sich auch genau so benimmt. Daß sie sich in den Haaren liegen, ist eben bloß Wasser auf die Mühle unserer Betrachtungsart.
Ein anderes Beispiel trägt deine Liebste im Ohr. Die rosenrote Kugel ihres Korallenohrringes ist aus einer Kalkmasse herausgeschliffen, die ursprünglich ähnlich wie dein Bade¬ schwamm das Gerüst oder Gerippe eines echten Tierstocks bildete: des Korallenstocks. Der gangbare Name hat auch hier schon das Wort Stock als das nächstliegende vorweggenommen. Das zierliche Korallenzweiglein, das den Stoff hergab, stellte in lebendigem Zustande im blauen Mittelmeer eine Kolonie ge¬ sellig hausender Korallentiere (also einer Art Polypen) dar. Auch diese Korallen sind, obwohl jede eine echte Person ist wie du, unter sich verwachsen. Ihre Kalkgerippe, die sie sich bilden, hängen als geschlossene Masse zusammen und durch diese ge¬ meinsame Knochenmasse fließt in Kanälen auch der Nahrungs¬ saft aller wie eine gemeinsame Suppe durch die ganze Kolonie. Ungeheuerlich sind die Mengen solcher Korallenpersönchen in einzelnen großen Stöcken. Millionen einzelner Persönchen drängen sich gelegentlich auf ein paar Kubikfuß Raum. Dabei sinkt die Einzelgröße natürlich oft bis ins "Unsichtbare", ins Mikroskopische hinab. Um so riesiger aber dehnen sich wieder in ihrer Gesamtmasse die Stöcke aus. Indem beständig neue Kolonien sich auf den Kalkgerippen älterer, absterbender auf¬ thun, entstehen in den warmen Meeren jene kolossalen Korallen¬ riffe, deren größtes an der Nordküste Australiens zweihundert Meilen an Länge mißt. Von jenem hübschen Prinzip der Arbeitsteilung ist in diesen Korallenstöcken allerdings durchweg nur wenig entwickelt. Höchstens einmal kommen besondere "Trink-Personen" vor, also bestimmte Einzelkorallchen im Stock, die keine Nahrung mehr fangen und geschlechtslos sind, dafür aber für die ganze Kolonie mit beständig Wasser ein¬ pumpen. Die Kolonie steht noch jenseits vom Alkohol, -- also bloß staatlich angestellte Wassertrinker von Profession.
Das tollste Exempel endlich, das zugleich die Arbeits¬
ſich auch genau ſo benimmt. Daß ſie ſich in den Haaren liegen, iſt eben bloß Waſſer auf die Mühle unſerer Betrachtungsart.
Ein anderes Beiſpiel trägt deine Liebſte im Ohr. Die roſenrote Kugel ihres Korallenohrringes iſt aus einer Kalkmaſſe herausgeſchliffen, die urſprünglich ähnlich wie dein Bade¬ ſchwamm das Gerüſt oder Gerippe eines echten Tierſtocks bildete: des Korallenſtocks. Der gangbare Name hat auch hier ſchon das Wort Stock als das nächſtliegende vorweggenommen. Das zierliche Korallenzweiglein, das den Stoff hergab, ſtellte in lebendigem Zuſtande im blauen Mittelmeer eine Kolonie ge¬ ſellig hauſender Korallentiere (alſo einer Art Polypen) dar. Auch dieſe Korallen ſind, obwohl jede eine echte Perſon iſt wie du, unter ſich verwachſen. Ihre Kalkgerippe, die ſie ſich bilden, hängen als geſchloſſene Maſſe zuſammen und durch dieſe ge¬ meinſame Knochenmaſſe fließt in Kanälen auch der Nahrungs¬ ſaft aller wie eine gemeinſame Suppe durch die ganze Kolonie. Ungeheuerlich ſind die Mengen ſolcher Korallenperſönchen in einzelnen großen Stöcken. Millionen einzelner Perſönchen drängen ſich gelegentlich auf ein paar Kubikfuß Raum. Dabei ſinkt die Einzelgröße natürlich oft bis ins „Unſichtbare“, ins Mikroſkopiſche hinab. Um ſo rieſiger aber dehnen ſich wieder in ihrer Geſamtmaſſe die Stöcke aus. Indem beſtändig neue Kolonien ſich auf den Kalkgerippen älterer, abſterbender auf¬ thun, entſtehen in den warmen Meeren jene koloſſalen Korallen¬ riffe, deren größtes an der Nordküſte Auſtraliens zweihundert Meilen an Länge mißt. Von jenem hübſchen Prinzip der Arbeitsteilung iſt in dieſen Korallenſtöcken allerdings durchweg nur wenig entwickelt. Höchſtens einmal kommen beſondere „Trink-Perſonen“ vor, alſo beſtimmte Einzelkorallchen im Stock, die keine Nahrung mehr fangen und geſchlechtslos ſind, dafür aber für die ganze Kolonie mit beſtändig Waſſer ein¬ pumpen. Die Kolonie ſteht noch jenſeits vom Alkohol, — alſo bloß ſtaatlich angeſtellte Waſſertrinker von Profeſſion.
