durch männliche Pollutionen zu erzeugen. Und die lange, enge Verknüpfung von Mutter und Kind, die Größe und Reife, in der das Kind geboren wird, das Aufhören jeglicher weiblichen Eierlegerei beschränken die Zahl der Eier, die überhaupt zur Befruchtung und Reife kommen können, auf jenes Minimum, das wir auch beim Menschen zuletzt gewahren. Immer aber ist es, als wolle die Natur sich einen Schatten des Alten, Ältesten doch wie eine sorgliche Unterschicht bewahren. Als wenn sie jene Fischverhältnisse latent noch hinter dem Menschen halten müsse, für irgend einen nötigen Fall. So wahrt sich der Eierstock wenigstens die Anlage zu einer Stör- oder Karpfenproduktion en gros. So verfügt der Mannessamen über eine Flut, als sollten die Samentierchen immer noch eine freie Wasserfahrt zurücklegen.
Erst so wird auch der Sinn, der historische Sinn gewisser automatischer Handlungen des Leibes klar. Wenn tief im Weibesleibe zu jeder Menstruation ein Ei sich selbsthätig auf die Wanderschaft nach der Gebärmutter begiebt, so ist das eigent¬ lich immer noch ein verstecktes Eierlegen, ein Loslassen und Fallenlassen gleichsam des unbefruchteten Eies ins Offene hinein, auf gut Glück, daß es Samen finde. Allerdings darf das Ei nicht mehr ganz hinaus ans Licht, sonst stirbt es. Aber der Eileiter und die Gebärmutter sind gleichsam in Vertretung das Wasser geworden, in das der Hering sein Ei wirklich hinaus¬ wirft. Erfolgt keine Befruchtung, so ist das Ei doch auch hier gleichsam expediert, es ist wegbefördert und für neue Sendung Raum. Die Möglichkeit der Befruchtung selbst, also die An¬ wesenheit grade von Mannessamen in diesem Geheimraum zur rechten Zeit, gehört freilich in ein anderes, später erworbenes Ressort, das mit der gleich zu besprechenden "Entdeckung" der Begattung zusammenhängt. Aber der automatische Akt thut seine Schuldigkeit im alten Fischsinne für sich, soweit er es eben versteht, -- der Fisch im Menschen legt noch jene zweiundsiebzig¬ tausend Eier am Eierstocke brav an und entläßt soviel es geht
durch männliche Pollutionen zu erzeugen. Und die lange, enge Verknüpfung von Mutter und Kind, die Größe und Reife, in der das Kind geboren wird, das Aufhören jeglicher weiblichen Eierlegerei beſchränken die Zahl der Eier, die überhaupt zur Befruchtung und Reife kommen können, auf jenes Minimum, das wir auch beim Menſchen zuletzt gewahren. Immer aber iſt es, als wolle die Natur ſich einen Schatten des Alten, Älteſten doch wie eine ſorgliche Unterſchicht bewahren. Als wenn ſie jene Fiſchverhältniſſe latent noch hinter dem Menſchen halten müſſe, für irgend einen nötigen Fall. So wahrt ſich der Eierſtock wenigſtens die Anlage zu einer Stör- oder Karpfenproduktion en gros. So verfügt der Mannesſamen über eine Flut, als ſollten die Samentierchen immer noch eine freie Waſſerfahrt zurücklegen.
Erſt ſo wird auch der Sinn, der hiſtoriſche Sinn gewiſſer automatiſcher Handlungen des Leibes klar. Wenn tief im Weibesleibe zu jeder Menſtruation ein Ei ſich ſelbſthätig auf die Wanderſchaft nach der Gebärmutter begiebt, ſo iſt das eigent¬ lich immer noch ein verſtecktes Eierlegen, ein Loslaſſen und Fallenlaſſen gleichſam des unbefruchteten Eies ins Offene hinein, auf gut Glück, daß es Samen finde. Allerdings darf das Ei nicht mehr ganz hinaus ans Licht, ſonſt ſtirbt es. Aber der Eileiter und die Gebärmutter ſind gleichſam in Vertretung das Waſſer geworden, in das der Hering ſein Ei wirklich hinaus¬ wirft. Erfolgt keine Befruchtung, ſo iſt das Ei doch auch hier gleichſam expediert, es iſt wegbefördert und für neue Sendung Raum. Die Möglichkeit der Befruchtung ſelbſt, alſo die An¬ weſenheit grade von Mannesſamen in dieſem Geheimraum zur rechten Zeit, gehört freilich in ein anderes, ſpäter erworbenes Reſſort, das mit der gleich zu beſprechenden „Entdeckung“ der Begattung zuſammenhängt. Aber der automatiſche Akt thut ſeine Schuldigkeit im alten Fiſchſinne für ſich, ſoweit er es eben verſteht, — der Fiſch im Menſchen legt noch jene zweiundſiebzig¬ tauſend Eier am Eierſtocke brav an und entläßt ſoviel es geht
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durch männliche Pollutionen zu erzeugen. Und die lange, enge
Verknüpfung von Mutter und Kind, die Größe und Reife, in
der das Kind geboren wird, das Aufhören jeglicher weiblichen
Eierlegerei beſchränken die Zahl der Eier, die überhaupt zur
Befruchtung und Reife kommen können, auf jenes Minimum,
das wir auch beim Menſchen zuletzt gewahren. Immer aber
iſt es, als wolle die Natur ſich einen Schatten des Alten,
Älteſten doch wie eine ſorgliche Unterſchicht bewahren. Als
wenn ſie jene Fiſchverhältniſſe latent noch hinter dem Menſchen
halten müſſe, für irgend einen nötigen Fall. So wahrt ſich
der Eierſtock wenigſtens die Anlage zu einer Stör- oder
Karpfenproduktion en gros. So verfügt der Mannesſamen
über eine Flut, als ſollten die Samentierchen immer noch eine
freie Waſſerfahrt zurücklegen.
Erſt ſo wird auch der Sinn, der hiſtoriſche Sinn gewiſſer
automatiſcher Handlungen des Leibes klar. Wenn tief im
Weibesleibe zu jeder Menſtruation ein Ei ſich ſelbſthätig auf
die Wanderſchaft nach der Gebärmutter begiebt, ſo iſt das eigent¬
lich immer noch ein verſtecktes Eierlegen, ein Loslaſſen und
Fallenlaſſen gleichſam des unbefruchteten Eies ins Offene hinein,
auf gut Glück, daß es Samen finde. Allerdings darf das Ei
nicht mehr ganz hinaus ans Licht, ſonſt ſtirbt es. Aber der
Eileiter und die Gebärmutter ſind gleichſam in Vertretung das
Waſſer geworden, in das der Hering ſein Ei wirklich hinaus¬
wirft. Erfolgt keine Befruchtung, ſo iſt das Ei doch auch hier
gleichſam expediert, es iſt wegbefördert und für neue Sendung
Raum. Die Möglichkeit der Befruchtung ſelbſt, alſo die An¬
weſenheit grade von Mannesſamen in dieſem Geheimraum zur
rechten Zeit, gehört freilich in ein anderes, ſpäter erworbenes
Reſſort, das mit der gleich zu beſprechenden „Entdeckung“ der
Begattung zuſammenhängt. Aber der automatiſche Akt thut
ſeine Schuldigkeit im alten Fiſchſinne für ſich, ſoweit er es eben
verſteht, — der Fiſch im Menſchen legt noch jene zweiundſiebzig¬
tauſend Eier am Eierſtocke brav an und entläßt ſoviel es geht
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/224>, abgerufen am 24.11.2024.
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