lich innerhalb ihres großen Leibessacks erst noch einmal zu kleinen Unter-Säcken gleichsam angeordnet: sie bilden Organe in dir, die als kleinere Zellgenossenschaften in dir so zu sagen erst eine Anzahl kleinerer Separat-Leiber bilden. Wir haben vorhin schon einmal davon gesprochen. Dein Magen, deine Lunge, dein Herz, dein Geschlechtsteil: das sind solche Separat- Leiblein in dir nochmals zwischen den Milliarden kleinster Zellen-Leiblein und deinem großen Gesamt-Leibe, den dein Ich gespiegelt sieht, wenn es hier ins blaue Wasser schaut. Doch das ist nur Nebensächliches.
Nun aber zur Hauptsache: dein Leib existiert thatsächlich nicht bloß körperlich für dich als solches Spiegelbild im Wasser oder als greifbares, hörbares, sichtbares, objektives Ding für mich hier, -- er ist zugleich innerlich und seelisch für dich dein "Ich" selbst, -- er ist deine geistige Individualität.
Magst du dir vom Boden deiner Philosophie aus den Zusammenhang nun denken wie du willst. Im Sinne, daß der körperliche Leib das Seelische "bewirkt" als eine Handlung so, wie der Sandsack als Ganzes einen bestimmten Druck auf die Wage bewirkte und sein "Gewicht" hervorbrachte. Oder so, daß es überhaupt nur ein Ding bei dir giebt, das du je nachdem als Leib oder Geist auffassest. Oder so, daß du eigentlich nur Geist bist und der Leib erst durch eine Art Subtraktionsexempel in dir, aber stets per Denkprozeß, entsteht. Diese dunklen Wasser wollen wir hier nicht aufrühren. Das Wesentliche bleibt: der leiblichen Individualität bei dir zu deinen Lebzeiten entspricht offenbar auch eine seelische.
Ist nun die leibliche Individualität nach unten zusammen¬ gesetzt aus kleineren, von ihr umschlossenen Individualitäten, -- den Zellen und so weiter -- so liegt mindestens eine hohe Wahrscheinlichkeit vor, das gleiche auch von der seelischen In¬ dividualität vorauszusetzen. Also von deinem "Ich". Die Wahrscheinlichkeit wird fast zur Gewißheit im Moment, da du dir jene öfter zwischen uns jetzt schon erwähnte That¬
lich innerhalb ihres großen Leibesſacks erſt noch einmal zu kleinen Unter-Säcken gleichſam angeordnet: ſie bilden Organe in dir, die als kleinere Zellgenoſſenſchaften in dir ſo zu ſagen erſt eine Anzahl kleinerer Separat-Leiber bilden. Wir haben vorhin ſchon einmal davon geſprochen. Dein Magen, deine Lunge, dein Herz, dein Geſchlechtsteil: das ſind ſolche Separat- Leiblein in dir nochmals zwiſchen den Milliarden kleinſter Zellen-Leiblein und deinem großen Geſamt-Leibe, den dein Ich geſpiegelt ſieht, wenn es hier ins blaue Waſſer ſchaut. Doch das iſt nur Nebenſächliches.
Nun aber zur Hauptſache: dein Leib exiſtiert thatſächlich nicht bloß körperlich für dich als ſolches Spiegelbild im Waſſer oder als greifbares, hörbares, ſichtbares, objektives Ding für mich hier, — er iſt zugleich innerlich und ſeeliſch für dich dein „Ich“ ſelbſt, — er iſt deine geiſtige Individualität.
Magſt du dir vom Boden deiner Philoſophie aus den Zuſammenhang nun denken wie du willſt. Im Sinne, daß der körperliche Leib das Seeliſche „bewirkt“ als eine Handlung ſo, wie der Sandſack als Ganzes einen beſtimmten Druck auf die Wage bewirkte und ſein „Gewicht“ hervorbrachte. Oder ſo, daß es überhaupt nur ein Ding bei dir giebt, das du je nachdem als Leib oder Geiſt auffaſſeſt. Oder ſo, daß du eigentlich nur Geiſt biſt und der Leib erſt durch eine Art Subtraktionsexempel in dir, aber ſtets per Denkprozeß, entſteht. Dieſe dunklen Waſſer wollen wir hier nicht aufrühren. Das Weſentliche bleibt: der leiblichen Individualität bei dir zu deinen Lebzeiten entſpricht offenbar auch eine ſeeliſche.
