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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Millimeters lang, also mit bloßem Auge überhaupt nicht mehr
sichtbar. Zwei geben ein Zehntel Millimeter, also auch noch für
das bloße Auge ein Nichts. Diese vier Stäubchen nun in Summa
wären die ganze nötige Stoffmasse zur Erhaltung der Menschheit.

Jetzt liegen die Dinge freilich so, daß nicht alle Menschen¬
paare sich finden. Auch sterben kleine Kinder schon wieder in
Masse. Und so weiter. Es könnte ja auch vorgesehen sein,
daß die Menschheit nicht bloß sich erhalten, sondern allmählich
noch zunehmen soll. Also ist es logisch gut begreiflich, daß
jedem Weibe und Manne die Möglichkeit anerschaffen wurde,
eventuell auch noch mehr als zwei Kinder zu erzeugen.

Aber auch das findet in gewissen Umständen wieder seine
gegebene Schranke. Jedes Kind entwickelt sich neun Monate
lang im Mutterleibe. Für diese ganze Zeit sperrt es von selbst
den Weg für eine neue Befruchtung. Da das Befruchtungs¬
vermögen auch nach der Geburt meist wenigstens noch eine
kürzere oder längere Frist unter gesunden Verhältnissen pausiert
so läßt sich rund jedenfalls ein Jahr Pause auf jedes Kind
rechnen. Nun ist die gesamte Lebensdauer auch des gesundesten
Weibes aber in ihren Jahren bereits eine beschränkte. Mehr
wie neunzig bis hundert hat kein Weib zu vergeben. Selbst
von diesen Jahren aber fällt mehr als die Hälfte ganz fort
auf die noch geschlechtsunreife Jugend und das nicht mehr ge¬
schlechtsreife Alter. Die Zeugungszeit schränkt sich in runder
Ziffer, die schon sehr hoch gegriffen ist, auf etwa dreißig Jahre
ein. Das gäbe also nur mehr Raum für dreißig Kinder.

Wir wissen aber alle, daß selbst das noch eine Patriarchen¬
ziffer ist, die nicht einmal ideal gelten darf. Sagen wir
zwanzig, und sagen wir, daß es also einen logischen Sinn
hätte, wenn jedem Weibe die Fähigkeit wenigstens für den
eventuellen Fall gegeben wäre, zwanzig Kinder in die Welt
zu setzen. Zwanzig Eizellen pro Person wären dazu nötig. Und
auch für den Mann wäre damit eine Maximalgrenze gegeben:
zwanzig Samenzellen. Zwanzig Eizellen würden ein Stückchen

Millimeters lang, alſo mit bloßem Auge überhaupt nicht mehr
ſichtbar. Zwei geben ein Zehntel Millimeter, alſo auch noch für
das bloße Auge ein Nichts. Dieſe vier Stäubchen nun in Summa
wären die ganze nötige Stoffmaſſe zur Erhaltung der Menſchheit.

Jetzt liegen die Dinge freilich ſo, daß nicht alle Menſchen¬
paare ſich finden. Auch ſterben kleine Kinder ſchon wieder in
Maſſe. Und ſo weiter. Es könnte ja auch vorgeſehen ſein,
daß die Menſchheit nicht bloß ſich erhalten, ſondern allmählich
noch zunehmen ſoll. Alſo iſt es logiſch gut begreiflich, daß
jedem Weibe und Manne die Möglichkeit anerſchaffen wurde,
eventuell auch noch mehr als zwei Kinder zu erzeugen.

