Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

Forelle kennen, wie sie der Feinschmecker träumt, aber meist in
seinem engen Erdenthal da unten nicht kennt. Mandelsüß das
Fleisch, mit einer Blume der Hummerschere, und goldig ziegel¬
rot von Farbe. Es war die Bergforelle in ihrer kühnsten
Entfaltung, der Fisch, der aus dem großen unsichtbaren See
tief da unten, von dem die Wolkenpilze durch den Thalschrund
zu mir dampften, sich verstiegen hatte in Adlers- und Lämmer¬
geierhöhen, zu Teichen, in deren Blau die Alpenrose rote
Reflexe zeugt und aus denen die Gemse trinkt. Vor meinen
Gedanken tauchte dann an diesem Ort zum Träumen aber das
ganze Wundervolk dieser forellen- und lachsartigen Fische auf,
das dem Zoologen unzählige Rätsel aufgiebt, zu deren Lösung
er den Erdenglobus wälzen möchte wie ein Buch .....

[Abbildung]

Diese Forellen selbst haben noch eine gleichsam simple
Liebesgeschichte. Nah verwandt jener alten Stichlingshistoria,
wenn schon nicht ganz so epigrammatisch. Aber gerade in
ihrer Nähe rührt es sich schon zu jener Wende, die ich meine.

Im kleinen Silberbächlein oder im blauen Bergsee, wo
die Forellen hausen, braucht es keine wüste Liebeskirmeß wie
in der Heringsbucht. Alles vollzieht sich feiner, intimer hier.
Jedes einzelne Forellenbräutchen sondert sich von den anderen,
wenn ihm der Rogen im zierlichen Leiblein schwillt. Wohl
folgen ihm meist mehrere männliche Werber. Aber es begünstigt
nur einen, den ältesten wohl und ernsthaftesten, dessen echte
Absichten ihm eine gewisse lebhaftere Körperfarbe andeutet, --
gleichsam den Liebhaber mit den liebesrotesten Backen. Viele
Köche, zumal junge, weiß es, verderben den Brei. Herrscht

Forelle kennen, wie ſie der Feinſchmecker träumt, aber meiſt in
ſeinem engen Erdenthal da unten nicht kennt. Mandelſüß das
Fleiſch, mit einer Blume der Hummerſchere, und goldig ziegel¬
rot von Farbe. Es war die Bergforelle in ihrer kühnſten
Entfaltung, der Fiſch, der aus dem großen unſichtbaren See
tief da unten, von dem die Wolkenpilze durch den Thalſchrund
zu mir dampften, ſich verſtiegen hatte in Adlers- und Lämmer¬
geierhöhen, zu Teichen, in deren Blau die Alpenroſe rote
Reflexe zeugt und aus denen die Gemſe trinkt. Vor meinen
Gedanken tauchte dann an dieſem Ort zum Träumen aber das
ganze Wundervolk dieſer forellen- und lachsartigen Fiſche auf,
das dem Zoologen unzählige Rätſel aufgiebt, zu deren Löſung
er den Erdenglobus wälzen möchte wie ein Buch .....

[Abbildung]

Dieſe Forellen ſelbſt haben noch eine gleichſam ſimple
Liebesgeſchichte. Nah verwandt jener alten Stichlingshiſtoria,
wenn ſchon nicht ganz ſo epigrammatiſch. Aber gerade in
ihrer Nähe rührt es ſich ſchon zu jener Wende, die ich meine.