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ſich auch genau ſo benimmt. Daß ſie ſich in den Haaren liegen,
iſt eben bloß Waſſer auf die Mühle unſerer Betrachtungsart.
Ein anderes Beiſpiel trägt deine Liebſte im Ohr. Die
roſenrote Kugel ihres Korallenohrringes iſt aus einer Kalkmaſſe
herausgeſchliffen, die urſprünglich ähnlich wie dein Bade¬
ſchwamm das Gerüſt oder Gerippe eines echten Tierſtocks bildete:
des Korallenſtocks. Der gangbare Name hat auch hier ſchon
das Wort Stock als das nächſtliegende vorweggenommen. Das
zierliche Korallenzweiglein, das den Stoff hergab, ſtellte in
lebendigem Zuſtande im blauen Mittelmeer eine Kolonie ge¬
ſellig hauſender Korallentiere (alſo einer Art Polypen) dar. Auch
dieſe Korallen ſind, obwohl jede eine echte Perſon iſt wie du,
unter ſich verwachſen. Ihre Kalkgerippe, die ſie ſich bilden,
hängen als geſchloſſene Maſſe zuſammen und durch dieſe ge¬
meinſame Knochenmaſſe fließt in Kanälen auch der Nahrungs¬
ſaft aller wie eine gemeinſame Suppe durch die ganze Kolonie.
Ungeheuerlich ſind die Mengen ſolcher Korallenperſönchen in
einzelnen großen Stöcken. Millionen einzelner Perſönchen
drängen ſich gelegentlich auf ein paar Kubikfuß Raum. Dabei
ſinkt die Einzelgröße natürlich oft bis ins „Unſichtbare“, ins
Mikroſkopiſche hinab. Um ſo rieſiger aber dehnen ſich wieder
in ihrer Geſamtmaſſe die Stöcke aus. Indem beſtändig neue
Kolonien ſich auf den Kalkgerippen älterer, abſterbender auf¬
thun, entſtehen in den warmen Meeren jene koloſſalen Korallen¬
riffe, deren größtes an der Nordküſte Auſtraliens zweihundert
Meilen an Länge mißt. Von jenem hübſchen Prinzip der
Arbeitsteilung iſt in dieſen Korallenſtöcken allerdings durchweg
nur wenig entwickelt. Höchſtens einmal kommen beſondere
„Trink-Perſonen“ vor, alſo beſtimmte Einzelkorallchen im
Stock, die keine Nahrung mehr fangen und geſchlechtslos ſind,
dafür aber für die ganze Kolonie mit beſtändig Waſſer ein¬
pumpen. Die Kolonie ſteht noch jenſeits vom Alkohol, —
alſo bloß ſtaatlich angeſtellte Waſſertrinker von Profeſſion.
Das tollſte Exempel endlich, das zugleich die Arbeits¬
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/143>, abgerufen am 24.11.2024.
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