teilung auf die Spitze treibt, bieten jene Siphonophorenquallen, von denen wir schon einmal sehr ausführlich geredet haben. Es sind schwimmende Quallenstöcke, in denen auch Hunderte und mehr von Einzelquallen zusammengewachsen sind. Genau wie in deiner Person die Zellen, so haben hier die Quallen- Personen nochmals wieder sich zu regelrechten Organen im Ge¬ samtstock gegliedert: diese fressen nur noch, jene rudern, jene pflanzen sich fort -- alle aber für alle anderen in der Genossenschaft mit.
Du siehst: diese Neigung zur Stockbildung über die liebe Einzelperson hinaus ist durch die ganze Lebewelt, Pflanzen wie Tiere, von früh an verbreitet. Es hätte nicht mit rechten Dingen zugehen müssen, wenn der Mensch, dieser Sprößling des Tierreichs, nicht auch eine Tendenz dazu mitbekommen hätte. Und kein Zweifel, er hat sie wirklich in sich, so lange er be¬ steht und desto mehr, je länger er besteht.
Allerdings: von einem "Menschenstock" zu reden, fällt für gewöhnlich niemand ein, das Wort erscheint fremdartig. Es ist aber nur eben das Wort. Alle die andern Worte, die wir vorhin so gelegentlich dem Begriff als gleichbedeutend unter¬ geschoben haben, -- Genossenschaft, Kolonie, Stamm, sozialer Verband -- sie sind ja streng alle gerade dem bewußten Menschentier entnommen, dir und deinesgleichen, nicht Quallen, Korallen oder Kieferbäumen.
Gleich dein oberstes Wort ist eine solche Stockbezeichnung: Menschheit. Das Wort ist in diesem Falle, wie so vieles, mit dem du alle Tage heute schon hitzig operierst, eigentlich ein Idealbegriff. Es ist wenigstens im klar bewußten Sinn noch nicht so, sondern es soll sich erst erfüllen, daß alle Menschen auf Erden eine einzige Hilfsgenossenschaft, einen Stock, ein höheres Individuum wirklich bilden. Wir hoffen es, haben es aber noch nicht. Immerhin kann die allgemeine Tendenz nach einer Universal-Stockbildung des Menschentiers auf Erden nicht schärfer bezeichnet werden, als gerade mit diesem äußersten Ideal¬ wort. Was die Quallen und Korallen sich wahrlich noch nicht
teilung auf die Spitze treibt, bieten jene Siphonophorenquallen, von denen wir ſchon einmal ſehr ausführlich geredet haben. Es ſind ſchwimmende Quallenſtöcke, in denen auch Hunderte und mehr von Einzelquallen zuſammengewachſen ſind. Genau wie in deiner Perſon die Zellen, ſo haben hier die Quallen- Perſonen nochmals wieder ſich zu regelrechten Organen im Ge¬ ſamtſtock gegliedert: dieſe freſſen nur noch, jene rudern, jene pflanzen ſich fort — alle aber für alle anderen in der Genoſſenſchaft mit.
Du ſiehſt: dieſe Neigung zur Stockbildung über die liebe Einzelperſon hinaus iſt durch die ganze Lebewelt, Pflanzen wie Tiere, von früh an verbreitet. Es hätte nicht mit rechten Dingen zugehen müſſen, wenn der Menſch, dieſer Sprößling des Tierreichs, nicht auch eine Tendenz dazu mitbekommen hätte. Und kein Zweifel, er hat ſie wirklich in ſich, ſo lange er be¬ ſteht und deſto mehr, je länger er beſteht.
Allerdings: von einem „Menſchenſtock“ zu reden, fällt für gewöhnlich niemand ein, das Wort erſcheint fremdartig. Es iſt aber nur eben das Wort. Alle die andern Worte, die wir vorhin ſo gelegentlich dem Begriff als gleichbedeutend unter¬ geſchoben haben, — Genoſſenſchaft, Kolonie, Stamm, ſozialer Verband — ſie ſind ja ſtreng alle gerade dem bewußten Menſchentier entnommen, dir und deinesgleichen, nicht Quallen, Korallen oder Kieferbäumen.