Im kleinen Silberbächlein oder im blauen Bergſee, wo
die Forellen hauſen, braucht es keine wüſte Liebeskirmeß wie
in der Heringsbucht. Alles vollzieht ſich feiner, intimer hier.
Jedes einzelne Forellenbräutchen ſondert ſich von den anderen,
wenn ihm der Rogen im zierlichen Leiblein ſchwillt. Wohl
folgen ihm meiſt mehrere männliche Werber. Aber es begünſtigt
nur einen, den älteſten wohl und ernſthafteſten, deſſen echte
Abſichten ihm eine gewiſſe lebhaftere Körperfarbe andeutet, —
gleichſam den Liebhaber mit den liebesroteſten Backen. Viele
Köche, zumal junge, weiß es, verderben den Brei. Herrſcht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0231" n="215"/>
Forelle kennen, wie &#x017F;ie der Fein&#x017F;chmecker träumt, aber mei&#x017F;t in<lb/>
&#x017F;einem engen Erdenthal da unten nicht kennt. Mandel&#x017F;üß das<lb/>
Flei&#x017F;ch, mit einer Blume der Hummer&#x017F;chere, und goldig ziegel¬<lb/>
rot von Farbe. Es war die Bergforelle in ihrer kühn&#x017F;ten<lb/>
Entfaltung, der Fi&#x017F;ch, der aus dem großen un&#x017F;ichtbaren See<lb/>
tief da unten, von dem die Wolkenpilze durch den Thal&#x017F;chrund<lb/>
zu mir dampften, &#x017F;ich ver&#x017F;tiegen hatte in Adlers- und Lämmer¬<lb/>
geierhöhen, zu Teichen, in deren Blau die Alpenro&#x017F;e rote<lb/>
Reflexe zeugt und aus denen die Gem&#x017F;e trinkt. Vor meinen<lb/>
Gedanken tauchte dann an die&#x017F;em Ort zum Träumen aber das<lb/>
ganze Wundervolk die&#x017F;er forellen- und lachsartigen Fi&#x017F;che auf,<lb/>
das dem Zoologen unzählige Rät&#x017F;el aufgiebt, zu deren Lö&#x017F;ung<lb/>
er den Erdenglobus wälzen möchte wie ein Buch .....</p><lb/>
        <figure/>
        <p>Die&#x017F;e Forellen &#x017F;elb&#x017F;t haben noch eine gleich&#x017F;am &#x017F;imple<lb/>
Liebesge&#x017F;chichte. Nah verwandt jener alten Stichlingshi&#x017F;toria,<lb/>
wenn &#x017F;chon nicht ganz &#x017F;o epigrammati&#x017F;ch. Aber gerade in<lb/>
ihrer Nähe rührt es &#x017F;ich &#x017F;chon zu jener Wende, die ich meine.</p><lb/>
        <p>Im kleinen Silberbächlein oder im blauen Berg&#x017F;ee, wo<lb/>
die Forellen hau&#x017F;en, braucht es keine wü&#x017F;te Liebeskirmeß wie<lb/>
in der Heringsbucht. Alles vollzieht &#x017F;ich feiner, intimer hier.<lb/>
Jedes einzelne Forellenbräutchen &#x017F;ondert &#x017F;ich von den anderen,<lb/>
wenn ihm der Rogen im zierlichen Leiblein &#x017F;chwillt. Wohl<lb/>
folgen ihm mei&#x017F;t mehrere männliche Werber. Aber es begün&#x017F;tigt<lb/>
nur einen, den älte&#x017F;ten wohl und ern&#x017F;thafte&#x017F;ten, de&#x017F;&#x017F;en echte<lb/>
Ab&#x017F;ichten ihm eine gewi&#x017F;&#x017F;e lebhaftere Körperfarbe andeutet, &#x2014;<lb/>
gleich&#x017F;am den Liebhaber mit den liebesrote&#x017F;ten Backen. Viele<lb/>
Köche, zumal junge, weiß es, verderben den Brei. Herr&#x017F;cht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0231] Forelle kennen, wie ſie der Feinſchmecker träumt, aber meiſt in ſeinem engen Erdenthal da unten nicht kennt. Mandelſüß das Fleiſch, mit einer Blume der Hummerſchere, und goldig ziegel¬ rot von Farbe. Es war die Bergforelle in ihrer kühnſten Entfaltung, der Fiſch, der aus dem großen unſichtbaren See tief da unten, von dem die Wolkenpilze durch den Thalſchrund zu mir dampften, ſich verſtiegen hatte in Adlers- und Lämmer¬ geierhöhen, zu Teichen, in deren Blau die Alpenroſe rote Reflexe zeugt und aus denen die Gemſe trinkt. Vor meinen Gedanken tauchte dann an dieſem Ort zum Träumen aber das ganze Wundervolk dieſer forellen- und lachsartigen Fiſche auf, das dem Zoologen unzählige Rätſel aufgiebt, zu deren Löſung er den Erdenglobus wälzen möchte wie ein Buch ..... [Abbildung] Dieſe Forellen ſelbſt haben noch eine gleichſam ſimple Liebesgeſchichte. Nah verwandt jener alten Stichlingshiſtoria, wenn ſchon nicht ganz ſo epigrammatiſch. Aber gerade in ihrer Nähe rührt es ſich ſchon zu jener Wende, die ich meine. Im kleinen Silberbächlein oder im blauen Bergſee, wo die Forellen hauſen, braucht es keine wüſte Liebeskirmeß wie in der Heringsbucht. Alles vollzieht ſich feiner, intimer hier. Jedes einzelne Forellenbräutchen ſondert ſich von den anderen, wenn ihm der Rogen im zierlichen Leiblein ſchwillt. Wohl folgen ihm meiſt mehrere männliche Werber. Aber es begünſtigt nur einen, den älteſten wohl und ernſthafteſten, deſſen echte Abſichten ihm eine gewiſſe lebhaftere Körperfarbe andeutet, — gleichſam den Liebhaber mit den liebesroteſten Backen. Viele Köche, zumal junge, weiß es, verderben den Brei. Herrſcht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/231
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/231>, abgerufen am 27.11.2024.