-- vor allem -- immer nur momentane, die jeden nächsten Augenblick beliebig wieder abgestellt werden können.
Zunächst verständigen sich die beiden Personen über einen festen Plan ihrer gemeinsamen Arbeit auf Gegenseitigkeit. Der eine soll für den andern etwas mit sehen, und der wird ihn so lange mit füttern. Diese Verständigung erfolgt ent¬ weder so, daß der eine bestimmte Luftwellen erzeugt, die das Ohr des anderen erreichen; und umgekehrt. Oder so, daß der eine mit der Hand auf Papier bestimmte Figuren malt, die bestimmte Lichtreflexe ergeben und diese reflektierten Lichtwellen treffen das Auge des zweiten; und umgekehrt. Nötig ist dazu ein längst vereinbartes Zeichensystem sowohl für die Schall¬ wellen wie für die Lichtwellen. Dieses System giebt die Sprache, eine schon alt überkommene Genossenschafts-Ein¬ richtung der Menschheit, die unseren beiden Personen schon von Kindheit auf durch eine Art sozialer Vererbung übermittelt worden ist. Je nach Bedarf äußert diese Sprache sich in gesprochenem Wort (durch Schallwellen) oder als geschriebenes Wort (durch Lichtwellen). Mindestens das geschriebene Wort hat dabei heute schon in vollem Maße die gute Eigenschaft, daß es bei ihm auf die Länge der räumlichen Entfernung zwischen den beiden Personen überhaupt nicht mehr ankommt. Der eine Mensch kann schon während Abschluß des Vertrages in Chicago sitzen und der andere in Berlin: Briefe kreuzen glatt hin und her, wenn auch mit etwas Zeitaufwand. Selbst dieser Zeitaufwand kann aber auf ein Minimum verkürzt werden durch Einschaltung elektrischer Wellen: der Genossen¬ schaftsvertrag kann telegraphiert werden. Für diesen Fall liegt allerdings zwischen Amerika und Europa ein Ding, das einige Ähnlichkeit mit einem ungeheuren Siphonophorenstiel hat: das transatlantische Telegraphenkabel. Aber unsere beiden Menschen¬ personen müssen keineswegs zeitlebens mit ihrem Zellkörper an dieses Kabel angewachsen bleiben, um es benutzen zu können. Ein solcher real festgewachsener Siphonophorenstiel zwischen
— vor allem — immer nur momentane, die jeden nächſten Augenblick beliebig wieder abgeſtellt werden können.
Zunächſt verſtändigen ſich die beiden Perſonen über einen feſten Plan ihrer gemeinſamen Arbeit auf Gegenſeitigkeit. Der eine ſoll für den andern etwas mit ſehen, und der wird ihn ſo lange mit füttern. Dieſe Verſtändigung erfolgt ent¬ weder ſo, daß der eine beſtimmte Luftwellen erzeugt, die das Ohr des anderen erreichen; und umgekehrt. Oder ſo, daß der eine mit der Hand auf Papier beſtimmte Figuren malt, die beſtimmte Lichtreflexe ergeben und dieſe reflektierten Lichtwellen treffen das Auge des zweiten; und umgekehrt. Nötig iſt dazu ein längſt vereinbartes Zeichenſyſtem ſowohl für die Schall¬ wellen wie für die Lichtwellen. Dieſes Syſtem giebt die Sprache, eine ſchon alt überkommene Genoſſenſchafts-Ein¬ richtung der Menſchheit, die unſeren beiden Perſonen ſchon von Kindheit auf durch eine Art ſozialer Vererbung übermittelt worden iſt. Je nach Bedarf äußert dieſe Sprache ſich in geſprochenem Wort (durch Schallwellen) oder als geſchriebenes Wort (durch Lichtwellen). Mindeſtens das geſchriebene Wort hat dabei heute ſchon in vollem Maße die gute Eigenſchaft, daß es bei ihm auf die Länge der räumlichen Entfernung zwiſchen den beiden Perſonen überhaupt nicht mehr ankommt. Der eine Menſch kann ſchon während Abſchluß des Vertrages in Chicago ſitzen und der andere in Berlin: Briefe kreuzen glatt hin und her, wenn auch mit etwas Zeitaufwand. Selbſt dieſer Zeitaufwand kann aber auf ein Minimum verkürzt werden durch Einſchaltung elektriſcher Wellen: der Genoſſen¬ ſchaftsvertrag kann telegraphiert werden. Für dieſen Fall liegt allerdings zwiſchen Amerika und Europa ein Ding, das einige Ähnlichkeit mit einem ungeheuren Siphonophorenſtiel hat: das transatlantiſche Telegraphenkabel. Aber unſere beiden Menſchen¬ perſonen müſſen keineswegs zeitlebens mit ihrem Zellkörper an dieſes Kabel angewachſen bleiben, um es benutzen zu können. Ein ſolcher real feſtgewachſener Siphonophorenſtiel zwiſchen
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— vor allem — immer nur momentane, die jeden nächſten
Augenblick beliebig wieder abgeſtellt werden können.
Zunächſt verſtändigen ſich die beiden Perſonen über einen
feſten Plan ihrer gemeinſamen Arbeit auf Gegenſeitigkeit.
Der eine ſoll für den andern etwas mit ſehen, und der wird
ihn ſo lange mit füttern. Dieſe Verſtändigung erfolgt ent¬
weder ſo, daß der eine beſtimmte Luftwellen erzeugt, die das
Ohr des anderen erreichen; und umgekehrt. Oder ſo, daß der
eine mit der Hand auf Papier beſtimmte Figuren malt, die
beſtimmte Lichtreflexe ergeben und dieſe reflektierten Lichtwellen
treffen das Auge des zweiten; und umgekehrt. Nötig iſt dazu
ein längſt vereinbartes Zeichenſyſtem ſowohl für die Schall¬
wellen wie für die Lichtwellen. Dieſes Syſtem giebt die
Sprache, eine ſchon alt überkommene Genoſſenſchafts-Ein¬
richtung der Menſchheit, die unſeren beiden Perſonen ſchon von
Kindheit auf durch eine Art ſozialer Vererbung übermittelt
worden iſt. Je nach Bedarf äußert dieſe Sprache ſich in
geſprochenem Wort (durch Schallwellen) oder als geſchriebenes
Wort (durch Lichtwellen). Mindeſtens das geſchriebene Wort
hat dabei heute ſchon in vollem Maße die gute Eigenſchaft,
daß es bei ihm auf die Länge der räumlichen Entfernung
zwiſchen den beiden Perſonen überhaupt nicht mehr ankommt.
Der eine Menſch kann ſchon während Abſchluß des Vertrages
in Chicago ſitzen und der andere in Berlin: Briefe kreuzen
glatt hin und her, wenn auch mit etwas Zeitaufwand. Selbſt
dieſer Zeitaufwand kann aber auf ein Minimum verkürzt
werden durch Einſchaltung elektriſcher Wellen: der Genoſſen¬
ſchaftsvertrag kann telegraphiert werden. Für dieſen Fall liegt
allerdings zwiſchen Amerika und Europa ein Ding, das einige
Ähnlichkeit mit einem ungeheuren Siphonophorenſtiel hat: das
transatlantiſche Telegraphenkabel. Aber unſere beiden Menſchen¬
perſonen müſſen keineswegs zeitlebens mit ihrem Zellkörper
an dieſes Kabel angewachſen bleiben, um es benutzen zu können.
Ein ſolcher real feſtgewachſener Siphonophorenſtiel zwiſchen
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/149>, abgerufen am 21.11.2024.
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