Gleich dein oberſtes Wort iſt eine ſolche Stockbezeichnung: Menſchheit. Das Wort iſt in dieſem Falle, wie ſo vieles, mit dem du alle Tage heute ſchon hitzig operierſt, eigentlich ein Idealbegriff. Es iſt wenigſtens im klar bewußten Sinn noch nicht ſo, ſondern es ſoll ſich erſt erfüllen, daß alle Menſchen auf Erden eine einzige Hilfsgenoſſenſchaft, einen Stock, ein höheres Individuum wirklich bilden. Wir hoffen es, haben es aber noch nicht. Immerhin kann die allgemeine Tendenz nach einer Univerſal-Stockbildung des Menſchentiers auf Erden nicht ſchärfer bezeichnet werden, als gerade mit dieſem äußerſten Ideal¬ wort. Was die Quallen und Korallen ſich wahrlich noch nicht
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teilung auf die Spitze treibt, bieten jene Siphonophorenquallen,
von denen wir ſchon einmal ſehr ausführlich geredet haben.
Es ſind ſchwimmende Quallenſtöcke, in denen auch Hunderte
und mehr von Einzelquallen zuſammengewachſen ſind. Genau
wie in deiner Perſon die Zellen, ſo haben hier die Quallen-
Perſonen nochmals wieder ſich zu regelrechten Organen im Ge¬
ſamtſtock gegliedert: dieſe freſſen nur noch, jene rudern, jene pflanzen
ſich fort — alle aber für alle anderen in der Genoſſenſchaft mit.
Du ſiehſt: dieſe Neigung zur Stockbildung über die liebe
Einzelperſon hinaus iſt durch die ganze Lebewelt, Pflanzen wie
Tiere, von früh an verbreitet. Es hätte nicht mit rechten
Dingen zugehen müſſen, wenn der Menſch, dieſer Sprößling
des Tierreichs, nicht auch eine Tendenz dazu mitbekommen hätte.
Und kein Zweifel, er hat ſie wirklich in ſich, ſo lange er be¬
ſteht und deſto mehr, je länger er beſteht.
Allerdings: von einem „Menſchenſtock“ zu reden, fällt für
gewöhnlich niemand ein, das Wort erſcheint fremdartig. Es iſt
aber nur eben das Wort. Alle die andern Worte, die wir
vorhin ſo gelegentlich dem Begriff als gleichbedeutend unter¬
geſchoben haben, — Genoſſenſchaft, Kolonie, Stamm, ſozialer
Verband — ſie ſind ja ſtreng alle gerade dem bewußten
Menſchentier entnommen, dir und deinesgleichen, nicht Quallen,
Korallen oder Kieferbäumen.
Gleich dein oberſtes Wort iſt eine ſolche Stockbezeichnung:
Menſchheit. Das Wort iſt in dieſem Falle, wie ſo vieles, mit
dem du alle Tage heute ſchon hitzig operierſt, eigentlich ein
Idealbegriff. Es iſt wenigſtens im klar bewußten Sinn noch
nicht ſo, ſondern es ſoll ſich erſt erfüllen, daß alle Menſchen
auf Erden eine einzige Hilfsgenoſſenſchaft, einen Stock, ein
höheres Individuum wirklich bilden. Wir hoffen es, haben es
aber noch nicht. Immerhin kann die allgemeine Tendenz nach
einer Univerſal-Stockbildung des Menſchentiers auf Erden nicht
ſchärfer bezeichnet werden, als gerade mit dieſem äußerſten Ideal¬
wort. Was die Quallen und Korallen ſich wahrlich noch nicht
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/144>, abgerufen am 24.11.2024.
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