſichtlich ihres Schwankens hier gleichſam im<lb/>
Schach. Entweder du nimmſt an: aus der Meduſe wird ein<lb/>
ganz anderes Tier, ein Polyp, und der zeugt wieder Meduſen.<lb/>
Dann fällt Geſetz zwei: der Fall tritt ein, als wenn deine<lb/>
Frau ein Känguruh oder Schnabeltier bekäme und das zeugte<lb/>
dann erſt wieder aus ſich einen Menſchen. Oder du nimmſt<lb/>
den Polypen, der aus einem Meduſenei wächſt, als Embryo<lb/>
oder Larve, als „unreife Meduſe“ an, —ſo fällt Geſetz drei,<lb/>
denn du haſt einen unreifen Embryo, der (paradox genug ſchon<lb/>
im Worte) als ſolcher reif wird und Junge zeugt.</p><lb/><p>..... Es ſchwindelt dir etwas? Aber du mußt mit.<lb/>
Auch das Buch der Liebe in der Natur hat ſeine Stellen, wo<lb/>
dem Neuling zu Mute wird, wie dem braven Sancho, da es bei<lb/>
Cervantes heißt: „Und er zog beruhigt fürbaß, denn er war nun¬<lb/>
mehr ſeiner Sache ganz ſicher, daß ſein Herr wirklich verrückt ge¬<lb/>
worden ſei.“ Ich muß dich noch ſtärker beſchwören. Denn es<lb/>
kommt dein vierter Satz. Und da wappne dich wider eines<lb/>
der größten organiſchen Wunder, die überhaupt auf dieſer alten<lb/>
Wundererde exiſtieren.</p><lb/><p>Wäre die Tierkunde nicht trotz aller volkstümlichen Wiſſen¬<lb/>ſchaft heute noch ein ſo verſchloſſener Zwinger, in den ſich bloß<lb/>
ab und zn ein paar Eingeweihte wagen, ſo müßten längſt alle<lb/>
Politiker, Soziologen und Philoſophen vor dem einzigartigen<lb/>
Ding ſitzen, das ich dir jetzt vorzuführen habe — und müßten<lb/></p></div></body></text></TEI>
[217/0233]
Fortpflanzung, anſtatt daß er zu einer einzigen ſolchen Meduſe
direkt auswüchſe.
Und du ſiehſt auch: wir ſind unverſehens bereits deinem
dritten Menſchengeſetz hier ins Gehege gekommen und haben
es für unſeren Fall gleich ſehr unzweideutig in die Enge ge¬
bracht. Die beiden Geſetze — unſer zweites und drittes —
halten ſich hinſichtlich ihres Schwankens hier gleichſam im
Schach. Entweder du nimmſt an: aus der Meduſe wird ein
ganz anderes Tier, ein Polyp, und der zeugt wieder Meduſen.
Dann fällt Geſetz zwei: der Fall tritt ein, als wenn deine
Frau ein Känguruh oder Schnabeltier bekäme und das zeugte
dann erſt wieder aus ſich einen Menſchen. Oder du nimmſt
den Polypen, der aus einem Meduſenei wächſt, als Embryo
oder Larve, als „unreife Meduſe“ an, — ſo fällt Geſetz drei,
denn du haſt einen unreifen Embryo, der (paradox genug ſchon
im Worte) als ſolcher reif wird und Junge zeugt.
..... Es ſchwindelt dir etwas? Aber du mußt mit.
Auch das Buch der Liebe in der Natur hat ſeine Stellen, wo
dem Neuling zu Mute wird, wie dem braven Sancho, da es bei
Cervantes heißt: „Und er zog beruhigt fürbaß, denn er war nun¬
mehr ſeiner Sache ganz ſicher, daß ſein Herr wirklich verrückt ge¬
worden ſei.“ Ich muß dich noch ſtärker beſchwören. Denn es
kommt dein vierter Satz. Und da wappne dich wider eines
der größten organiſchen Wunder, die überhaupt auf dieſer alten
Wundererde exiſtieren.
Wäre die Tierkunde nicht trotz aller volkstümlichen Wiſſen¬
ſchaft heute noch ein ſo verſchloſſener Zwinger, in den ſich bloß
ab und zn ein paar Eingeweihte wagen, ſo müßten längſt alle
Politiker, Soziologen und Philoſophen vor dem einzigartigen
Ding ſitzen, das ich dir jetzt vorzuführen habe — und müßten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/233>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.