und gegeneinander mahlend, auch in etwa wie solche. Die Unterärmchen und Händchen dagegen angeln nach außen frei vor und könnten wohl noch ihre besondere Beschäftigung kriegen.
Ganz ähnlich bei der Spinne. Die kleinen Mundbeinchen oder Kiefern sind gegliedert wie dein Menschenarm, sogar noch verwickelter. Je die untersten Stücke (sagen wir die Oberarme) passen fest als echte Freßkiefern aufeinander. Die weiteren Gliedchen aber (sagen wir Unterarm und Hand im Bilde) springen unten und oben wie feine Endspitzchen dieser eigent¬ lichen Kiefern noch besonders wieder vor. Oben bilden sie der Spinne je einen kleinen Spitzzahn, in den eine böse Giftdrüse zur Lähmung des erfaßten Opfers einmündet. Unten aber treten sie jederseits wie ein längerer Tastfühler vor, -- sagen wir, um im Bilde des Menschenmundes zu bleiben, obwohl das Bild nur ganz mangelhaft sein kann, -- wie zwei vor¬ geschobene Lippenspitzen, die frei herummümmeln, während tiefer innen herzhaft gekaut wird.
Ja und nun! Mit diesen Spitzchen des Unterkiefers faßt unser Spinnerich jetzt sein eigenes, in Einsamkeit ausgeschiedenes Samentröpfchen und -- saugt es ein. Das Lippenspitzchen ist genau dazu gebaut: es nimmt den Samen in eine Höhlung wie in ein kleines vorläufiges Reservoir auf, ohne daß er dabei irgendwie dem großen Spinnenmunde im Hintergrunde zu nahe käme. Denke dir im gröbsten Bilde, du rolltest deine Lippe nach unten um und hieltest etwa einen Bleistift zwischen Lippe und Kinn fest. So etwa hält der Spinnenmann den freien Samen jetzt in den äußersten, lippenartig vorspringenden Spitzchen des Unterkiefers -- natürlich einzig in der guten Absicht, ihn solchermaßen auf dem Präsentierbrett und zugleich in einer möglichst zähnefletschenden Frontstellung der Frau Spinne da drüben zuzutragen .....
Daß er das will und wie er es will, das kannst du als¬ bald jetzt weiter beobachten.
und gegeneinander mahlend, auch in etwa wie ſolche. Die Unterärmchen und Händchen dagegen angeln nach außen frei vor und könnten wohl noch ihre beſondere Beſchäftigung kriegen.
Ganz ähnlich bei der Spinne. Die kleinen Mundbeinchen oder Kiefern ſind gegliedert wie dein Menſchenarm, ſogar noch verwickelter. Je die unterſten Stücke (ſagen wir die Oberarme) paſſen feſt als echte Freßkiefern aufeinander. Die weiteren Gliedchen aber (ſagen wir Unterarm und Hand im Bilde) ſpringen unten und oben wie feine Endſpitzchen dieſer eigent¬ lichen Kiefern noch beſonders wieder vor. Oben bilden ſie der Spinne je einen kleinen Spitzzahn, in den eine böſe Giftdrüſe zur Lähmung des erfaßten Opfers einmündet. Unten aber treten ſie jederſeits wie ein längerer Taſtfühler vor, — ſagen wir, um im Bilde des Menſchenmundes zu bleiben, obwohl das Bild nur ganz mangelhaft ſein kann, — wie zwei vor¬ geſchobene Lippenſpitzen, die frei herummümmeln, während tiefer innen herzhaft gekaut wird.
Ja und nun! Mit dieſen Spitzchen des Unterkiefers faßt unſer Spinnerich jetzt ſein eigenes, in Einſamkeit ausgeſchiedenes Samentröpfchen und — ſaugt es ein. Das Lippenſpitzchen iſt genau dazu gebaut: es nimmt den Samen in eine Höhlung wie in ein kleines vorläufiges Reſervoir auf, ohne daß er dabei irgendwie dem großen Spinnenmunde im Hintergrunde zu nahe käme. Denke dir im gröbſten Bilde, du rollteſt deine Lippe nach unten um und hielteſt etwa einen Bleiſtift zwiſchen Lippe und Kinn feſt. So etwa hält der Spinnenmann den freien Samen jetzt in den äußerſten, lippenartig vorſpringenden Spitzchen des Unterkiefers — natürlich einzig in der guten Abſicht, ihn ſolchermaßen auf dem Präſentierbrett und zugleich in einer möglichſt zähnefletſchenden Frontſtellung der Frau Spinne da drüben zuzutragen .....
