Die Wand des Sackes enthielt Blutgefäße und diese schieden schon selber Luft aus. Das ließ sich für jenen reinen Ballon-Zweck verwerten. Bei Fischen im sehr tiefen Wasser beispielsweise konnte das Luftschnappen durch den Mund ganz eingestellt werden: die Wand des Darmsackes vorne erzeugte sich aber doch selbst die nötige Luftfüllung. Schließlich mochte der Sack vom Schlunde her gar ganz zuwachsen, also eine einfache geschlossene Blase bloß im Leibesinnern bilden: sie blieb dennoch mit Luft aus sich angefüllt. Das ist der Weg, den vom Haifisch und Stör an aufwärts die Mehrzahl der Fische gegangen sind. Der Sack wurde ihnen zur "Schwimm¬ blase", also zu einem Organ, das nach wie vor bloß im Wasser einen Zweck und zwar einen Gewichts-Zweck hatte.
Umgekehrt aber: der Nachdruck konnte auch gerade auf dem beständigen Einschlucken frischer Außenluft und dem Aus¬ strömen der inneren bleiben. Indem die Blutgefäße der Sack- Wand immerzu frische neue Luft zugeführt bekamen, gewöhnten sie sich, nicht bloß ihre Luftreste auszuscheiden, sondern auch von dieser neuen, sauerstoffreichen Luft Luftnahrung direkt in sich aufzunehmen. Sie machten einfach den Wasserkiemen im Stillen hier Konkurrenz -- der Darm (der Sack war ja bloß eine eingestülpte Darmfalte) fing an einer neuen Stelle an zu fressen und zwar diesmal nicht bloß vom Wasser mitgeschwemmte Luft, sondern Luft als solche, die das Maul unmittelbar ein¬ gepumpt hatte. Eine Weile mochte das bloß so nebenher gehen. Der Luftsack diente noch hauptsächlich als Ballon für die Ge¬ wichtsverhältnisse, etwas aber doch auch schon als Ernährungs- Hilfsapparat. Nun laß aber Situationen gekommen sein, da das Wasser für die Kiemen einmal versagte, sei es, daß der ganze See, in dem ein Fischvolk etwa lebte, austrocknete, oder daß das Wasser zeitweise schlechte und mangelhafte Luft gab, weil es stagnierte und zu viel Bewohner auf engem Fleck alle zugleich die Luft herausdestillieren wollten. In solchem Falle wurden das freie Luftschlucken an der Oberfläche des Sees und
Die Wand des Sackes enthielt Blutgefäße und dieſe ſchieden ſchon ſelber Luft aus. Das ließ ſich für jenen reinen Ballon-Zweck verwerten. Bei Fiſchen im ſehr tiefen Waſſer beiſpielsweiſe konnte das Luftſchnappen durch den Mund ganz eingeſtellt werden: die Wand des Darmſackes vorne erzeugte ſich aber doch ſelbſt die nötige Luftfüllung. Schließlich mochte der Sack vom Schlunde her gar ganz zuwachſen, alſo eine einfache geſchloſſene Blaſe bloß im Leibesinnern bilden: ſie blieb dennoch mit Luft aus ſich angefüllt. Das iſt der Weg, den vom Haifiſch und Stör an aufwärts die Mehrzahl der Fiſche gegangen ſind. Der Sack wurde ihnen zur „Schwimm¬ blaſe“, alſo zu einem Organ, das nach wie vor bloß im Waſſer einen Zweck und zwar einen Gewichts-Zweck hatte.