Iſt nun die leibliche Individualität nach unten zuſammen¬ geſetzt aus kleineren, von ihr umſchloſſenen Individualitäten, — den Zellen und ſo weiter — ſo liegt mindeſtens eine hohe Wahrſcheinlichkeit vor, das gleiche auch von der ſeeliſchen In¬ dividualität vorauszuſetzen. Alſo von deinem „Ich“. Die Wahrſcheinlichkeit wird faſt zur Gewißheit im Moment, da du dir jene öfter zwiſchen uns jetzt ſchon erwähnte That¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0135"n="119"/>
lich innerhalb ihres großen Leibesſacks erſt noch einmal zu<lb/>
kleinen Unter-Säcken gleichſam angeordnet: ſie bilden Organe<lb/>
in dir, die als kleinere Zellgenoſſenſchaften in dir ſo zu ſagen<lb/>
erſt eine Anzahl kleinerer Separat-Leiber bilden. Wir haben<lb/>
vorhin ſchon einmal davon geſprochen. Dein Magen, deine<lb/>
Lunge, dein Herz, dein Geſchlechtsteil: das ſind ſolche Separat-<lb/>
Leiblein in dir nochmals zwiſchen den Milliarden kleinſter<lb/>
Zellen-Leiblein und deinem großen Geſamt-Leibe, den dein<lb/>
Ich geſpiegelt ſieht, wenn es hier ins blaue Waſſer ſchaut.<lb/>
Doch das iſt nur Nebenſächliches.</p><lb/><p>Nun aber zur Hauptſache: dein Leib exiſtiert thatſächlich<lb/>
nicht bloß körperlich für dich als ſolches Spiegelbild im Waſſer<lb/>
oder als greifbares, hörbares, ſichtbares, objektives Ding für<lb/>
mich hier, — er iſt zugleich innerlich und ſeeliſch für dich dein<lb/>„Ich“ſelbſt, — er iſt deine geiſtige Individualität.</p><lb/><p>Magſt du dir vom Boden deiner Philoſophie aus den<lb/>
Zuſammenhang nun denken wie du willſt. Im Sinne, daß<lb/>
der körperliche Leib das Seeliſche „bewirkt“ als eine Handlung<lb/>ſo, wie der Sandſack als Ganzes einen beſtimmten Druck auf<lb/>
die Wage bewirkte und ſein „Gewicht“ hervorbrachte. Oder<lb/>ſo, daß es überhaupt nur ein Ding bei dir giebt, das du je<lb/>
nachdem als Leib oder Geiſt auffaſſeſt. Oder ſo, daß du<lb/>
eigentlich nur Geiſt biſt und der Leib erſt durch eine Art<lb/>
Subtraktionsexempel in dir, aber ſtets <hirendition="#g">per Denkprozeß</hi>,<lb/>
entſteht. Dieſe dunklen Waſſer wollen wir hier nicht aufrühren.<lb/>
Das Weſentliche bleibt: der leiblichen Individualität bei dir zu<lb/>
deinen Lebzeiten entſpricht offenbar auch eine ſeeliſche.</p><lb/><p>Iſt nun die leibliche Individualität nach unten zuſammen¬<lb/>
geſetzt aus kleineren, von ihr umſchloſſenen Individualitäten,<lb/>— den Zellen und ſo weiter —ſo liegt mindeſtens eine hohe<lb/>
Wahrſcheinlichkeit vor, das gleiche auch von der ſeeliſchen In¬<lb/>
dividualität vorauszuſetzen. Alſo von deinem „Ich“. Die<lb/>
Wahrſcheinlichkeit wird faſt zur Gewißheit im Moment, da<lb/>
du dir jene öfter zwiſchen uns jetzt ſchon erwähnte That¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[119/0135]
lich innerhalb ihres großen Leibesſacks erſt noch einmal zu
kleinen Unter-Säcken gleichſam angeordnet: ſie bilden Organe
in dir, die als kleinere Zellgenoſſenſchaften in dir ſo zu ſagen
erſt eine Anzahl kleinerer Separat-Leiber bilden. Wir haben
vorhin ſchon einmal davon geſprochen. Dein Magen, deine
Lunge, dein Herz, dein Geſchlechtsteil: das ſind ſolche Separat-
Leiblein in dir nochmals zwiſchen den Milliarden kleinſter
Zellen-Leiblein und deinem großen Geſamt-Leibe, den dein
Ich geſpiegelt ſieht, wenn es hier ins blaue Waſſer ſchaut.
Doch das iſt nur Nebenſächliches.
Nun aber zur Hauptſache: dein Leib exiſtiert thatſächlich
nicht bloß körperlich für dich als ſolches Spiegelbild im Waſſer
oder als greifbares, hörbares, ſichtbares, objektives Ding für
mich hier, — er iſt zugleich innerlich und ſeeliſch für dich dein
„Ich“ ſelbſt, — er iſt deine geiſtige Individualität.
Magſt du dir vom Boden deiner Philoſophie aus den
Zuſammenhang nun denken wie du willſt. Im Sinne, daß
der körperliche Leib das Seeliſche „bewirkt“ als eine Handlung
ſo, wie der Sandſack als Ganzes einen beſtimmten Druck auf
die Wage bewirkte und ſein „Gewicht“ hervorbrachte. Oder
ſo, daß es überhaupt nur ein Ding bei dir giebt, das du je
nachdem als Leib oder Geiſt auffaſſeſt. Oder ſo, daß du
eigentlich nur Geiſt biſt und der Leib erſt durch eine Art
Subtraktionsexempel in dir, aber ſtets per Denkprozeß,
entſteht. Dieſe dunklen Waſſer wollen wir hier nicht aufrühren.
Das Weſentliche bleibt: der leiblichen Individualität bei dir zu
deinen Lebzeiten entſpricht offenbar auch eine ſeeliſche.
Iſt nun die leibliche Individualität nach unten zuſammen¬
geſetzt aus kleineren, von ihr umſchloſſenen Individualitäten,
— den Zellen und ſo weiter — ſo liegt mindeſtens eine hohe
Wahrſcheinlichkeit vor, das gleiche auch von der ſeeliſchen In¬
dividualität vorauszuſetzen. Alſo von deinem „Ich“. Die
Wahrſcheinlichkeit wird faſt zur Gewißheit im Moment, da
du dir jene öfter zwiſchen uns jetzt ſchon erwähnte That¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/135>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.