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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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die bisher nebensächliche Luftnahrungsfabrik da oben in dem
Schlundsack plötzlich die Rettung und Hauptsache. Die Wasser-
Kiemen umgekehrt wurden nebensächlich. Und wenn etwa gar
das Wasser ganz schwand, so besorgte der Luftsack einfach dieses
gesamte Ernährungsressort mit, fraß Sauerstoff und exkremen¬
tierte Kohlensäure für den ganzen Körper genug. Das frühere
Wasserlufttier konnte als reines Lufttier fortan unter freiem
Himmel auf dem Trockenen ausdauern, ohne am Lufthunger
zu ersticken.

Damit wurde von selbst jener Darm-Sack als Gewichts-
Ballon ganz überflüssig -- er versah jetzt die Dienste aus¬
schließlich wieder als Verdauungsmaschine -- -- er war eine
Lunge geworden. Und das war, zweifellos, diesmal der Weg
aus dem Fisch heraus auf den Menschen zu. Der Molchfisch
in den Gewässern Australiens, Südamerikas und Afrikas be¬
zeichnet noch gerade die Grenze. Hat er sauerstoffhaltiges
Wasser genug, so atmet er mit den Wasserkiemen. Trocknet
sein Tümpel aus oder wird das Wasser darin arm an Sauer¬
stoff, so schluckt er nur noch unmittelbar Luft ein und atmet
mit seinem Darmsack -- mit der "Schwimmblase", die natürlich
bei ihm niemals ganz zuwachsen darf. Dem Molchfisch ver¬
dankst du als später Erbe, daß du da oben "atmest im rosigen
Licht" und nicht in die Purpurtiefe des flüssigen Elementes
heute noch gebannt bist zu dem "stachlichten Rochen, dem Klippen¬
fisch und des Hammers gräulicher Ungestalt."

[Abbildung]

Gleich das nächst höhere Tier jenseits des Molchfischs
zeigt dir den ganzen ungeheuren Umschwung, den der Besitz
der Lunge bedeutete. Die kleinen quarrenden Krötlein mit

die bisher nebenſächliche Luftnahrungsfabrik da oben in dem
Schlundſack plötzlich die Rettung und Hauptſache. Die Waſſer-
Kiemen umgekehrt wurden nebenſächlich. Und wenn etwa gar
das Waſſer ganz ſchwand, ſo beſorgte der Luftſack einfach dieſes
geſamte Ernährungsreſſort mit, fraß Sauerſtoff und exkremen¬
tierte Kohlenſäure für den ganzen Körper genug. Das frühere
Waſſerlufttier konnte als reines Lufttier fortan unter freiem
Himmel auf dem Trockenen ausdauern, ohne am Lufthunger
zu erſticken.

Damit wurde von ſelbſt jener Darm-Sack als Gewichts-
Ballon ganz überflüſſig — er verſah jetzt die Dienſte aus¬
ſchließlich wieder als Verdauungsmaſchine — — er war eine
Lunge geworden. Und das war, zweifellos, diesmal der Weg
aus dem Fiſch heraus auf den Menſchen zu. Der Molchfiſch
in den Gewäſſern Auſtraliens, Südamerikas und Afrikas be¬
zeichnet noch gerade die Grenze. Hat er ſauerſtoffhaltiges
Waſſer genug, ſo atmet er mit den Waſſerkiemen. Trocknet
ſein Tümpel aus oder wird das Waſſer darin arm an Sauer¬
ſtoff, ſo ſchluckt er nur noch unmittelbar Luft ein und atmet
mit ſeinem Darmſack — mit der „Schwimmblaſe“, die natürlich
bei ihm niemals ganz zuwachſen darf. Dem Molchfiſch ver¬
dankſt du als ſpäter Erbe, daß du da oben „atmeſt im roſigen
Licht“ und nicht in die Purpurtiefe des flüſſigen Elementes
heute noch gebannt biſt zu dem „ſtachlichten Rochen, dem Klippen¬
fiſch und des Hammers gräulicher Ungeſtalt.“

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Gleich das nächſt höhere Tier jenſeits des Molchfiſchs
zeigt dir den ganzen ungeheuren Umſchwung, den der Beſitz
der Lunge bedeutete. Die kleinen quarrenden Krötlein mit

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[89/0105] die bisher nebenſächliche Luftnahrungsfabrik da oben in dem Schlundſack plötzlich die Rettung und Hauptſache. Die Waſſer- Kiemen umgekehrt wurden nebenſächlich. Und wenn etwa gar das Waſſer ganz ſchwand, ſo beſorgte der Luftſack einfach dieſes geſamte Ernährungsreſſort mit, fraß Sauerſtoff und exkremen¬ tierte Kohlenſäure für den ganzen Körper genug. Das frühere Waſſerlufttier konnte als reines Lufttier fortan unter freiem Himmel auf dem Trockenen ausdauern, ohne am Lufthunger zu erſticken. Damit wurde von ſelbſt jener Darm-Sack als Gewichts- Ballon ganz überflüſſig — er verſah jetzt die Dienſte aus¬ ſchließlich wieder als Verdauungsmaſchine — — er war eine Lunge geworden. Und das war, zweifellos, diesmal der Weg aus dem Fiſch heraus auf den Menſchen zu. Der Molchfiſch in den Gewäſſern Auſtraliens, Südamerikas und Afrikas be¬ zeichnet noch gerade die Grenze. Hat er ſauerſtoffhaltiges Waſſer genug, ſo atmet er mit den Waſſerkiemen. Trocknet ſein Tümpel aus oder wird das Waſſer darin arm an Sauer¬ ſtoff, ſo ſchluckt er nur noch unmittelbar Luft ein und atmet mit ſeinem Darmſack — mit der „Schwimmblaſe“, die natürlich bei ihm niemals ganz zuwachſen darf. Dem Molchfiſch ver¬ dankſt du als ſpäter Erbe, daß du da oben „atmeſt im roſigen Licht“ und nicht in die Purpurtiefe des flüſſigen Elementes heute noch gebannt biſt zu dem „ſtachlichten Rochen, dem Klippen¬ fiſch und des Hammers gräulicher Ungeſtalt.“ [Abbildung] Gleich das nächſt höhere Tier jenſeits des Molchfiſchs zeigt dir den ganzen ungeheuren Umſchwung, den der Beſitz der Lunge bedeutete. Die kleinen quarrenden Krötlein mit

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/105>, abgerufen am 21.11.2024.