Daß er das will und wie er es will, das kannſt du als¬ bald jetzt weiter beobachten.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0351"n="335"/>
und gegeneinander mahlend, auch in etwa wie ſolche. Die<lb/>
Unterärmchen und Händchen dagegen angeln nach außen<lb/>
frei vor und könnten wohl noch ihre beſondere Beſchäftigung<lb/>
kriegen.</p><lb/><p>Ganz ähnlich bei der Spinne. Die kleinen Mundbeinchen<lb/>
oder Kiefern ſind gegliedert wie dein Menſchenarm, ſogar noch<lb/>
verwickelter. Je die unterſten Stücke (ſagen wir die Oberarme)<lb/>
paſſen feſt als echte Freßkiefern aufeinander. Die weiteren<lb/>
Gliedchen aber (ſagen wir Unterarm und Hand im Bilde)<lb/>ſpringen unten und oben wie feine Endſpitzchen dieſer eigent¬<lb/>
lichen Kiefern noch beſonders wieder vor. Oben bilden ſie der<lb/>
Spinne je einen kleinen Spitzzahn, in den eine böſe Giftdrüſe<lb/>
zur Lähmung des erfaßten Opfers einmündet. Unten aber<lb/>
treten ſie jederſeits wie ein längerer Taſtfühler vor, —ſagen<lb/>
wir, um im Bilde des Menſchenmundes zu bleiben, obwohl<lb/>
das Bild nur ganz mangelhaft ſein kann, — wie zwei vor¬<lb/>
geſchobene Lippenſpitzen, die frei herummümmeln, während<lb/>
tiefer innen herzhaft gekaut wird.</p><lb/><p>Ja und nun! Mit dieſen Spitzchen des Unterkiefers faßt<lb/>
unſer Spinnerich jetzt ſein eigenes, in Einſamkeit ausgeſchiedenes<lb/>
Samentröpfchen und —ſaugt es ein. Das Lippenſpitzchen iſt<lb/>
genau dazu gebaut: es nimmt den Samen in eine Höhlung<lb/>
wie in ein kleines vorläufiges Reſervoir auf, ohne daß er<lb/>
dabei irgendwie dem großen Spinnenmunde im Hintergrunde<lb/>
zu nahe käme. Denke dir im gröbſten Bilde, du rollteſt deine<lb/>
Lippe nach unten um und hielteſt etwa einen Bleiſtift zwiſchen<lb/>
Lippe und Kinn feſt. So etwa hält der Spinnenmann den<lb/>
freien Samen jetzt in den äußerſten, lippenartig vorſpringenden<lb/>
Spitzchen des Unterkiefers — natürlich einzig in der guten<lb/>
Abſicht, ihn ſolchermaßen auf dem Präſentierbrett und zugleich<lb/>
in einer möglichſt zähnefletſchenden Frontſtellung der Frau<lb/>
Spinne da drüben zuzutragen .....</p><lb/><p>Daß er das will und wie er es will, das kannſt du als¬<lb/>
bald jetzt weiter beobachten.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[335/0351]
und gegeneinander mahlend, auch in etwa wie ſolche. Die
Unterärmchen und Händchen dagegen angeln nach außen
frei vor und könnten wohl noch ihre beſondere Beſchäftigung
kriegen.
Ganz ähnlich bei der Spinne. Die kleinen Mundbeinchen
oder Kiefern ſind gegliedert wie dein Menſchenarm, ſogar noch
verwickelter. Je die unterſten Stücke (ſagen wir die Oberarme)
paſſen feſt als echte Freßkiefern aufeinander. Die weiteren
Gliedchen aber (ſagen wir Unterarm und Hand im Bilde)
ſpringen unten und oben wie feine Endſpitzchen dieſer eigent¬
lichen Kiefern noch beſonders wieder vor. Oben bilden ſie der
Spinne je einen kleinen Spitzzahn, in den eine böſe Giftdrüſe
zur Lähmung des erfaßten Opfers einmündet. Unten aber
treten ſie jederſeits wie ein längerer Taſtfühler vor, — ſagen
wir, um im Bilde des Menſchenmundes zu bleiben, obwohl
das Bild nur ganz mangelhaft ſein kann, — wie zwei vor¬
geſchobene Lippenſpitzen, die frei herummümmeln, während
tiefer innen herzhaft gekaut wird.
Ja und nun! Mit dieſen Spitzchen des Unterkiefers faßt
unſer Spinnerich jetzt ſein eigenes, in Einſamkeit ausgeſchiedenes
Samentröpfchen und — ſaugt es ein. Das Lippenſpitzchen iſt
genau dazu gebaut: es nimmt den Samen in eine Höhlung
wie in ein kleines vorläufiges Reſervoir auf, ohne daß er
dabei irgendwie dem großen Spinnenmunde im Hintergrunde
zu nahe käme. Denke dir im gröbſten Bilde, du rollteſt deine
Lippe nach unten um und hielteſt etwa einen Bleiſtift zwiſchen
Lippe und Kinn feſt. So etwa hält der Spinnenmann den
freien Samen jetzt in den äußerſten, lippenartig vorſpringenden
Spitzchen des Unterkiefers — natürlich einzig in der guten
Abſicht, ihn ſolchermaßen auf dem Präſentierbrett und zugleich
in einer möglichſt zähnefletſchenden Frontſtellung der Frau
Spinne da drüben zuzutragen .....
Daß er das will und wie er es will, das kannſt du als¬
bald jetzt weiter beobachten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/351>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.