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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Also denke dir ein großes Haus. Mit einer Masse von
Zimmern. Die Zimmer haben sehr verschiedene Höhe und
Größe und sind ganz verschieden möbliert. Das eine dient
diesen Zwecken, das andere jenen: Schlafzimmer, Eßzimmer,
Küche u. s. w. Die Zimmer sind also unter sich so ungleich
wie möglich, wenn schon sie im Ganzen einem einzigen großen
Hausstande für seine vielfältigen Bedürfnisse dienen mögen.
Nun untersuchst du aber hinter den Möbeln und Tapeten die
Wände und du findest: allemal stößt du in diesen Wänden auf
die ganz gleichen Baubestandteile, nämlich Ziegelsteine.

Da kann nun eine Wand hoch sein oder niedrig, mag die
Wand eines Salons oder eines Korridors oder gar des Aborts
sein: immer besteht sie aus an sich ganz gleichartigen Ziegel¬
steinen, die Stück für Stück fest verklebt aufeinander liegen
und das ganze Haus recht eigentlich als Elementarstoff zu¬
sammensetzen.

Jetzt sieh dir ein Tier an, sagen wir einen Hund. Er
ist auch in seiner Art ein großes kompliziertes Haus. Wenn
du in seinen Leib schaust, so siehst du Kammern und Gänge
aller Art. Hier das Herz, dort die beiden Lungenflügel, den
Magen, die Gedärme, -- kurz die Organe. Die sehen unter¬
einander gewiß auch verschieden genug aus. Und ihre Be¬
stimmungen sind die allerverschiedensten: im Herzen wird das
Blut gepumpt, in der Lunge wird es gereinigt, im Magen und
Darm wird Speise verarbeitet und so fort.

Und doch: prüfe auch hier die Wand eines solchen Organs.
Schneide ein Stück Darm aus und lege es unter gute Ver¬
größerungsgläser. Du erlebst etwas ähnliches, wie bei der
wirklichen Hauswand. Diese Darmwand besteht natürlich nicht
aus Ziegelsteinen. Aber sie besteht auch aus gewissen kleinen
Bauteilen, die im kleinen allen Ernstes beinahe wie winzige
Steinchen Stück für Stück aufeinander kleben und den ganzen
Darm regelrecht zusammensetzen, wie jene Ziegel die massive
Hauswand. Der wesentlichste Unterschied ist, abgesehen von der

Alſo denke dir ein großes Haus. Mit einer Maſſe von
Zimmern. Die Zimmer haben ſehr verſchiedene Höhe und
Größe und ſind ganz verſchieden möbliert. Das eine dient
dieſen Zwecken, das andere jenen: Schlafzimmer, Eßzimmer,
Küche u. ſ. w. Die Zimmer ſind alſo unter ſich ſo ungleich
wie möglich, wenn ſchon ſie im Ganzen einem einzigen großen
Hausſtande für ſeine vielfältigen Bedürfniſſe dienen mögen.
Nun unterſuchſt du aber hinter den Möbeln und Tapeten die
Wände und du findeſt: allemal ſtößt du in dieſen Wänden auf
die ganz gleichen Baubeſtandteile, nämlich Ziegelſteine.

Da kann nun eine Wand hoch ſein oder niedrig, mag die
Wand eines Salons oder eines Korridors oder gar des Aborts
ſein: immer beſteht ſie aus an ſich ganz gleichartigen Ziegel¬
ſteinen, die Stück für Stück feſt verklebt aufeinander liegen
und das ganze Haus recht eigentlich als Elementarſtoff zu¬
ſammenſetzen.

Jetzt ſieh dir ein Tier an, ſagen wir einen Hund. Er
iſt auch in ſeiner Art ein großes kompliziertes Haus. Wenn
du in ſeinen Leib ſchauſt, ſo ſiehſt du Kammern und Gänge
aller Art. Hier das Herz, dort die beiden Lungenflügel, den
Magen, die Gedärme, — kurz die Organe. Die ſehen unter¬
einander gewiß auch verſchieden genug aus. Und ihre Be¬
ſtimmungen ſind die allerverſchiedenſten: im Herzen wird das
Blut gepumpt, in der Lunge wird es gereinigt, im Magen und
Darm wird Speiſe verarbeitet und ſo fort.

Und doch: prüfe auch hier die Wand eines ſolchen Organs.
Schneide ein Stück Darm aus und lege es unter gute Ver¬
größerungsgläſer. Du erlebſt etwas ähnliches, wie bei der
wirklichen Hauswand. Dieſe Darmwand beſteht natürlich nicht
aus Ziegelſteinen. Aber ſie beſteht auch aus gewiſſen kleinen
Bauteilen, die im kleinen allen Ernſtes beinahe wie winzige
Steinchen Stück für Stück aufeinander kleben und den ganzen
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[58/0074] Alſo denke dir ein großes Haus. Mit einer Maſſe von Zimmern. Die Zimmer haben ſehr verſchiedene Höhe und Größe und ſind ganz verſchieden möbliert. Das eine dient dieſen Zwecken, das andere jenen: Schlafzimmer, Eßzimmer, Küche u. ſ. w. Die Zimmer ſind alſo unter ſich ſo ungleich wie möglich, wenn ſchon ſie im Ganzen einem einzigen großen Hausſtande für ſeine vielfältigen Bedürfniſſe dienen mögen. Nun unterſuchſt du aber hinter den Möbeln und Tapeten die Wände und du findeſt: allemal ſtößt du in dieſen Wänden auf die ganz gleichen Baubeſtandteile, nämlich Ziegelſteine. Da kann nun eine Wand hoch ſein oder niedrig, mag die Wand eines Salons oder eines Korridors oder gar des Aborts ſein: immer beſteht ſie aus an ſich ganz gleichartigen Ziegel¬ ſteinen, die Stück für Stück feſt verklebt aufeinander liegen und das ganze Haus recht eigentlich als Elementarſtoff zu¬ ſammenſetzen. Jetzt ſieh dir ein Tier an, ſagen wir einen Hund. Er iſt auch in ſeiner Art ein großes kompliziertes Haus. Wenn du in ſeinen Leib ſchauſt, ſo ſiehſt du Kammern und Gänge aller Art. Hier das Herz, dort die beiden Lungenflügel, den Magen, die Gedärme, — kurz die Organe. Die ſehen unter¬ einander gewiß auch verſchieden genug aus. Und ihre Be¬ ſtimmungen ſind die allerverſchiedenſten: im Herzen wird das Blut gepumpt, in der Lunge wird es gereinigt, im Magen und Darm wird Speiſe verarbeitet und ſo fort. Und doch: prüfe auch hier die Wand eines ſolchen Organs. Schneide ein Stück Darm aus und lege es unter gute Ver¬ größerungsgläſer. Du erlebſt etwas ähnliches, wie bei der wirklichen Hauswand. Dieſe Darmwand beſteht natürlich nicht aus Ziegelſteinen. Aber ſie beſteht auch aus gewiſſen kleinen Bauteilen, die im kleinen allen Ernſtes beinahe wie winzige Steinchen Stück für Stück aufeinander kleben und den ganzen Darm regelrecht zuſammenſetzen, wie jene Ziegel die maſſive Hauswand. Der weſentlichſte Unterſchied iſt, abgeſehen von der

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/74>, abgerufen am 21.11.2024.