"Und so lang du das nicht hast, Dieses: Stirb und Werde! Bist du nur ein trüber Gast Auf der dunklen Erde."
Goethe.
Es ist ein wilder Sommerabend am Fluß. Dumpfe Schwüle brütet über dir. Elektrisches Zucken huscht an einer fernen Wolkenbank. Wie eine drohend rote Mohnblüte hängt der Mond über den dunkelnden Wassern.
Das ist die Auferstehungsstunde eines seltsamen Geschlechts. Lautlos, geisterhaft erheben sich aus dem Strom winzige, zarte Gestalten, -- so zart und durchsichtig, als wäre jede nur aus einem kleinsten Stäubchen farblosen Lichtes gewebt.
Erst sind es ein paar, die sich verflattern, im schwülen Dunst verlieren, -- dann mehr, viele -- dann wie wenn die graue Flut ein blütenschwangerer Frühlingsbaum würde, der unendliche schneeige Blumenblättchen von sich in die Lüfte treibt, -- Tausende, Myriaden.
Vom fernen Kirchturm, über die verträumten Felder, schlägt es neun Uhr.
Als liege in der Stunde eine magische Gewalt, so reißt es alle diese kleinen Wesen herauf über den schweren, zähen Spiegel der Flut in die offene heiße Abendluft hinein.... silberne Flügelchen glänzen auf, wehen wie Perlmutterschleier,
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„Und ſo lang du das nicht haſt, Dieſes: Stirb und Werde! Biſt du nur ein trüber Gaſt Auf der dunklen Erde.“
Goethe.
Es iſt ein wilder Sommerabend am Fluß. Dumpfe Schwüle brütet über dir. Elektriſches Zucken huſcht an einer fernen Wolkenbank. Wie eine drohend rote Mohnblüte hängt der Mond über den dunkelnden Waſſern.
Das iſt die Auferſtehungsſtunde eines ſeltſamen Geſchlechts. Lautlos, geiſterhaft erheben ſich aus dem Strom winzige, zarte Geſtalten, — ſo zart und durchſichtig, als wäre jede nur aus einem kleinſten Stäubchen farbloſen Lichtes gewebt.
Erſt ſind es ein paar, die ſich verflattern, im ſchwülen Dunſt verlieren, — dann mehr, viele — dann wie wenn die graue Flut ein blütenſchwangerer Frühlingsbaum würde, der unendliche ſchneeige Blumenblättchen von ſich in die Lüfte treibt, — Tauſende, Myriaden.
Vom fernen Kirchturm, über die verträumten Felder, ſchlägt es neun Uhr.
Als liege in der Stunde eine magiſche Gewalt, ſo reißt es alle dieſe kleinen Weſen herauf über den ſchweren, zähen Spiegel der Flut in die offene heiße Abendluft hinein.... ſilberne Flügelchen glänzen auf, wehen wie Perlmutterſchleier,
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„Und ſo lang du das nicht haſt,
Dieſes: Stirb und Werde!
Biſt du nur ein trüber Gaſt
Auf der dunklen Erde.“
Goethe.
Es iſt ein wilder Sommerabend am Fluß. Dumpfe
Schwüle brütet über dir. Elektriſches Zucken huſcht an einer
fernen Wolkenbank. Wie eine drohend rote Mohnblüte hängt
der Mond über den dunkelnden Waſſern.
Das iſt die Auferſtehungsſtunde eines ſeltſamen Geſchlechts.
Lautlos, geiſterhaft erheben ſich aus dem Strom winzige, zarte
Geſtalten, — ſo zart und durchſichtig, als wäre jede nur aus
einem kleinſten Stäubchen farbloſen Lichtes gewebt.
Erſt ſind es ein paar, die ſich verflattern, im ſchwülen
Dunſt verlieren, — dann mehr, viele — dann wie wenn die
graue Flut ein blütenſchwangerer Frühlingsbaum würde, der
unendliche ſchneeige Blumenblättchen von ſich in die Lüfte
treibt, — Tauſende, Myriaden.
Vom fernen Kirchturm, über die verträumten Felder, ſchlägt
es neun Uhr.
Als liege in der Stunde eine magiſche Gewalt, ſo reißt
es alle dieſe kleinen Weſen herauf über den ſchweren, zähen
Spiegel der Flut in die offene heiße Abendluft hinein....
ſilberne Flügelchen glänzen auf, wehen wie Perlmutterſchleier,
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/26>, abgerufen am 03.12.2024.
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