Aber auch das findet in gewiſſen Umſtänden wieder ſeine
gegebene Schranke. Jedes Kind entwickelt ſich neun Monate
lang im Mutterleibe. Für dieſe ganze Zeit ſperrt es von ſelbſt
den Weg für eine neue Befruchtung. Da das Befruchtungs¬
vermögen auch nach der Geburt meiſt wenigſtens noch eine
kürzere oder längere Friſt unter geſunden Verhältniſſen pauſiert
ſo läßt ſich rund jedenfalls ein Jahr Pauſe auf jedes Kind
rechnen. Nun iſt die geſamte Lebensdauer auch des geſundeſten
Weibes aber in ihren Jahren bereits eine beſchränkte. Mehr
wie neunzig bis hundert hat kein Weib zu vergeben. Selbſt
von dieſen Jahren aber fällt mehr als die Hälfte ganz fort
auf die noch geſchlechtsunreife Jugend und das nicht mehr ge¬
ſchlechtsreife Alter. Die Zeugungszeit ſchränkt ſich in runder
Ziffer, die ſchon ſehr hoch gegriffen iſt, auf etwa dreißig Jahre
ein. Das gäbe alſo nur mehr Raum für dreißig Kinder.

Wir wiſſen aber alle, daß ſelbſt das noch eine Patriarchen¬
ziffer iſt, die nicht einmal ideal gelten darf. Sagen wir
zwanzig, und ſagen wir, daß es alſo einen logiſchen Sinn
hätte, wenn jedem Weibe die Fähigkeit wenigſtens für den
eventuellen Fall gegeben wäre, zwanzig Kinder in die Welt
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[168/0184] Millimeters lang, alſo mit bloßem Auge überhaupt nicht mehr ſichtbar. Zwei geben ein Zehntel Millimeter, alſo auch noch für das bloße Auge ein Nichts. Dieſe vier Stäubchen nun in Summa wären die ganze nötige Stoffmaſſe zur Erhaltung der Menſchheit. Jetzt liegen die Dinge freilich ſo, daß nicht alle Menſchen¬ paare ſich finden. Auch ſterben kleine Kinder ſchon wieder in Maſſe. Und ſo weiter. Es könnte ja auch vorgeſehen ſein, daß die Menſchheit nicht bloß ſich erhalten, ſondern allmählich noch zunehmen ſoll. Alſo iſt es logiſch gut begreiflich, daß jedem Weibe und Manne die Möglichkeit anerſchaffen wurde, eventuell auch noch mehr als zwei Kinder zu erzeugen. Aber auch das findet in gewiſſen Umſtänden wieder ſeine gegebene Schranke. Jedes Kind entwickelt ſich neun Monate lang im Mutterleibe. Für dieſe ganze Zeit ſperrt es von ſelbſt den Weg für eine neue Befruchtung. Da das Befruchtungs¬ vermögen auch nach der Geburt meiſt wenigſtens noch eine kürzere oder längere Friſt unter geſunden Verhältniſſen pauſiert ſo läßt ſich rund jedenfalls ein Jahr Pauſe auf jedes Kind rechnen. Nun iſt die geſamte Lebensdauer auch des geſundeſten Weibes aber in ihren Jahren bereits eine beſchränkte. Mehr wie neunzig bis hundert hat kein Weib zu vergeben. Selbſt von dieſen Jahren aber fällt mehr als die Hälfte ganz fort auf die noch geſchlechtsunreife Jugend und das nicht mehr ge¬ ſchlechtsreife Alter. Die Zeugungszeit ſchränkt ſich in runder Ziffer, die ſchon ſehr hoch gegriffen iſt, auf etwa dreißig Jahre ein. Das gäbe alſo nur mehr Raum für dreißig Kinder. Wir wiſſen aber alle, daß ſelbſt das noch eine Patriarchen¬ ziffer iſt, die nicht einmal ideal gelten darf. Sagen wir zwanzig, und ſagen wir, daß es alſo einen logiſchen Sinn hätte, wenn jedem Weibe die Fähigkeit wenigſtens für den eventuellen Fall gegeben wäre, zwanzig Kinder in die Welt zu ſetzen. Zwanzig Eizellen pro Perſon wären dazu nötig. Und auch für den Mann wäre damit eine Maximalgrenze gegeben: zwanzig Samenzellen. Zwanzig Eizellen würden ein Stückchen

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/184>, abgerufen am 22.11.2024.