der Leichenzug jeder einzelne treue, heiße, vom Licht und Blütenduft eines Königslagers umschmeichelte Liebesakt .....
Und wenn von den tausend und tausend Wellen selbst eine die wahre Lotosblüte trifft, die heilige Blüte mit dem Lebensei, -- noch in dieser höchsten Welle selber nur ein Stäubchen, das die Blüte faßt, -- selbst hier noch eine letzte Hekatombe anderer, die auf dem Berge stehen und die Stadt des Lichtes blinken sehen mit ihren Golddächern -- und doch noch der Ritter des Märchens werden, der hundert Drachen erschlug und doch noch vom hundertundeinten gefressen wurde, weil seine Urahne im zwanzigsten Gliede nicht Rosamunde hieß.
Buddah der Grübler müßte aber noch mehr denken.
Welch "großer Aufwand, schmählich! ist verthan", mit Mephistos Wort, um alle diese scheinbar sinnlosen Ver¬ schwendungen dem Menschen auch noch geradezu abzulocken und abzutrotzen!
Mit dem Geschlechtsakt verbindet sich, dir wohlbekannt, eine ungeheure, geheimnisvolle Süße. Das Nervengewitter der Wollust. Eine wilde, man möchte sagen, fast barbarisch wilde Lustempfindung schlägt in stürmischer Welle über dir zusammen. Wie ein hilfloses Schiff, das der Strudel packt, schlingt dich dieses Gefühl in seinen Abgrund hinab. Du brauchst bloß daran zu denken und dich faßt es schon leise vibrierend wie der lockende Schwindel solchen willenlosen Versinkens. Die Welt zerflattert wie Wolkenrauch da oben. Und all dein Sein stürzt in trunkener Hingabe in die heilige Purpurtiefe ab.
Eine reine Naturempfindung. Fern deinem bewußten Denken. Ein Plötzliches Aufleben deines physischen Unter¬ grundes, den du bisher nur merktest, wenn er dir Schmerzen wie Kraken und Seeungeheuer auf deinen Geistesstrand hinauf¬ trieb, der aber jetzt auf einmal dich in einer lavaheißen Lust¬ welle gegen die Sterne drückt. Dieses ganze Dunkelgebiet der "Natur" tief unter deinem Bewußtsein jäh heraufstoßend. Und der Stoß ist Lust. Du hängst machtlos und beseligt zu¬
der Leichenzug jeder einzelne treue, heiße, vom Licht und Blütenduft eines Königslagers umſchmeichelte Liebesakt .....
Und wenn von den tauſend und tauſend Wellen ſelbſt eine die wahre Lotosblüte trifft, die heilige Blüte mit dem Lebensei, — noch in dieſer höchſten Welle ſelber nur ein Stäubchen, das die Blüte faßt, — ſelbſt hier noch eine letzte Hekatombe anderer, die auf dem Berge ſtehen und die Stadt des Lichtes blinken ſehen mit ihren Golddächern — und doch noch der Ritter des Märchens werden, der hundert Drachen erſchlug und doch noch vom hundertundeinten gefreſſen wurde, weil ſeine Urahne im zwanzigſten Gliede nicht Roſamunde hieß.
Buddah der Grübler müßte aber noch mehr denken.
Welch „großer Aufwand, ſchmählich! iſt verthan“, mit Mephiſtos Wort, um alle dieſe ſcheinbar ſinnloſen Ver¬ ſchwendungen dem Menſchen auch noch geradezu abzulocken und abzutrotzen!
Mit dem Geſchlechtsakt verbindet ſich, dir wohlbekannt, eine ungeheure, geheimnisvolle Süße. Das Nervengewitter der Wolluſt. Eine wilde, man möchte ſagen, faſt barbariſch wilde Luſtempfindung ſchlägt in ſtürmiſcher Welle über dir zuſammen. Wie ein hilfloſes Schiff, das der Strudel packt, ſchlingt dich dieſes Gefühl in ſeinen Abgrund hinab. Du brauchſt bloß daran zu denken und dich faßt es ſchon leiſe vibrierend wie der lockende Schwindel ſolchen willenloſen Verſinkens. Die Welt zerflattert wie Wolkenrauch da oben. Und all dein Sein ſtürzt in trunkener Hingabe in die heilige Purpurtiefe ab.
Eine reine Naturempfindung. Fern deinem bewußten Denken. Ein Plötzliches Aufleben deines phyſiſchen Unter¬ grundes, den du bisher nur merkteſt, wenn er dir Schmerzen wie Kraken und Seeungeheuer auf deinen Geiſtesſtrand hinauf¬ trieb, der aber jetzt auf einmal dich in einer lavaheißen Luſt¬ welle gegen die Sterne drückt. Dieſes ganze Dunkelgebiet der „Natur“ tief unter deinem Bewußtſein jäh heraufſtoßend. Und der Stoß iſt Luſt. Du hängſt machtlos und beſeligt zu¬
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der Leichenzug jeder einzelne treue, heiße, vom Licht und
Blütenduft eines Königslagers umſchmeichelte Liebesakt .....
Und wenn von den tauſend und tauſend Wellen ſelbſt
eine die wahre Lotosblüte trifft, die heilige Blüte mit dem
Lebensei, — noch in dieſer höchſten Welle ſelber nur ein
Stäubchen, das die Blüte faßt, — ſelbſt hier noch eine letzte
Hekatombe anderer, die auf dem Berge ſtehen und die Stadt
des Lichtes blinken ſehen mit ihren Golddächern — und doch
noch der Ritter des Märchens werden, der hundert Drachen
erſchlug und doch noch vom hundertundeinten gefreſſen wurde,
weil ſeine Urahne im zwanzigſten Gliede nicht Roſamunde hieß.
Buddah der Grübler müßte aber noch mehr denken.
Welch „großer Aufwand, ſchmählich! iſt verthan“, mit
Mephiſtos Wort, um alle dieſe ſcheinbar ſinnloſen Ver¬
ſchwendungen dem Menſchen auch noch geradezu abzulocken
und abzutrotzen!
Mit dem Geſchlechtsakt verbindet ſich, dir wohlbekannt,
eine ungeheure, geheimnisvolle Süße. Das Nervengewitter der
Wolluſt. Eine wilde, man möchte ſagen, faſt barbariſch wilde
Luſtempfindung ſchlägt in ſtürmiſcher Welle über dir zuſammen.
Wie ein hilfloſes Schiff, das der Strudel packt, ſchlingt dich
dieſes Gefühl in ſeinen Abgrund hinab. Du brauchſt bloß
daran zu denken und dich faßt es ſchon leiſe vibrierend wie
der lockende Schwindel ſolchen willenloſen Verſinkens. Die
Welt zerflattert wie Wolkenrauch da oben. Und all dein Sein
ſtürzt in trunkener Hingabe in die heilige Purpurtiefe ab.
Eine reine Naturempfindung. Fern deinem bewußten
Denken. Ein Plötzliches Aufleben deines phyſiſchen Unter¬
grundes, den du bisher nur merkteſt, wenn er dir Schmerzen
wie Kraken und Seeungeheuer auf deinen Geiſtesſtrand hinauf¬
trieb, der aber jetzt auf einmal dich in einer lavaheißen Luſt¬
welle gegen die Sterne drückt. Dieſes ganze Dunkelgebiet der
„Natur“ tief unter deinem Bewußtſein jäh heraufſtoßend.
Und der Stoß iſt Luſt. Du hängſt machtlos und beſeligt zu¬
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/192>, abgerufen am 22.11.2024.
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