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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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männliche Lebenswelle siedet auf -- und entströmt. Und zu¬
gleich stürzt das ganze Individuum in die volle Rotglut der
stärksten Wollustempfindung. Armer Asket, der mit einem
Dämon ringen wollte, der Orionsterne zu Kränzen windet.
Und er sollte dir nicht ein paar Samenzellen abnehmen
können, die er vergeuden will .......

Ja, will. Und wenn wir die Wollust mit Stumpf und
Stiel ausgerottet, unter Mühlsteinen begraben und wie einen
Vampyr noch im Grabe gepfählt hätten: die Natur in uns
verschwendete doch mit triumphierender Gewalt. Und Buddhas
letzter Gedanke müßte sein, daß wir sogar gar nicht in dieser
Weise auf das Lustgefühl losschlagen dürfen, wenn uns an der
Zeugung selber liegt.

Denn ob das Gefühl auch von der unabhängig seine
Rolle noch so üppig spiele, in die wildesten Irrgärten hinein:
es fragt sich, ob überhaupt noch ein Geschlechtsakt und damit
also auch die einfachste Voraussetzung irgend welcher echten
Zeugung irgendwo zu stande käme ohne die Wollust? Vor des
Denkers Blick steigt in letzter, banger Vision auf, was diesen
Akt an Widerstrebendem alles sonst umgiebt, an Dingen, die
nicht lockend, sondern als wahre Schrecknisse erscheinen.

Der höchste, heiligste Akt im Fortleben der Menschheit,
dieser Geschlechtsakt. Alles Köstlichste, was der Mensch zu
bieten hat, sollte von Rechtes wegen auf ihn gehäuft sein.
Die Dichtung, die Kunst hat es wohl so geträumt. In einer
Goldwelle, die wie Sonnenglast verklärend vom Himmel her
ihr ganzes Sein durchdringt, sinkt Zeus in die Jungfrau.
Warum konnte es nicht sein, daß der bannende Strahl des
liebenden Auges die Kraftwelle vom Manne zum Weibe trug,
vom Auge ins Auge, -- die Welle, die den letzten Energie¬
einschlag gab zur Entwickelung eines neuen Menschen? Warum,
wenn denn zwei Zellen dazu sich körperlich mischen sollten,
löste sich nicht im Drucke der Hand ein einzelnes Mannes¬
zellchen und wanderte über in den Zellverband des Weibes?

männliche Lebenswelle ſiedet auf — und entſtrömt. Und zu¬
gleich ſtürzt das ganze Individuum in die volle Rotglut der
ſtärkſten Wolluſtempfindung. Armer Asket, der mit einem
Dämon ringen wollte, der Orionſterne zu Kränzen windet.
Und er ſollte dir nicht ein paar Samenzellen abnehmen
können, die er vergeuden will .......

Ja, will. Und wenn wir die Wolluſt mit Stumpf und
Stiel ausgerottet, unter Mühlſteinen begraben und wie einen
Vampyr noch im Grabe gepfählt hätten: die Natur in uns
verſchwendete doch mit triumphierender Gewalt. Und Buddhas
letzter Gedanke müßte ſein, daß wir ſogar gar nicht in dieſer
Weiſe auf das Luſtgefühl losſchlagen dürfen, wenn uns an der
Zeugung ſelber liegt.

Denn ob das Gefühl auch von der unabhängig ſeine
Rolle noch ſo üppig ſpiele, in die wildeſten Irrgärten hinein:
es fragt ſich, ob überhaupt noch ein Geſchlechtsakt und damit
alſo auch die einfachſte Vorausſetzung irgend welcher echten
Zeugung irgendwo zu ſtande käme ohne die Wolluſt? Vor des
Denkers Blick ſteigt in letzter, banger Viſion auf, was dieſen
Akt an Widerſtrebendem alles ſonſt umgiebt, an Dingen, die
nicht lockend, ſondern als wahre Schreckniſſe erſcheinen.

Der höchſte, heiligſte Akt im Fortleben der Menſchheit,
dieſer Geſchlechtsakt. Alles Köſtlichſte, was der Menſch zu
bieten hat, ſollte von Rechtes wegen auf ihn gehäuft ſein.
Die Dichtung, die Kunſt hat es wohl ſo geträumt. In einer
Goldwelle, die wie Sonnenglaſt verklärend vom Himmel her
ihr ganzes Sein durchdringt, ſinkt Zeus in die Jungfrau.
Warum konnte es nicht ſein, daß der bannende Strahl des
liebenden Auges die Kraftwelle vom Manne zum Weibe trug,
vom Auge ins Auge, — die Welle, die den letzten Energie¬
einſchlag gab zur Entwickelung eines neuen Menſchen? Warum,
wenn denn zwei Zellen dazu ſich körperlich miſchen ſollten,
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[183/0199] männliche Lebenswelle ſiedet auf — und entſtrömt. Und zu¬ gleich ſtürzt das ganze Individuum in die volle Rotglut der ſtärkſten Wolluſtempfindung. Armer Asket, der mit einem Dämon ringen wollte, der Orionſterne zu Kränzen windet. Und er ſollte dir nicht ein paar Samenzellen abnehmen können, die er vergeuden will ....... Ja, will. Und wenn wir die Wolluſt mit Stumpf und Stiel ausgerottet, unter Mühlſteinen begraben und wie einen Vampyr noch im Grabe gepfählt hätten: die Natur in uns verſchwendete doch mit triumphierender Gewalt. Und Buddhas letzter Gedanke müßte ſein, daß wir ſogar gar nicht in dieſer Weiſe auf das Luſtgefühl losſchlagen dürfen, wenn uns an der Zeugung ſelber liegt. Denn ob das Gefühl auch von der unabhängig ſeine Rolle noch ſo üppig ſpiele, in die wildeſten Irrgärten hinein: es fragt ſich, ob überhaupt noch ein Geſchlechtsakt und damit alſo auch die einfachſte Vorausſetzung irgend welcher echten Zeugung irgendwo zu ſtande käme ohne die Wolluſt? Vor des Denkers Blick ſteigt in letzter, banger Viſion auf, was dieſen Akt an Widerſtrebendem alles ſonſt umgiebt, an Dingen, die nicht lockend, ſondern als wahre Schreckniſſe erſcheinen. Der höchſte, heiligſte Akt im Fortleben der Menſchheit, dieſer Geſchlechtsakt. Alles Köſtlichſte, was der Menſch zu bieten hat, ſollte von Rechtes wegen auf ihn gehäuft ſein. Die Dichtung, die Kunſt hat es wohl ſo geträumt. In einer Goldwelle, die wie Sonnenglaſt verklärend vom Himmel her ihr ganzes Sein durchdringt, ſinkt Zeus in die Jungfrau. Warum konnte es nicht ſein, daß der bannende Strahl des liebenden Auges die Kraftwelle vom Manne zum Weibe trug, vom Auge ins Auge, — die Welle, die den letzten Energie¬ einſchlag gab zur Entwickelung eines neuen Menſchen? Warum, wenn denn zwei Zellen dazu ſich körperlich miſchen ſollten, löſte ſich nicht im Drucke der Hand ein einzelnes Mannes¬ zellchen und wanderte über in den Zellverband des Weibes?

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/199>, abgerufen am 22.11.2024.