Leugnung fast irgend welcher Liebesempfindung, irgend welcher Geschlechtsbeziehung zu einander, irgend welchen "Liebes¬ hungers", der die Raub-, die Mageninstinkte dem Geschlechts¬ genossen gegenüber ausschaltet und hemmt. Der Geschlechtsakt, zwar als solcher unvermeidlich auch hier, da sonst die ganze Fortexistenz zusammenpurzelte, engt sich auf einen widerwilligen Moment zusammen, ganz abgesehen davon, daß ihn der Kon¬ flikt der Instinkte in einem Falle sogar geradezu mit Lebens¬ gefahr umgiebt. Du meinst, du bist an der äußersten Gegenecke aller Eheentwickelung. Und doch. Inmitten aller extremen Isolierung der Geschlechter tauchen bei Frau Spinne die starken Muttergefühle, bei Stachelinsky die entsprechend nachhaltigen Vatergefühle gegenüber der Nachkommenschaft auf.
Das Individuum, auf dem Punkt, sich von der Geschlechts¬ gemeinschaft zu emanzipieren, sieht sich an einer Stelle, die wenigstens indirekt mit dem Geschlecht doch wieder zusammen¬ hängt, an etwas gekettet, das über die Isolierung als Indi¬ viduum hinausgreift. Wie, wenn von hier eine neue Not¬ wendigkeit eines Doppellebens doch wieder erwüchse? Wenn der Fall einträte, daß Frau Spinne und Herr Stachelinsky allein ihre Elternsorge nicht genügend erfüllen könnten? Ein zweites Wesen dazu brauchten? Es liegt auf der Hand, daß die andere elterliche Geschlechtshälfte der naturgemäße Partner auch hier wäre. Wenn nun, anstatt daß bloß die Spinne und der Stachelinsky das Nest bauen, auch der Spinnerich und die Stachelinska sich für diese Arbeit interessierten? Siehst du den roten Streifen, zu dem der faustdicke Morgen¬ nebel zerreißt .....?
Nicht eine neue Syngamusehe, bei der die Gatten zeit¬ lebens wie zwei verwachsene Würste körperlich aneinander hängen. Sondern eine ganz neue Schutzgenossenschaft zunächst zwischen zwei sonst ganz scharf und individuell getrennten Ge¬ schlechtsindividuen, eine Schutzgenossenschaft zum Schutz der Jungen, zum Nestbau und zur Nestverteidigung. Dann an
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Leugnung faſt irgend welcher Liebesempfindung, irgend welcher Geſchlechtsbeziehung zu einander, irgend welchen „Liebes¬ hungers“, der die Raub-, die Mageninſtinkte dem Geſchlechts¬ genoſſen gegenüber ausſchaltet und hemmt. Der Geſchlechtsakt, zwar als ſolcher unvermeidlich auch hier, da ſonſt die ganze Fortexiſtenz zuſammenpurzelte, engt ſich auf einen widerwilligen Moment zuſammen, ganz abgeſehen davon, daß ihn der Kon¬ flikt der Inſtinkte in einem Falle ſogar geradezu mit Lebens¬ gefahr umgiebt. Du meinſt, du biſt an der äußerſten Gegenecke aller Eheentwickelung. Und doch. Inmitten aller extremen Iſolierung der Geſchlechter tauchen bei Frau Spinne die ſtarken Muttergefühle, bei Stachelinsky die entſprechend nachhaltigen Vatergefühle gegenüber der Nachkommenſchaft auf.
Das Individuum, auf dem Punkt, ſich von der Geſchlechts¬ gemeinſchaft zu emanzipieren, ſieht ſich an einer Stelle, die wenigſtens indirekt mit dem Geſchlecht doch wieder zuſammen¬ hängt, an etwas gekettet, das über die Iſolierung als Indi¬ viduum hinausgreift. Wie, wenn von hier eine neue Not¬ wendigkeit eines Doppellebens doch wieder erwüchſe? Wenn der Fall einträte, daß Frau Spinne und Herr Stachelinsky allein ihre Elternſorge nicht genügend erfüllen könnten? Ein zweites Weſen dazu brauchten? Es liegt auf der Hand, daß die andere elterliche Geſchlechtshälfte der naturgemäße Partner auch hier wäre. Wenn nun, anſtatt daß bloß die Spinne und der Stachelinsky das Neſt bauen, auch der Spinnerich und die Stachelinska ſich für dieſe Arbeit intereſſierten? Siehſt du den roten Streifen, zu dem der fauſtdicke Morgen¬ nebel zerreißt .....?
Nicht eine neue Syngamusehe, bei der die Gatten zeit¬ lebens wie zwei verwachſene Würſte körperlich aneinander hängen. Sondern eine ganz neue Schutzgenoſſenſchaft zunächſt zwiſchen zwei ſonſt ganz ſcharf und individuell getrennten Ge¬ ſchlechtsindividuen, eine Schutzgenoſſenſchaft zum Schutz der Jungen, zum Neſtbau und zur Neſtverteidigung. Dann an
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Leugnung faſt irgend welcher Liebesempfindung, irgend welcher
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genoſſen gegenüber ausſchaltet und hemmt. Der Geſchlechtsakt,
zwar als ſolcher unvermeidlich auch hier, da ſonſt die ganze
Fortexiſtenz zuſammenpurzelte, engt ſich auf einen widerwilligen
Moment zuſammen, ganz abgeſehen davon, daß ihn der Kon¬
flikt der Inſtinkte in einem Falle ſogar geradezu mit Lebens¬
gefahr umgiebt. Du meinſt, du biſt an der äußerſten Gegenecke
aller Eheentwickelung. Und doch. Inmitten aller extremen
Iſolierung der Geſchlechter tauchen bei Frau Spinne die ſtarken
Muttergefühle, bei Stachelinsky die entſprechend nachhaltigen
Vatergefühle gegenüber der Nachkommenſchaft auf.
Das Individuum, auf dem Punkt, ſich von der Geſchlechts¬
gemeinſchaft zu emanzipieren, ſieht ſich an einer Stelle, die
wenigſtens indirekt mit dem Geſchlecht doch wieder zuſammen¬
hängt, an etwas gekettet, das über die Iſolierung als Indi¬
viduum hinausgreift. Wie, wenn von hier eine neue Not¬
wendigkeit eines Doppellebens doch wieder erwüchſe? Wenn
der Fall einträte, daß Frau Spinne und Herr Stachelinsky
allein ihre Elternſorge nicht genügend erfüllen könnten?
Ein zweites Weſen dazu brauchten? Es liegt auf der Hand,
daß die andere elterliche Geſchlechtshälfte der naturgemäße
Partner auch hier wäre. Wenn nun, anſtatt daß bloß die
Spinne und der Stachelinsky das Neſt bauen, auch der
Spinnerich und die Stachelinska ſich für dieſe Arbeit intereſſierten?
Siehſt du den roten Streifen, zu dem der fauſtdicke Morgen¬
nebel zerreißt .....?
Nicht eine neue Syngamusehe, bei der die Gatten zeit¬
lebens wie zwei verwachſene Würſte körperlich aneinander
hängen. Sondern eine ganz neue Schutzgenoſſenſchaft zunächſt
zwiſchen zwei ſonſt ganz ſcharf und individuell getrennten Ge¬
ſchlechtsindividuen, eine Schutzgenoſſenſchaft zum Schutz der
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/369>, abgerufen am 22.11.2024.
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