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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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sache ins Gedächtnis rufst: daß mindestens jede Zelle auch eine
seelische Individualität wirklich ist.

Das klingt ja dem ungeübten Ohr immer wieder seltsam
genug: jedes mikroskopisch kleine Zellchen da in deiner Haut,
deinem Darm, deiner Leber oder Niere soll ein Seelchen für
sich in sich tragen so gut wie es ein körperliches Einzel-Zellchen
in dem großen Zellverbande deines Leibes darstellt! Und doch
ist die Sache sehr wenig wunderbar, wenn du höchst simple,
alltägliche Thatsachen ins Auge faßt.

Da leben in Bazillen, Amöben, Moneren, Radiolarien
und so weiter und weiter allerorten auf Erden dir lebende
Wesen mit allen Zeichen selbständigen Lebens, die überhaupt
nie etwas anderes darstellen als eine einzige derartige Zelle.
Sie sind leiblich und seelisch vollkommenes Individuum wie
du -- und bilden doch nur eine Zelle, eines jener Körperchen,
deren Milliarden deinen Leib aufbauen. Aus solchen Ein-
Zellern hat geschichtlich sich erst der wunderbare Zellen-Staat
deines Leibes entwickelt, -- allmählich, erst als roher Zell¬
klumpen, dann, indem die Zellen dieses Klumpens eine feinere
Arbeitsgenossenschaft mit Arbeitsteilung bildeten, sich in Organe
sonderten, wie eine soziale Roh-Masse sich in Zünfte zerteilt,
von denen diese die Stiefel macht, diese die Röcke und jene die
Theaterstücke. Sollten die Einzel-Zellen dieses raffinierten
Staates, den du als "Leib" besitzst, in dir selbst keine Zell-
Seele mehr besitzen, so müßten sie sie mindestens nachträglich
noch wieder verloren haben! Aber haben sie das wirklich?

Überlege dir nur eine einzige Thatsache, die aber so ein¬
dringlich spricht, daß eigentlich jeder Widerspruch augenblicklich
verstummen muß. Denke dir, hier stände ein Mikroskop und
durch dieses Mikroskop schautest du in das tiefste Wunder, das
dein eigener Leib dir gewähren kann. Ein Tröpflein deines
eigenen Samens soll in frischem warmem Zustande im Licht¬
felde des Mikroskops liegen.

Das ist nun ein Teilchen, ein Tröpflein deines eigensten

ſache ins Gedächtnis rufſt: daß mindeſtens jede Zelle auch eine
ſeeliſche Individualität wirklich iſt.

Das klingt ja dem ungeübten Ohr immer wieder ſeltſam
genug: jedes mikroſkopiſch kleine Zellchen da in deiner Haut,
deinem Darm, deiner Leber oder Niere ſoll ein Seelchen für
ſich in ſich tragen ſo gut wie es ein körperliches Einzel-Zellchen
in dem großen Zellverbande deines Leibes darſtellt! Und doch
iſt die Sache ſehr wenig wunderbar, wenn du höchſt ſimple,
alltägliche Thatſachen ins Auge faßt.

Da leben in Bazillen, Amöben, Moneren, Radiolarien
und ſo weiter und weiter allerorten auf Erden dir lebende
Weſen mit allen Zeichen ſelbſtändigen Lebens, die überhaupt
nie etwas anderes darſtellen als eine einzige derartige Zelle.
Sie ſind leiblich und ſeeliſch vollkommenes Individuum wie
du — und bilden doch nur eine Zelle, eines jener Körperchen,
deren Milliarden deinen Leib aufbauen. Aus ſolchen Ein-
Zellern hat geſchichtlich ſich erſt der wunderbare Zellen-Staat
deines Leibes entwickelt, — allmählich, erſt als roher Zell¬
klumpen, dann, indem die Zellen dieſes Klumpens eine feinere
Arbeitsgenoſſenſchaft mit Arbeitsteilung bildeten, ſich in Organe
ſonderten, wie eine ſoziale Roh-Maſſe ſich in Zünfte zerteilt,
von denen dieſe die Stiefel macht, dieſe die Röcke und jene die
Theaterſtücke. Sollten die Einzel-Zellen dieſes raffinierten
Staates, den du als „Leib“ beſitzſt, in dir ſelbſt keine Zell-
Seele mehr beſitzen, ſo müßten ſie ſie mindeſtens nachträglich
noch wieder verloren haben! Aber haben ſie das wirklich?

Überlege dir nur eine einzige Thatſache, die aber ſo ein¬
dringlich ſpricht, daß eigentlich jeder Widerſpruch augenblicklich
verſtummen muß. Denke dir, hier ſtände ein Mikroſkop und
durch dieſes Mikroſkop ſchauteſt du in das tiefſte Wunder, das
dein eigener Leib dir gewähren kann. Ein Tröpflein deines
eigenen Samens ſoll in friſchem warmem Zuſtande im Licht¬
felde des Mikroſkops liegen.

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[120/0136] ſache ins Gedächtnis rufſt: daß mindeſtens jede Zelle auch eine ſeeliſche Individualität wirklich iſt. Das klingt ja dem ungeübten Ohr immer wieder ſeltſam genug: jedes mikroſkopiſch kleine Zellchen da in deiner Haut, deinem Darm, deiner Leber oder Niere ſoll ein Seelchen für ſich in ſich tragen ſo gut wie es ein körperliches Einzel-Zellchen in dem großen Zellverbande deines Leibes darſtellt! Und doch iſt die Sache ſehr wenig wunderbar, wenn du höchſt ſimple, alltägliche Thatſachen ins Auge faßt. Da leben in Bazillen, Amöben, Moneren, Radiolarien und ſo weiter und weiter allerorten auf Erden dir lebende Weſen mit allen Zeichen ſelbſtändigen Lebens, die überhaupt nie etwas anderes darſtellen als eine einzige derartige Zelle. Sie ſind leiblich und ſeeliſch vollkommenes Individuum wie du — und bilden doch nur eine Zelle, eines jener Körperchen, deren Milliarden deinen Leib aufbauen. Aus ſolchen Ein- Zellern hat geſchichtlich ſich erſt der wunderbare Zellen-Staat deines Leibes entwickelt, — allmählich, erſt als roher Zell¬ klumpen, dann, indem die Zellen dieſes Klumpens eine feinere Arbeitsgenoſſenſchaft mit Arbeitsteilung bildeten, ſich in Organe ſonderten, wie eine ſoziale Roh-Maſſe ſich in Zünfte zerteilt, von denen dieſe die Stiefel macht, dieſe die Röcke und jene die Theaterſtücke. Sollten die Einzel-Zellen dieſes raffinierten Staates, den du als „Leib“ beſitzſt, in dir ſelbſt keine Zell- Seele mehr beſitzen, ſo müßten ſie ſie mindeſtens nachträglich noch wieder verloren haben! Aber haben ſie das wirklich? Überlege dir nur eine einzige Thatſache, die aber ſo ein¬ dringlich ſpricht, daß eigentlich jeder Widerſpruch augenblicklich verſtummen muß. Denke dir, hier ſtände ein Mikroſkop und durch dieſes Mikroſkop ſchauteſt du in das tiefſte Wunder, das dein eigener Leib dir gewähren kann. Ein Tröpflein deines eigenen Samens ſoll in friſchem warmem Zuſtande im Licht¬ felde des Mikroſkops liegen. Das iſt nun ein Teilchen, ein Tröpflein deines eigenſten

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/136>, abgerufen am 21.11.2024.