Umgekehrt aber: der Nachdruck konnte auch gerade auf dem beſtändigen Einſchlucken friſcher Außenluft und dem Aus¬ ſtrömen der inneren bleiben. Indem die Blutgefäße der Sack- Wand immerzu friſche neue Luft zugeführt bekamen, gewöhnten ſie ſich, nicht bloß ihre Luftreſte auszuſcheiden, ſondern auch von dieſer neuen, ſauerſtoffreichen Luft Luftnahrung direkt in ſich aufzunehmen. Sie machten einfach den Waſſerkiemen im Stillen hier Konkurrenz — der Darm (der Sack war ja bloß eine eingeſtülpte Darmfalte) fing an einer neuen Stelle an zu freſſen und zwar diesmal nicht bloß vom Waſſer mitgeſchwemmte Luft, ſondern Luft als ſolche, die das Maul unmittelbar ein¬ gepumpt hatte. Eine Weile mochte das bloß ſo nebenher gehen. Der Luftſack diente noch hauptſächlich als Ballon für die Ge¬ wichtsverhältniſſe, etwas aber doch auch ſchon als Ernährungs- Hilfsapparat. Nun laß aber Situationen gekommen ſein, da das Waſſer für die Kiemen einmal verſagte, ſei es, daß der ganze See, in dem ein Fiſchvolk etwa lebte, austrocknete, oder daß das Waſſer zeitweiſe ſchlechte und mangelhafte Luft gab, weil es ſtagnierte und zu viel Bewohner auf engem Fleck alle zugleich die Luft herausdeſtillieren wollten. In ſolchem Falle wurden das freie Luftſchlucken an der Oberfläche des Sees und
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Die Wand des Sackes enthielt Blutgefäße und dieſe
ſchieden ſchon ſelber Luft aus. Das ließ ſich für jenen reinen
Ballon-Zweck verwerten. Bei Fiſchen im ſehr tiefen Waſſer
beiſpielsweiſe konnte das Luftſchnappen durch den Mund ganz
eingeſtellt werden: die Wand des Darmſackes vorne erzeugte
ſich aber doch ſelbſt die nötige Luftfüllung. Schließlich mochte
der Sack vom Schlunde her gar ganz zuwachſen, alſo eine
einfache geſchloſſene Blaſe bloß im Leibesinnern bilden: ſie
blieb dennoch mit Luft aus ſich angefüllt. Das iſt der Weg,
den vom Haifiſch und Stör an aufwärts die Mehrzahl der
Fiſche gegangen ſind. Der Sack wurde ihnen zur „Schwimm¬
blaſe“, alſo zu einem Organ, das nach wie vor bloß im Waſſer
einen Zweck und zwar einen Gewichts-Zweck hatte.
Umgekehrt aber: der Nachdruck konnte auch gerade auf
dem beſtändigen Einſchlucken friſcher Außenluft und dem Aus¬
ſtrömen der inneren bleiben. Indem die Blutgefäße der Sack-
Wand immerzu friſche neue Luft zugeführt bekamen, gewöhnten
ſie ſich, nicht bloß ihre Luftreſte auszuſcheiden, ſondern auch
von dieſer neuen, ſauerſtoffreichen Luft Luftnahrung direkt in
ſich aufzunehmen. Sie machten einfach den Waſſerkiemen im
Stillen hier Konkurrenz — der Darm (der Sack war ja bloß
eine eingeſtülpte Darmfalte) fing an einer neuen Stelle an zu
freſſen und zwar diesmal nicht bloß vom Waſſer mitgeſchwemmte
Luft, ſondern Luft als ſolche, die das Maul unmittelbar ein¬
gepumpt hatte. Eine Weile mochte das bloß ſo nebenher gehen.
Der Luftſack diente noch hauptſächlich als Ballon für die Ge¬
wichtsverhältniſſe, etwas aber doch auch ſchon als Ernährungs-
Hilfsapparat. Nun laß aber Situationen gekommen ſein, da
das Waſſer für die Kiemen einmal verſagte, ſei es, daß der
ganze See, in dem ein Fiſchvolk etwa lebte, austrocknete, oder
daß das Waſſer zeitweiſe ſchlechte und mangelhafte Luft gab,
weil es ſtagnierte und zu viel Bewohner auf engem Fleck alle
zugleich die Luft herausdeſtillieren wollten. In ſolchem Falle
wurden das freie Luftſchlucken an der Oberfläche des Sees und
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/104>, abgerufen am 24.11.2024.
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