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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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teilung auf die Spitze treibt, bieten jene Siphonophorenquallen,
von denen wir schon einmal sehr ausführlich geredet haben.
Es sind schwimmende Quallenstöcke, in denen auch Hunderte
und mehr von Einzelquallen zusammengewachsen sind. Genau
wie in deiner Person die Zellen, so haben hier die Quallen-
Personen nochmals wieder sich zu regelrechten Organen im Ge¬
samtstock gegliedert: diese fressen nur noch, jene rudern, jene pflanzen
sich fort -- alle aber für alle anderen in der Genossenschaft mit.

Du siehst: diese Neigung zur Stockbildung über die liebe
Einzelperson hinaus ist durch die ganze Lebewelt, Pflanzen wie
Tiere, von früh an verbreitet. Es hätte nicht mit rechten
Dingen zugehen müssen, wenn der Mensch, dieser Sprößling
des Tierreichs, nicht auch eine Tendenz dazu mitbekommen hätte.
Und kein Zweifel, er hat sie wirklich in sich, so lange er be¬
steht und desto mehr, je länger er besteht.

Allerdings: von einem "Menschenstock" zu reden, fällt für
gewöhnlich niemand ein, das Wort erscheint fremdartig. Es ist
aber nur eben das Wort. Alle die andern Worte, die wir
vorhin so gelegentlich dem Begriff als gleichbedeutend unter¬
geschoben haben, -- Genossenschaft, Kolonie, Stamm, sozialer
Verband -- sie sind ja streng alle gerade dem bewußten
Menschentier entnommen, dir und deinesgleichen, nicht Quallen,
Korallen oder Kieferbäumen.

Gleich dein oberstes Wort ist eine solche Stockbezeichnung:
Menschheit. Das Wort ist in diesem Falle, wie so vieles, mit
dem du alle Tage heute schon hitzig operierst, eigentlich ein
Idealbegriff. Es ist wenigstens im klar bewußten Sinn noch
nicht so, sondern es soll sich erst erfüllen, daß alle Menschen
auf Erden eine einzige Hilfsgenossenschaft, einen Stock, ein
höheres Individuum wirklich bilden. Wir hoffen es, haben es
aber noch nicht. Immerhin kann die allgemeine Tendenz nach
einer Universal-Stockbildung des Menschentiers auf Erden nicht
schärfer bezeichnet werden, als gerade mit diesem äußersten Ideal¬
wort. Was die Quallen und Korallen sich wahrlich noch nicht

teilung auf die Spitze treibt, bieten jene Siphonophorenquallen,
von denen wir ſchon einmal ſehr ausführlich geredet haben.
Es ſind ſchwimmende Quallenſtöcke, in denen auch Hunderte
und mehr von Einzelquallen zuſammengewachſen ſind. Genau
wie in deiner Perſon die Zellen, ſo haben hier die Quallen-
Perſonen nochmals wieder ſich zu regelrechten Organen im Ge¬
ſamtſtock gegliedert: dieſe freſſen nur noch, jene rudern, jene pflanzen
ſich fort — alle aber für alle anderen in der Genoſſenſchaft mit.

Du ſiehſt: dieſe Neigung zur Stockbildung über die liebe
Einzelperſon hinaus iſt durch die ganze Lebewelt, Pflanzen wie
Tiere, von früh an verbreitet. Es hätte nicht mit rechten
Dingen zugehen müſſen, wenn der Menſch, dieſer Sprößling
des Tierreichs, nicht auch eine Tendenz dazu mitbekommen hätte.
Und kein Zweifel, er hat ſie wirklich in ſich, ſo lange er be¬
ſteht und deſto mehr, je länger er beſteht.

Allerdings: von einem „Menſchenſtock“ zu reden, fällt für
gewöhnlich niemand ein, das Wort erſcheint fremdartig. Es iſt
aber nur eben das Wort. Alle die andern Worte, die wir
vorhin ſo gelegentlich dem Begriff als gleichbedeutend unter¬
geſchoben haben, — Genoſſenſchaft, Kolonie, Stamm, ſozialer
Verband — ſie ſind ja ſtreng alle gerade dem bewußten
Menſchentier entnommen, dir und deinesgleichen, nicht Quallen,
Korallen oder Kieferbäumen.

Gleich dein oberſtes Wort iſt eine ſolche Stockbezeichnung:
Menſchheit. Das Wort iſt in dieſem Falle, wie ſo vieles, mit
dem du alle Tage heute ſchon hitzig operierſt, eigentlich ein
Idealbegriff. Es iſt wenigſtens im klar bewußten Sinn noch
nicht ſo, ſondern es ſoll ſich erſt erfüllen, daß alle Menſchen
auf Erden eine einzige Hilfsgenoſſenſchaft, einen Stock, ein
höheres Individuum wirklich bilden. Wir hoffen es, haben es
aber noch nicht. Immerhin kann die allgemeine Tendenz nach
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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/144>, abgerufen am 24.11.2024.